Arzneimittel und Therapie

Bei chronischer Obstipation ist adäquate Therapie Pflicht

Prucaloprid beschleunigt Darmpassage

Unter chronischer Obstipation leiden häufig ältere Menschen, Patienten mit metabolischen oder neurologischen Erkrankungen oder auch Schmerzpatienten, die Opioide erhalten. Sie müssen adäquat beraten und behandelt werden. Denn chronische Obstipation ist mehr als eine Befindlichkeitsstörung. Der Leidensdruck ist hoch, die Lebensqualität sinkt. Schlagen die üblichen Laxanzien fehl, steht mit dem ersten selektiven Serotonin-5-HT4 -Rezeptoragonisten Prucaloprid (Resolor®) eine weitere Therapieoption zur Verfügung, zumindest für Frauen.
Foto Cramer-Gesundheits-Consulting

Chronische Obstipation ist häufig, mit einer Prävalenz von bis zu 18% in der deutschen Allgemeinbevölkerung. Die Palette der Symptome, über die die Patienten klagen, ist breit, so Prof. Dr. Thomas Frieling, Krefeld, auf einem von der Shire Deutschland GmbH veranstalteten Symposium auf dem Internistenkongress in Wiesbaden. Berichtet wird dabei vor allem über subjektive Symptome wie Pressen beim Stuhlgang, Blähungen und harte Stuhlkonsistenz, gefolgt von abdominellen Beschwerden und seltenen Stuhlgängen. Auch das Gefühl der unvollständigen Entleerung und rektale Schmerzen treten auf. Frieling betonte, dass es sich bei der chronischen Obstipation nicht um eine Befindlichkeitsstörung handelt. Vielmehr gehe sie mit einem hohen Leidensdruck und einer Reduktion der körperlichen und psychischen Lebensqualität einher. Das belegt auch eine internationale Studie, die die Lebensqualität von chronisch Obstipierten anhand des SF-36 ermittelte.

Obstipation im Alter: Polypharmazie als Ursache

Alte Menschen sind laut Prof. Dr. Martin Wehling, Mannheim, besonders häufig betroffen. 30% der über 84-Jährigen seien obstipiert, bei den Pflegeheimbewohnern bis zu 80%: "Ein immobiler Pflegeheimpatient ist immer verstopft." Polypharmazie, Immobilisation, Dehydratation sowie neurologische und metabolische Erkrankungen kommen als Ursache in Betracht. Neben einem kritischen Blick, und einer "Bereinigung" der Medikamentenliste unter genauer Nutzen-Risiko-Abwägung sollte versucht werden, durch Mobilisierung, Ernährungsumstellung auf faserreiche Kost und Toilettentraining den Stuhlgang anzuregen. Als Medikation empfahl Wehling neben Psyllium osmotische Laxanzien. Auf salinische oder die Darmwand reizende Abführmittel sollte dagegen verzichtet werden. Lässt sich mit diesen Therapieoptionen kein ausreichender Effekt erreichen, bietet sich Prucaloprid an, das in einer placebokontrollierten Studie an 300 Patienten jenseits des 65. Lebensjahres untersucht wurde. Sie erhielten Prucaloprid (1 mg, 2 mg oder 4 mg einmal täglich) oder Placebo über vier Wochen. In diesen Dosierungen hatte der selektive Serotonin-5-HT4 -Rezeptoragonist günstige Effekte nicht nur auf die Stuhlgangfrequenz, sondern auch auf die Symptome und Lebensqualität. Dabei war der Wirkstoff auch in dieser Patientengruppe sicher und gut verträglich.

Motilitätsstörung bei Diabetikern: Blutzucker einstellen!

Besonders häufig entwickeln auch Typ-2-Diabetiker eine chronische Obstipation als Folge einer autonomen Neuropathie. Es kommt dadurch zu Motilitätsstörungen im Sinne eines verzögerten Transits in allen Abschnitten des Verdauungskanals, so dass neben der Obstipation auch gehäuft Übelkeit, Erbrechen und Dysphagie auftreten, erläuterte Prof. Dr. Diethelm Tschöpe, Bad Oeynhausen. Er betonte die Bedeutung einer strengen Blutzuckereinstellung bei diabetischer Gastroparese. Denn eine Hyperglykämie kann die Motilitätsstörungen per begünstigen, gleichzeitig aber auch die Entwicklung der Neuropathie vorantreiben. Zusätzlich stehen bei unkomplizierter Obstipation Ernährungstherapie und Laxanzien im Vordergrund. Bei schweren Motilitätsstörungen kommen aus seiner Sicht Prokinetika wie Prucaloprid in Betracht. Bei funktionellen Stuhlentleerungsstörungen kann eine Biofeedbacktherapie versucht werden.

Schmerzpatienten, die Opioide erhalten, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine chronische Obstipation. "Die Obstipation ist eine übliche Nebenwirkung einer Opioidtherapie", erläuterte Priv.-Doz. Dr. Oguzhan Dagtekin, Köln. Die Beschwerden sind umso stärker, je höher die Dosis ist. Eine Toleranzentwicklung gibt es nicht, betonte Dagtekin. Das bedeutet: Die Obstipation hält während der gesamten Opioidtherapie an. Osmotisch wirksame Laxanzien führen häufig nicht zu einer zufriedenstellenden Wirksamkeit für den Patienten. Möglich ist eine Kombination von Oxycodon mit Naloxon, das die Darmfunktion verbessert ohne die analgetische Wirkung von Oxycodon zu reduzieren. Eine weitere Option könnte Prucaloprid sein. In einer kürzlich veröffentlichten Studie mit 196 männlichen und weiblichen Patienten mit nicht-tumorbedingten Schmerzen und Opioid-induzierter Obstipation verbesserte Prucaloprid die Darmfunktion und weitere die Lebensqualität beeinflussende Faktoren. Prucaloprid ist ein hoch selektiver Serotonin-(5-HT4 -)Rezeptoragonist mit starker enterokinetischer Aktivität, der im Dickdarm durch die Stimulierung der 5-HT4 -Rezeptoren in den Darmwandnerven physiologische, peristaltische Reflexe auslöst. Dies beschleunigt insgesamt die Darmpassage entlang des Magen-Darm-Traktes, fördert die Bewegung des Darminhalts im Dickdarm und verbessert signifikant dessen Entleerung. Aus Sicht von Dagtekin sollte bei der Verordnung eines Opioids ein Laxans immer mit verordnet werden aufgrund des hohen Risikos einer begleitenden Obstipation.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2012, Nr. 21, S. 50

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