Arzneimittel und Therapie

Neue Beobachtungsliste zu Arzneimittelrisiken erschienen: FDA schreibt 16 Wirkstoffe zur Beobachtung aus

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA veröffentlicht quartalsweise eine Beobachtungs-/Kontrollliste (FDA watch list) zu Wirkstoffen mit schwerwiegenden Risiken, welche anhand des nationalen Meldesystems unerwünschter Arzneimittelereignisse AERS (Adverse Event Reporting System) identifiziert wurden [1].

Die FDA bezieht sich dabei auf Wirkstoffe, zu denen gehäuft Meldungen im Adverse Event Reporting System eingegangen sind oder bei denen aufgrund einzelner Meldungen der dringende Verdacht besteht, dass ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis aufgetreten ist. Sie werden dann einer genaueren Untersuchung zur Plausibilität und Kausalität der gemeldeten Ereignisse mit ihrer Einnahme unterzogen. Die Verdachtsliste impliziert nicht, dass arzt- oder patientenseitig eine Unterbrechung der Verordnung oder der Einnahme begründet wäre. Bestätigt sich der Verdacht, so werden regulatorische Maßnahmen eingeleitet (ähnlich dem deutschen Stufenplanverfahren), welche z. B. aus weiterer Informationsbeschaffung zum untersuchten Risiko oder der Überarbeitung der Produktinformationen bestehen. Beispielsweise wurden bei fünf der acht Wirkstoffe der letzten FDA watch list die Produktinformation überarbeitet, bei drei Wirkstoffen steht die abschließende Untersuchung noch aus. Die aktuelle Beobachtungsliste des 4. Quartals 2011 [2] führt 16 Wirkstoffe auf, zwölf davon sind in Deutschland zugelassen. Auf eine Auflistung der vier nicht in Deutschland zugelassenen Wirkstoffe (Brentuximab vedotin, Milnacipran HCl, Pegloticase, Rubidium Rb82 generator) wurde in der Tabelle verzichtet.


Potenzielle Anzeichen schwerwiegender Risiken/Neue Sicherheitsinformationen – identifiziert durch das Adverse Event Reporting System (AERS) der FDA von Oktober – Dezember 2011 [2].

Wirkstoff oder
Wirkstoffgruppe
potenziell schwerwiegendes Arzneimittelrisiko
Zusatzinformationen der FDA vom
15. Februar 2012
Bortezomib
Tod durch intrathekale Verabreichung (Medikationsfehler)
Warnung vor tödlichen Ereignissen bei
intrathekaler Verabreichung wurde in den Abschnitten "Dosierung", "Kontraindikation" und "Verabreichung" der Produktinformation aufgenommen (Januar 2012)
Fluorchinolone
periphere sensomotorische Neuropathie
FDA überprüft, ob die bisherigen Angaben der Produktinformationen zur peripheren sensomotorischen Neuropathie ausreichend sind
Gabapentin
Erhöhung der Creatin-Phosphokinase-Spiegel im Blut und Rhabdomyolyse
Evaluation der FDA steht aus
Gadolinium-haltige
Röntgenkontrastmittel
akutes Nierenversagen
FDA überprüft, ob die bisherigen Angaben der Produktinformationen zu akutem Nierenversagen ausreichend sind
Iloprost
Inhalationslösung
Hämoptyse (Aushusten von bluthaltigem Sekret)
Evaluation der FDA steht aus
Loperamid
Pankreatitis
Evaluation der FDA steht aus
Macrogol 3350
in oralen Laxanzien
neuropsychiatrische Ereignisse
basierend auf den verfügbaren Informationen hat die FDA entschieden, dass zur Zeit keine Handlung erforderlich ist
Magnesiumsulfat
zur Injektion
bei kontinuierlicher Langzeitanwendung in der Schwangerschaft: Fetale Skelettdemineralisation, Hypermagnesiämie und andere Knochenabnormalitäten
Evaluation der FDA steht aus
Phenytoin und nicht
depolarisierende
Muskelrelaxanzien
Arzneimittelinteraktion, welche zu einer Wirkungsabschwächung der nicht depolarisierenden Muskelrelaxanzien führt.
Evaluation der FDA steht aus
Protonenpumpenhemmer
Clostridium difficile-assoziierte Diarrhoe
Veröffentlichung einer Drug Safety
Communication am 8. Februar 2012,
weitere Evaluation der FDA steht aus
Sorafenib
Osteonekrose des Kiefers
Evaluation der FDA steht aus
Telaprevir
Schwerwiegende Hautreaktionen (inklusive Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen [DRESS] und Stevens-Johnson Syndrom [SJS])
Evaluation der FDA steht aus

Die Situation in Deutschland

In Deutschland ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als zuständige Bundesoberbehörde gemäß § 62 AMG gesetzlich dazu verpflichtet, gemeldete oder beobachtete Risiken zentral zu erfassen, auszuwerten und die zu ergreifenden Maßnahmen zu koordinieren [3]. Um den Informationsaustausch über aktuelle Probleme der Arzneimittelsicherheit zu fördern, halten die zuständigen Institutionen mindestens zweimal jährlich im BfArM Routinesitzungen ab. Teilnehmer sind: BfArM, Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), zuständige Stellen in den Bundesländern, Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg), das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die Arzneimittelkommissionen der Heilberufe, Verbände der pharmazeutischen Industrie, Patientenbeauftragte und ein Vertreter der Pharmakovigilanzzentren. Das nach den Sitzungen verfasste Ergebnisprotokoll wird zur Förderung der Transparenz gemäß § 77a Abs. 2 AMG der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies erfolgt seit Ende 2005 auf der BfArM-Homepage. Im Sachstandsbericht sind jedoch ausschließlich statistische Untersuchungen zu den innerhalb eines halben Jahres gemeldeten Verdachtsfällen unerwünschter Arzneimittelwirkungen, den hierunter befindlichen Todesfällen sowie die Meldequelle enthalten (z. B. Arzneimittelkommissionen der deutschen Apotheker- oder Ärzteschaft, pharmazeutische Unternehmer, intensives Monitoring der Pharmakovigilanzzentren). Der Gegenstand der erfassten Nebenwirkungsverdachtsfälle gelangt somit nicht en detail an die Öffentlichkeit, ein Pendant zu der amerikanischen FDA watch list besteht in Deutschland folglich nicht. Weiterhin enthält das Ergebnisprotokoll detailliertere Informationen über aktuell eröffnete Verfahren zur Abwehr von Gefahren durch einzelne Wirkstoffe. Bei der letzten Routinesitzung (Ende 2011) wurden z. B. die laufenden Risikobewertungsverfahren von Orlistat, Pandemrix, Pelargonium und Citalopram diskutiert. Zudem veröffentlicht das BfArM auf seiner Homepage eine Liste aktueller Stufenplanverfahren nebst beabsichtigter Maßnahmen.


Quelle

[1] Homepage der FDA, Potential Signals of Serious Risks/New Safety Information Identified from the Adverse Event Reporting System (AERS): www.fda.gov/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Surveillance/AdverseDrugEffects/ucm082196.htm (Zugriff am 6. Mai 2012).

[2] Homepage der FDA, Potential Signals of Serious Risks/New Safety Information Identified from the Adverse Event Reporting System (AERS) between October-December 2011: www.fda.gov/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/Surveillance/AdverseDrugEffects/ucm295585.htm (Zugriff am 6. Mai 2012).

[3] Homepage des BfArM, Sektion Pharmakovigilanz (Arzneimittelsicherheit), Routinesitzungen: www.bfarm.de/DE/Pharmakovigilanz/RoutinesitzungPar63AMG/functions/par63amg-node.html (Zugriff am 6. Mai 2012).


Apothekerin Dr. Verena Stahl



DAZ 2012, Nr. 19, S. 33

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