Arzneimittel und Therapie

Narkolepsie-Fälle nach Pandemrix®-Impfung: Aktuelle Informationen vom PEI

Nachdem 2010 in Skandinavien das Narkolepsierisiko bei entsprechend geimpften Menschen unter 20 Jahren um das - bis 13-Fache gestiegen war, wurde der mögliche Zusammenhang zwischen dem pandemischen A(H1N1)-Grippeimpfstoff Pandemrix® und der erhöhten Zahl von Narkolepsien weiter untersucht. 2011 informierte die AMK über eine Anwendungsbeschränkung: Der Impfstoff sollte bei Personen unter 20 Jahren nur noch dann eingesetzt werden, wenn kein saisonaler trivalenter Grippeimpfstoff zur Verfügung steht. Nun hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) aktuelle Zahlen vorgelegt.
Foto Novartis Behring
Ob eine impfung mit Pandemrix® mit einem erhöhten Risiko für Narkolepsie assoziiert ist,wird diskutiert. Jetzt weisen Ergebnisse aus Schweden, Finnland und Irland auf eine erhöhte Narkolepsie-Inzidenz bei geimpften Kindern und Jugendlichen hin. Als bewiesen kann das Risiko bisher nicht gelten, auch weil ein plausibler physiologischer Mechanismus nicht bekannt ist.

Zwischen Oktober 2010 und April 2012 gingen beim PEI 29 Meldungen von Narkolepsie-Verdachtsfällen aus Deutschland nach Infektionsschutzgesetz nach einer Pandemrix® -Impfung ein. Betroffen sind 19 Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 17 Jahren und zehn Erwachsene. Bei den Kindern und Jugendlichen traten die ersten Symptome der Erkrankung im Mittel 86 Tage nach der Impfung auf. Bei dreizehn Kindern und Jugendlichen liegt eine gesicherte Diagnose vor. Die Erwachsenen waren im Schnitt 33,8 Jahre alt. Bei ihnen traten erste Symptome im Vergleich zu den unter 18-Jährigen deutlich später auf, im Mittel 147 Tage nach der Impfung. Bei acht der zehn Erwachsenen Patienten ist die Diagnose gesichert, in zwei Fällen wurde eine Hypersomnie unklaren Ursprungs diagnostiziert.

Neue Ergebnisse aus Europa

Inzwischen liegen Ergebnisse von drei europäischen epidemiologischern Studien zur Assoziation zwischen Pandemrix® und Narkolepsie vor. So wurde in Schweden eine retrospektive Kohortenstudie mit geimpften und nicht-geimpften Kindern und Jugendlichen initiiert, in der die Teilnehmer von Beginn der Pandemie im Oktober 2009 bis Ende 2010 nachverfolgt wurden. Seit Ende Juni 2011 liegt der Abschlussbericht vor, der zeigt, dass geimpfte Kinder und Jugendliche im Vergleich zu nicht geimpften eine etwa 7-fach höhere Inzidenz einer Narkolepsie mit Kataplexie hatten. Die Inzidenz betrug 4,2 Fälle einer Narkolepsie pro 100.000 in der geimpften Kohorte und 0,64 Fälle pro 100.000 in der nicht geimpften.

In ihrem Abschlussbericht bestätigte die finnische National Narcolepsy Task Force ihre Schlussfolgerung, die sie bereits in ihrem Zwischenbericht Anfang 2011 gezogen hatte, dass Pandemrix® offensichtlich zu der erhöhten Narkolepsie-Inzidenz unter 4- bis 19-Jährigen in Finnland beigetragen hat. Im April 2012 veröffentlichte das Irische National Narcolepsy Study Steering Committee den Abschlussbericht einer retrospektiven Kohortenstudie zur Assoziation zwischen der Impfung und Narkolepsie. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich von April 2009 bis Dezember 2011. Es wurde die Narkolepsie-Inzidenz von geimpften und nichtgeimpften Kindern und Jugendlichen verglichen. Diese lag bei Geimpften mit 5,8 pro 100.000 Personenjahre 13-fach höher als bei Nichtgeimpften. Dies entspricht einem absoluten Risiko von fünf Narkolepsiefällen pro 100.000 geimpften Kindern und Jugendlichen. Bei Erwachsenen konnte aufgrund der geringen Fallzahl kein valides Ergebnis ermittelt werden. Damit wurde nun auch in einem nicht-skandinavischen Land eine Assoziation mit Pandemrix® gezeigt. Die Höhe des Risikos für Narkolepsie ist dabei ähnlich hoch wie in Schweden und Finnland. Schon im Juli 2011 hat die Europäische Arzneimittelagentur vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten aus Finnland und Schweden empfohlen, den pandemischen monovalenten Impfstoff Pandemrix® bei Personen unter 20 Jahren nur noch dann einzusetzen, wenn ein trivalenter saisonaler Impfstoff nicht zur Verfügung steht. Für Deutschland hat diese Empfehlung aktuell keine Bedeutung, da trivalente saisonale Grippeimpfstoffe zur Verfügung stehen und von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden.


Quelle

Aktuelle Informationen zu Narkolepsie im zeitlichen Zusammenhang mit A/H1N1 Impfung. Paul-Ehrlich-Institut (PEI), 30. April 2012.

Oberle, D.; Keller-Stanisslawski, S.: Erhöhtes Narkolepsierisiko durch H1N1v-Impfung (Pandemrix®)? Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, 3/2011.


ck



DAZ 2012, Nr. 19, S. 35

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