Laborparameter

Wie Laborwerte in der Klinischen Pharmazie zu interpretieren sind

Markus Zieglmeier | Zwischen Laborparametern und der Arzneimitteltherapie gibt es eine Reihe von Berührungspunkten. Einerseits dienen Laborwerte oft als Basis der Diagnose und damit als Indikation für die eingesetzten Arzneimittel und im Verlauf der Therapie auch als Erfolgskontrolle. Andererseits liefern sie Anhaltspunkte für die Wahl des richtigen Arzneimittels bzw. der richtigen Dosierung, im Extremfall begründen sie auch eine Kontraindikation. Damit ist die Kenntnis der Laborparameter und ihrer Aussagekraft z. B. für die Pharmakokinetik von Arzneimitteln eine wesentliche Grundlage für produktive Gespräche zwischen Arzt und Apotheker.

Laborparameter

Erfahrungen aus Projektarbeiten in der Weiterbildung Geriatrische Pharmazie zeigen ein steiles Gefälle des Informationsflusses zwischen stationärem und ambulantem Bereich. Während dem Krankenhausapotheker meist über das Klinik-Informationssystem (KIS) eine (teilweise verschwenderische) Fülle von Patientendaten zur Verfügung steht, sind praktische Ärzte oft sehr zurückhaltend mit der Weitergabe von Laborwerten und Diagnosen. Diese starre Haltung lässt sich seitens der Mediziner nur mit der Zeit durch die Erkenntnis aufweichen, dass ein fruchtbarer Dialog mit dem Pharmazeuten als einem qualifizierten Gesprächspartner möglich ist. Die vorliegende Übersichtsarbeit soll einen Beitrag leisten, dafür die Grundlagen zu schaffen, wobei der Schwerpunkt auf Laborparametern liegt, die in direktem Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie stehen. Die pharmakologischen Konsequenzen, die sich aus den Messwerten ergeben, werden in den Fallbeispielen, die in der Reihe „POP – Klinische Pharmazie“ erscheinen sowie in den damit in Verbindung stehenden Übersichtsarbeiten diskutiert.

Die Klinische Chemie, die uns (mit Ausnahme des Kapitels „mikrobiologische Diagnostik“) die nachstehend vorgestellten Werte liefert, ist ein Fach der Medizin, das in der klinischen Routine ein hohes Maß an Automatisierung aufweist. Regelmäßige Ringversuche, Validierung der Analysenroboter und ein hochqualifiziertes und spezialisiertes Laborpersonal gewährleisten extrem niedrige Fehlerquoten. Dass die Labordiagnostik dennoch Fallen beinhaltet, liegt hauptsächlich an der Präanalytik, also den Faktoren, die bei der Patientenvorbereitung, der Probengewinnung sowie bei Transport und Lagerung auftreten, sowie an der Nicht-Berücksichtigung von Einflussgrößen und Störfaktoren, die zu einer falschen Interpretation der Daten führen. Als Einflussgrößen sind Besonderheiten des Patienten (in vivo) wie Schwangerschaft oder Körperlage definiert (Veränderungen der Lage führen nicht nur durch Verschiebungen des Plasmawassers zu erhöhten Messwerten zellulärer Blutbestandteile, sondern auch zur Ausschüttung bestimmter Hormone wie Aldosteron und Adrenalin). Störfaktoren sind dagegen Veränderungen der Messgröße außerhalb des Organismus (in vitro) wie Hämolyse im Röhrchen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass die Einheiten in unterschiedlicher Weise angegeben sein können, zum Beispiel in mg/dl, mg/l oder mmol/l. Im Folgenden wurde versucht, die wichtigsten Fallen bei den jeweiligen Parametern zu markieren, um Fehlinterpretationen vorzubeugen.

Serumelektrolyte

Natrium, Kalium und Calcium gehören zu den am häufigsten gemessenen Parametern in der Klinischen Chemie und liefern oft wichtige Aussagen über eine akute Gefährdung des Patienten, die auch in Zusammenhang mit Arzneimitteln stehen kann. Im Zusammenhang mit Arzneimitteln sind v. a. Natrium und Kalium von Bedeutung.

Kalium ist ein intrazelluläres Ion. Nur ca. 2% (entsprechend 3,5 bis 5,1 mmol/l) finden sich extrazellulär im Serum. Intrazellulär liegen Konzentrationen von deutlich über 100 mmol/l vor, was zur Vorsicht bei der Blutabnahme mahnt. Thrombozyten beispielsweise sind reich an Kalium und gleichzeitig zerstörungsempfindlich. Durch Platzen der Zellen infolge von Scherkräften in der Kanüle kann es zu falsch hohen Kaliumwerten kommen („Pseudohyperkaliämie“). Niereninsuffizienz hat erhöhte Kaliumspiegel zur Folge, die engmaschig kontrolliert und ggf. durch diätetische Maßnahmen beherrscht werden müssen. Für das Absinken der Kaliumspiegel sind Durchfälle die häufigste Ursache. Arzneimittel können die Kaliumkonzentrationen erhöhen (kaliumsparende Diuretika, ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten u. a.) oder senken (Schleifendiuretika, Corticosteroide u. a.). Sowohl Hypo- als auch Hyperkaliämien können aufgrund von veränderten Membranpotenzialen zu tachykarden bzw. bradykarden Arrhythmien führen. Insofern ist es keinesfalls vernachlässigbar, wenn eine nach dem ORCA-System arbeitende Interaktionsdatenbank beispielsweise bei der Kombination von ACE-Hemmern mit bestimmten Diuretika die Meldung „überwachen“ liefert.

Natrium ist mit 135 bis 145 mmol/l als häufigstes Kation des Extrazellulärraums hauptsächlich eine Messgröße für den Wasser- und Elektrolythaushalt. Zusammen mit anderen Parametern (Sammelurin, Hämatokrit, klinisches Erscheinungsbild) erlaubt das Serumnatrium eine Einschätzung der Störungen im Wasserhaushalt, die sich insbesondere bei alten oder schwerkranken Menschen schleichend entwickeln können. Die renale Ausscheidung von Natrium wird hormonell durch das antidiuretische Hormon (ADH), das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und das atriale natriuretische Protein (ANP) reguliert. Diese Mechanismen können aus verschiedenen Ursachen heraus dekompensieren. Hypernatriämien mit Werten über 155 mmol/l sind lebensbedrohlich und äußern sich zunächst in diffusen Symptomen wie Müdigkeit, Schwäche und kognitiven Ausfällen bis hin zum Delir, später in Krampfanfällen und Koma. Ursachen sind Salzüberladung oder – häufig bei geriatrischen Patienten mit fehlendem Durstgefühl – Exsikkose aufgrund von Wassermangel, z. B. bei Fieber, Erbrechen oder Diarrhö. Von pharmazeutischer Seite muss hier besonders auf natriumreiche Arzneimittel (z. B. das Antibiotikum Fosfomycin-Natrium) geachtet werden. Hyponatriämien mit Konzentrationen unter 120 mmol/l entstehen durch Wasserüberladung, aus endokrinen Ursachen oder als Arzneimittelnebenwirkung (Carbamazepin, Oxcarbazepin, Antidepressiva, Spironolacton, Thiazid-Diuretika, ACE-Hemmer) und äußern sich in Muskelschwäche, später auch in neurologischen oder kognitiven Ausfallerscheinungen.

Calcium liegt im Blut nur zu 50% (entsprechend 1,1 bis 1,3 mmol/l) in freier Form vor, der Rest ist an Plasmaproteine gebunden. Bei mangelernährten Patienten vorliegender Albuminmangel führt diagnostisch zu einer Pseudohypokalziämie. Erniedrigt ist hier jedoch nur der gebundene, nicht der wirksame freie Anteil. Echte Hypokalziämien können u. a. endokrin, durch Vitamin-D-Mangel oder durch Diuretika verursacht sein. Hyperkalziämien mit Werten über 4 mmol/l (Gesamt-Ca), verursacht durch Hyperparathyreoidismus, Vitamin-D-Überdosierung, Knochenmetastasen oder Immobilisationsosteoporose, sind aufgrund tachykarder Arrhythmien lebensbedrohlich.

Magnesium wird in der Regel nicht routinemäßig, sondern nur bei bestimmten Fragestellungen (z. B. neuromuskuläre Erregbarkeit, tachykarde Arrhythmien) gemessen, bei denen ein Mangel vermutet wird. Dieser kann durch nephrotoxische Arzneimittel oder Diuretika (z. B. Furosemid, HCT) verursacht sein. Die Referenzwerte liegen bei 1,8 bis 2,7 mg/dl, falsch hohe Werte können wie bei Kalium durch Platzen zellulärer Blutbestandteile gemessen werden.

Nierenfunktionsparameter

Da viele Arzneistoffe bzw. deren (z. T. aktive) Metaboliten über die Nieren eliminiert werden, ist die Kenntnis der Nierenfunktion eine wichtige Voraussetzung für eine sichere Arzneimitteltherapie. Der am häufigsten genutzte, aber auch problematischste Parameter ist hier das

Serumcreatinin. Um die Problematik dieses Stoffes in der Diagnostik zu verstehen, muss man seine Herkunft kennen. Creatinphosphat ist eine Energiereserve der Muskelzelle, bei deren Nutzung das Enzym Creatinkinase (CK) eine Phosphatgruppe von Creatinphosphat auf ADP überträgt und so neue Energie in Form von ATP zur Verfügung stellt. Bei ruhender Muskulatur kann das Creatinphosphat, katalysiert durch dasselbe Enzym, in der Umkehrung dieser Reaktion durch ATP aus dem Energiestoffwechsel regeneriert werden. Creatin (ohne Phosphat) kann spontan (nicht-enzymatisch) und irreversibel zu Creatinin zyklisieren (Abb. 1).

Abb. 1: Stoffwechsel von Creatin und Entstehung von Creatinin in der Muskelzelle

Etwa 1% des Creatins geht pro Tag auf diese Weise verloren, es wird aus den Muskelzellen entfernt und über die Nieren ausgeschieden. Es kumuliert bei nachlassender Nierenfunktion, ist aber auch bei Menschen mit überdurchschnittlicher Muskelmasse wie Bodybuildern trotz normaler Nierenfunktion moderat erhöht. Umgekehrt erlaubt ein (noch) normales Serumcreatinin (unter 1,2 mg/dl) bei Menschen mit geringer Muskelmasse nicht den Schluss auf eine voll erhaltene Nierenfunktion.

Dabei ist besonders zu beachten, dass mit zunehmendem Alter oft parallel zum Abbau der Muskelmasse eine Zunahme des Fettgewebes eintritt, sodass der Verlust von Muskulatur nicht zwangsläufig durch ein kachektisches Erscheinungsbild erkennbar sein muss (Abb. 2).

Abb. 2: Veränderung von Serumcreatinin und Creatinin-Clearance (entsprechend der glomerulären Filtrationsrate GFR) mit zunehmendem Lebensalter. [Nach Kolb GF, Leischker AH: Medizin des alternden Menschen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart]

Ein weiteres Problem des Parameters ist die Tatsache, dass das Serumcreatinin akut erst anzusteigen beginnt, wenn die glomeruläre Filtrationsrate um ca. 50% reduziert ist („Creatinin-blinder Bereich“). Im akuten Nierenversagen ist die Aussagekraft reduziert bzw. verzögert. Hier würde zuerst ein deutlicher Anstieg des Serumharnstoffs gemessen werden. Ein solches Geschehen ist jedoch insbesondere im ambulanten Sektor eher selten.

Anhand des Creatinins kann die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) auf zwei Wegen ermittelt werden:

Zur Bestimmung der Creatininclearance (angegeben in ml/min) benötigt man einen 24-Stunden-Sammelurin. Creatinin wird im Urin und im Serum (Blutabnahme in der Mitte des Sammelzeitraums) bestimmt; die Messwerte, das Urinvolumen und die Sammelzeit sind die Parameter, aus denen sich die GFR mit großer Genauigkeit errechnen lässt. Wegen des Aufwands, der dabei betrieben werden muss, kommt diese Methode nur noch wenig zur Anwendung.

In der Mehrzahl der Fälle wird die GFR errechnet, indem der Messwert des Serumcreatinins in Formeln eingesetzt wird, die als weitere Faktoren u. a. Alter, Geschlecht und Gewicht des Patienten enthalten. Üblich sind die Formel nach Cockroft und Gault, Jelliffe (Onkologie) und die MDRD-Formel (für modification of diet in renal disease, i. d. R. mit vier Variablen, eine Variante der Formel mit sechs Variablen erfordert zusätzliche Laborwerte). Je nach verwendeter Formel kann der errechnete Wert der GFR von dem nach der oben beschriebenen Methode ermittelten Wert der Creatinin-Clearance abweichen, z. B. bei stark über- oder untergewichtigen Patienten. Dies kann dann von Bedeutung sein, wenn ein bestimmtes Arzneimittel, z. B. Metformin, unterhalb einer definierten GFR (hier 60 ml/min) kontraindiziert ist. Viele Labors geben die errechnete GFR nur als Zahlenwert an, wenn sie unter 60 ml/min liegt, ansonsten als „> 60“. In diesem Fall sind renal begründete Dosisreduktionen nicht notwendig.

Oft liefert das klinisch-chemische Labor zusätzlich zum Serumcreatinin automatisch die (heute meist nach der verkürzten MDRD-Formel) berechnete GFR mit, wenn die erforderlichen Angaben in der Labor-Anforderung gemacht worden sind. Dagegen arbeiten die meisten Programme zur Dosisfindung bei nachlassender Nierenfunktion, insbesondere das frei im Internet zugängliche Dosing-Programm des Universitätsklinikums Heidelberg (www.dosing.de) weiter mit der Formel nach Cockroft und Gault.

Eine zumeist genauere, aber auch deutlich teurere Alternative zum Serumcreatinin stellt das Cystatin C dar. Dabei handelt es sich um einen Proteaseinhibitor, der ubiquitär in allen Körperzellen vorkommt und in sehr konstanten Raten ins Blut freigesetzt wird. Der Vorteil besteht darin, dass der Parameter keine Abhängigkeit von der Muskelmasse zeigt. Aus Preisgründen wird Cystatin C jedoch selten im ambulanten Sektor bestimmt, relativ häufig dagegen in größeren Kliniken mit eigenem klinisch-chemischem Labor. Auch dieser Parameter wird in der Regel im Laborbefund sowohl als Serumkonzentration (Obergrenze 1,0 bis 1,2 mg/l) als auch mit der daraus errechneten GFR angegeben. Insbesondere bei kachektischen Patienten ist erfahrungsgemäß die auf der Basis von Cystatin C errechnete GFR häufig deutlich schlechter als die auf der Basis des Serumcreatinins errechnete GFR.

Der Serumharnstoff ist der zweite bedeutende Parameter in der Nierendiagnostik. Der Referenzbereich von Harnstoff liegt (nüchtern) bei 2 bis 8 mmol/l (entsprechend 12 bis 48 mg/dl). Die große Streubreite erklärt sich aus den Schwankungen der Proteinzufuhr, da Harnstoff das Endprodukt des aus dem Proteinstoffwechsel in der Leber entstehenden Ammoniaks ist. Aufgrund dieser Streuung reflektiert der Serumharnstoff die Nierenfunktion nur mangelhaft, Creatinin ist hier (mit Ausnahme des akuten Nierenversagens, bei dem es zuerst zum Harnstoffanstieg kommt) der aussagekräftigere Parameter. Beide Parameter korrelieren im fortgeschrittenen Stadium einer Niereninsuffizienz nur mangelhaft mit der Schwere der Symptome einer Urämie (Kopfschmerz, Hautjucken, Erbrechen, Schleimhautveränderungen, Polyneuropathie). Für die Dosisanpassung renal eliminierter Arzneistoffe wird der Serumharnstoff nicht herangezogen.

Die chronische Nierenkrankheit wird seit 2002 durch die amerikanische National Kidney Foundation in der Kidney Disease Outcomes Quality Initiative (KDOQI) neu definiert.

  • Danach beginnt das Stadium 1 einer Niereninsuffizienz ("Nierenkrankheit ohne Funktionseinschränkung) bereits bei einer GFR von > 89 ml/min, sobald eine Proteinurie gemessen wird.
  • Stadium 2 (GFR 60 – 89 ml/min) wird ohne Proteinurie als milde Funktionseinschränkung, mit Proteinurie als Nierenkrankheit mit Funktionseinschränkung bezeichnet. Die weiteren Stadien sind wie folgt definiert:
  • Stadium 3: GFR 30 – 59 ml/min: Nierenkrankheit mit moderater Funktionseinschränkung
  • Stadium 4: GFR 15 – 29 ml/min: Nierenkrankheit mit schwerer Funktionseinschränkung

Diese Definition hat sich mittlerweile weltweit durchgesetzt, wird aber auch heftig kritisiert, u. a. weil sie bereits eine durchschnittliche altersbedingte Einschränkung der Nierenfunktion als krankhaft definiert.

Ältere Stadieneinteilungen werden durchaus gelegentlich noch benutzt, weil sie die Harnstoffspiegel einbeziehen und statt der errechneten GFR den direkten Messwert des Serumcreatinins einsetzen. Ersteres ist insofern von Bedeutung, als der Serumharnstoffspiegel maßgeblich für die diätetische Eiweißrestriktion ist (Tab. 1).

Table caption

Tab. 1: Diätetische Bedeutung der Nierenparameter

Laborwerte [mg/dl]
Proteinzufuhr/Tag
Kaliumzufuhr/Tag
Bemerkung
Crea < 3
0,8 – 1 g/kg KG
2 – 3 g
Harnstoff < 100
Crea 3 – 4
0,8 – 1 g/kg KG
2 – 3 g
sofern keine
Hyperkaliämie
Harnstoff 100 – 150
Crea 3 – 6
0,5 – 0,6 g/kg KG
2 – 3 g
sofern keine
Hyperkaliämie
Harnstoff > 150
Crea 6 – 7
0,35 – 0,4 g/kg KG
2 – 3 g
sofern keine
Hyperkaliämie
Harnstoff > 150
Crea 7 – 10
60 – 80 g
1,5 – 2 g
Dialysepflicht →
Ern. unter Dialyse

Leberwerte

Die Bedeutung von Leberwerten für die Dosierung, also ihre Aussagekraft hinsichtlich der Metabolisierungsgeschwindigkeit von Arzneistoffen, ist sehr limitiert. Einige Leberenzyme sind bei Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken oder bestimmte Arzneimittel einnehmen, ständig leicht erhöht, ohne dass die hepatische Metabolisierung messbar verlangsamt wäre. Vielmehr kann die Enzyminduktion durch Alkohol den Abbau einiger Stoffe sogar beschleunigen. Eine Abschätzung des Kumulationsrisikos auf der Basis der Leberwerte (mit Ausnahme erhöhter Ammoniakkonzentrationen) ist also nicht möglich.

Umgekehrt aber sollten die Leberwerte bei der Einnahme von Arzneimitteln, die potenziell leberschädigend sind, regelmäßig überwacht werden. Bei einigen dieser Stoffe, z. B. Flupirtin als Dauermedikation, sind die Intervalle der Kontrollen durch die Fachinformation vorgegeben und damit als verbindlich zu betrachten.

Mit Ausnahme von Ammoniak und Bilirubin sind die wesentlichen Leberwerte Enzymaktivitäten. Aus der Aktivität eigentlich intrazellulärer Leberenzyme im Serum kann, grob gesagt, darauf geschlossen werden, in welchem Maße Leberzellen untergegangen sind und dadurch ihr Zellinneres ins Blut freigesetzt haben. Dabei ist wichtig zu wissen, ob die einzelnen Enzyme nur in der Leber, oder auch in anderen Zellen vorkommen.

Verwirrung stiften häufig die neue Nomenklatur der Transaminasen (in diesem Text sind deshalb die alten Namen mit angegeben) sowie die variablen Referenzbereiche, die von der Messtemperatur (Enzymaktivitäten sind bei 25°C niedriger als bei 37°C) abhängig sind. Hier ist immer auf den vom Labor angegebenen Referenzbereich Bezug zu nehmen. Dieser kann auch bei Kindern geringfügig höher sein (Tab. 2).

Tab. 2: Referenzwerte für Leberenzyme

Leberenzym
Frauen [U/l]
25 °C / 37 °C
Männer
[U/l] 25 °C / 37 °C
ALAT (GPT)
< 17/10 – 35
< 22/10 – 50
ASAT (GOT)
< 15/10 – 35
< 18/10 – 50
GD (GLDH)
< 3/< 5
< 4/< 7
γ-GT
< 18/9 – 35
< 28/9 – 40

Alanin-Aminotransferase (ALAT, früher GPT) kommt nur im Zytosol von Leberzellen vor und ist wegen dieser Organspezifität als Leitenzym der Leberdiagnostik anzusehen. Alkohol und einige Arzneimittel können längerfristige moderate Erhöhungen verursachen. Deutlich erhöhte Werte sind ein sicherer Indikator für eine Leberparenchymschädigung.

Aspartat-Aminotransferase (ASAT, früher GOT) kommt im Zytosol und in den Mitochondrien von Leberzellen vor, jedoch auch in anderen Geweben und in Erythrozyten (cave falsch hohe Werte bei Hämolyse!). ASAT kann auch bei Lungenembolien, Herzinfarkten und Skelettmuskelschäden erhöht sein.

Glutamat-Dehydrogenase (GD, früher GLDH) stammt aus den Mitochondrien von Leberzellen und ist damit organspezifisch. Die Aktivität der GD ist in perivenösen Hepatozyten (Zone III) deutlich höher als in den Zonen I und II. Sie ist damit bei überproportionalem Anstieg ein Indikator für hypoxische Leberparenchymschäden (z. B. aufgrund schwerer Herzinsuffizienz nach Herzinfarkten) und Intoxikationen mit Stoffen, die spezifisch Zone-III-Nekrosen verursachen (Paracetamol, Knollenblätterpilz, Halogenkohlenwasserstoffe).

Gamma-Glutamyltransferase (γ-GT) findet sich zwar auch in der Niere und in der Darmschleimhaut, da sie jedoch praktisch nur aus Leberzellen ins Blut freigesetzt wird, gilt sie als organspezifisch. Das an die Zellmembran gebundene Enzym wird schon bei geringen Schädigungen abgegeben und ist daher bei vielen Menschen, z. B. schon nach mäßigem Alkoholgenuss, leicht erhöht.

Bilirubin ist ein Abbauprodukt des Hämoglobins, das von der Leber aus dem Blut aufgenommen, mit Glucuronsäure konjugiert und biliär ausgeschieden wird. Lipophiles (unkonjungiertes) Bilirubin wird in der klinischen Chemie als „indirektes“ Bilirubin (I-BIL) bezeichnet, da es an Albumin gebunden ist und daher nicht direkt (ohne Vorbehandlung) gemessen werden kann. Konjugiertes (wasserlösliches) Bilirubin wird als „direktes“ Bilirubin (D-BIL), die Summe aus beiden Fraktionen als Gesamtbilirubin (T-BIL) bezeichnet. Erhöhte Bilirubinserumkonzentrationen können eine Vielzahl von Ursachen haben, die von Erbkrankheiten über Blutbildungsstörungen und intrahepatische (Virushepatitis, Leberzirrhose, Alkoholhepatitis) bis zu posthepatischen Ursachen (Gallenstau durch Cholezystitis, Gallensteine, Gallengangscarcinome) reichen. Bei Bilirubinkonzentrationen über 3 mg/dl wird ein Ikterus sichtbar. Der Neugeborenenikterus wird durch eine ungenügende Glucuronidierung des Bilirubins aufgrund noch unreifer Leberenzyme verursacht (Tab. 3).

Tab. 3: Referenzwerte von Bilirubin und Albumin

Parameter
Referenzwert
Bilirubin
< 0,1 mg/dl (2 mmol/l)
Albumin
– Neugeborene
– Kinder
– Erwachsene < 60
– Erwachsene > 60
– Erwachsene > 80
35 – 49 g/l
37 – 50 g/l
35 – 53 g/l
34 – 48 g/l
31 – 45 g/l

Ammoniak entsteht im ganzen Körper aus dem Aminosäurenstoffwechsel, ist in hohem Maße toxisch und membrangängig und muss in der Leber zu Harnstoff entgiftet werden. Beim Neugeborenen liegt der Referenzwert höher (30 – 144 µmol/l), im Kindes- und Erwachsenenalter bei 10 – 50 µmol/l. Deutlich erhöhte Ammoniakwerte deuten (abgesehen von extrem seltenen angeborenen oder erworbenen Enzymdefekten im Harnstoffzyklus) auf eine schwere Leberparenchymschädigung durch Leberzirrhose, fulminant verlaufende Hepatitiden oder Intoxikationen hin, die oft im Leberkoma endet. Sie können auch als Komplikation einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz auftreten, wenn aus vermehrt in den Darm ausgeschiedenem Harnstoff durch Bakterien Ammoniak entsteht. In beiden Fällen muss mit massiven Veränderungen der Pharmakokinetik von Arzneistoffen gerechnet werden. In der klinischen Ernährung sind erhöhte Serumammoniakwerte ein Indikator für die Notwendigkeit der Präparateumstellung (z. B. Fresubin Hepa bei enteraler Ernährung), da ein höherer Anteil verzweigtkettiger Aminosäuren den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann.

Albumin wird in der Leber gebildet und ist das wichtigste Syntheseprotein im Blut, wobei es mit der Plasmaproteinbindung eine zusätzliche pharmakokinetische Rolle spielt. Hypoalbuminämien sind nur als hepatisch bedingt anzusehen, wenn weitere Parameter (s. o.) darauf hindeuten. Andere Ursachen sind Proteinurie (renaler Verlust von Albumin im nephrotischen Syndrom) und Eiweißmangelernährung (Kwashiorkor, s. auch „Biologische und pharmakologische Grundlagen der geriatrischen Pharmazie“) (Tab. 3).

Funktionsparameter anderer Gewebe

Das Prinzip, die Aktivität intrazellulärer Enzyme oder die Konzentration bestimmter Stoffe im Serum zu messen und Rückschlüsse auf Schäden der Gewebe zu ziehen, aus denen sie stammen, betrifft nicht nur die Leber. Im Folgenden werden wichtige Parameter aus anderen Geweben vorgestellt.

Alpha-Amylase ist ein Enzym aus der Bauchspeicheldrüse, aber auch aus den Speicheldrüsen des Mundes. Erhöhungen deuten auf eine akute oder chronische Pankreatitis hin, sofern eine Parotitis (Mumps) ausgeschlossen ist. Für den Pharmazeuten wichtig ist die Frage, ob bei stark erhöhten Werten, die auf eine akute Pankreatitis hindeuten und mit einer entsprechenden klinischen Symptomatik einhergehen, die Resorption oraler Arzneimittel noch gewährleistet ist. In der Klinik wird aus dieser Unsicherheit heraus oft eine parenterale Applikation bevorzugt.

Lactat-Dehydrogenase (LDH) ist ein ubiquitär vorkommendes Enzym, dessen Aktivitätsanstieg im Serum keine Rückschlüsse auf die Art des betroffenen Gewebes erlaubt.

Die Creatinkinase (CK) als im Zytosol vorkommendes Enzym liegt immer als Dimer von zwei Untereinheiten, M und B, vor. Die höchste Aktivität ist in Muskelzellen zu finden (Funktion: s. bei Nierenfunktion), ein Anstieg der CK-(Gesamt)-Aktivität deutet also immer auf eine muskuläre Schädigung hin, die Kombination der beiden Dimere M und B (CK-MB) relativ spezifisch auf eine Schädigung des Herzmuskels durch Infarkt oder Entzündung. Extrem hohe Messwerte der Gesamt-CK (bis 50.000 U/l) finden sich bei Rhabdomyolysen (z. B. durch Statine), weniger hohe bei Traumen. Zu beachten ist, dass bereits intramuskuläre Injektionen irreführende Erhöhungen auslösen können.

Für die Diagnostik des Herzinfarkts kommen neben CK-MB auch das Myoglobin und die Troponine I und T infrage. Die Problematik besteht in der Langsamkeit des Konzentrationsanstiegs spezifischer Parameter in Beziehung zu dem engen Zeitfenster für eine revaskularisierende Intervention. Myoglobin steigt relativ schnell an (meist binnen zwei Stunden), ist aber nicht spezifisch für den Herzmuskel. Troponin I (TnI) ist ein sehr spezifischer Marker für Herzmuskelschäden, sein Anstieg ist aber noch langsamer als der der CK-MB.

Zelluläre Blutbestandteile

Das Hämatokrit (Hkt) ist der gesamte zelluläre Anteil am Blutvolumen. Normalwerte bei Männern liegen zwischen 42 und 50%, bei Frauen zwischen 37 und 45%. Zu hohe Werte können auf ein erhöhtes Thromboserisiko hinweisen, zu niedrige stehen in Zusammenhang mit einer Anämie.

Die Erythrozytenzahl (ERY, RBC für red blood cells) wird in der Regel lediglich als Kontrollparameter für die weit wichtigeren Indikatoren Hämoglobin (Hb) und Hämatokrit eingesetzt.

Hämoglobin ist als der in den Erythrozyten gespeicherte rote Blutfarbstoff der eigentliche Parameter für eine Anämie, z. B. aufgrund von Eisenmangel oder Blutverlusten. Die Ursache ist immer vordringlich diagnostisch abzuklären. Erhöhte Hb-Werte kommen bei Sauerstoffmangel (Lungen- oder Herzerkrankungen), EPO-Doping, Exsikkose oder Cushing-Syndrom vor. Die Normalwerte liegen bei Frauen zwischen 12 bis 16 g/dl, bei Männern zwischen 14 bis 18 g/dl.

Die Leukozytenzahl (LEUKOS, WBC für white blood cells) gehört zu den Parametern, deren Beurteilung schwierig sein kann, da es weite Grenzzonen des Referenzbereichs gibt. Sicher normal sind Zahlen von 4 bis 10 x 106/ml, sicher pathologisch erniedrigt sind aber erst Zahlen unter 2,5 x 106/ml. Eine Leukopenie, wie sie bei onkologischen Patienten vorkommt, ist meist ein Mangel an neutrophilen Granulozyten, die den höchsten Anteil der weißen Blutkörperchen stellen. Bei diesen massiv immunsupprimierten neutropenischen Patienten ist bereits das Auftreten von Fieber ein Alarmsignal, das oft eine Therapie mit Breitspektrumantibiotika erfordert. Erhöhte Zahlen (bis 15 x 106/ml) können bei starken Rauchern gemessen werden, ohne dass eine Infektion vorliegt. Dagegen kommt es bei onkologischen und z. T. auch bei geriatrischen Patienten oft nicht zu einem Leukozytenanstieg, obwohl eine massive Infektion vorliegt (s. bei "Infektionsparameter). Um bei einer Leukozytose eine Entzündung vom extrem seltenen Fall einer Leukämie abzugrenzen, ist ein Differentialblutbild notwendig.

Die Thrombozytenzahl (PLT für platelets) wird bei Verdacht auf erhöhte Blutungsneigung, z. B. bei unklaren Blutungen oder während onkologischer Therapien, bestimmt. Die Referenzwerte liegen bei 140 – 360 x 106/ml. Erniedrigte Werte findet man u. a. bei Erkrankungen des Knochenmarks oder der Leber, im septischen Schock infolge einer disseminierten intravasalen Gerinnung oder als UAW einer ganzen Reihe von Arzneimitteln, darunter neben Zytostatika auch (meist unfraktioniertes) Heparin. Heparininduzierte Thrombozytopenien sind in der Chirurgie (v. a. Herzchirurgie) relativ häufig beobachtete Komplikationen.

Infektionsparameter

Da der Anstieg der Leukozytenzahl im Blut bei vielen, insbesondere bei stark infektionsgefährdeten Patienten, ein unsicherer Parameter ist, müssen neben dem klinischen Bild weitere Indikatoren herangezogen werden.

Noch heute vielfach genutzt und auch in Arztpraxen praktikabel ist die Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (im Sprachgebrauch BSG, BKS oder „Blutsenkung“), ein sehr unspezifischer Test auf Entzündungen im Körper. Die BSG beruht auf Zusammenklumpung zellulärer Blutbestandteile im Citratblut, die somit schneller absinken. Pathologisch sind Werte von über 15 (Männer) bzw. 20 mm innerhalb der ersten Stunde. Diese Grenzwerte können im Alter auf 20 bzw. 30 mm ansteigen. Entzündungshemmende Arzneimittel erniedrigen die BSG, orale Kontrazeptiva können sie geringfügig erhöhen. Der Test lässt keine sicheren Schlüsse auf Infektionen zu, da er auch bei Infarkten, Rheuma, Krebs, Schwangerschaft und Menstruation erhöhte Werte liefern kann.

Das C-reaktive Protein (CRP) zeigt v. a. bakterielle Infektionen an, sein Ansteigen ist proportional zu Größe und Schwere des Infekts. Allerdings ist auch dieser Parameter nicht spezifisch und kann auch bei viralen Infekten, Traumen und Operationen bis 40 mg/l erhöht sein. Werte über 40 mg/l liegen meist bei schwereren Infektionen vor, Werte über 100 mg/l bei schweren Pneumonien und Sepsis. Die Verlaufskontrolle ermöglicht die Einschätzung des Erfolgs einer Antibiotikatherapie und – ökonomisch wichtig – deren zeitnahe Beendigung. Ständig leicht erhöhte Werte um bzw. über 10 mg/l finden sich z. B. bei Rauchern und werden als Parameter für das langfristige kardiovaskuläre Risiko diskutiert.

Procalcitonin (PCT) hat als Marker für die frühe Erkennung schwerer Infektionen seine Bedeutung hauptsächlich in der Intensivmedizin. Auch hier wird eine Rolle für die Erkennung des Zeitpunkts, wann ein Antibiotikum wieder abzusetzen ist, diskutiert.

Stoffwechselparameter

Sowohl der Blutzucker, als auch das Cholesterin sind Messwerte, deren Bestimmung in der Apotheke als Dienstleistung angeboten wird.

Glucose wird auch in der Klinik aus Kapillarblut (Fingerbeere oder Ohrläppchen) bestimmt. Der Nüchternblutzucker sollte zwischen 60 und 100 mg/dl (3,3 – 5,5 mmol/l) liegen. Unter 60 mg/l spricht man von einer Hypoglykämie, gelegentlich ist von einem „Alarmwert“ von 40 mg/l die Rede, ab dem das Labor die Station zu verständigen hat. Dieser spielt aber in der Praxis keine Rolle mehr, da sich auch in den Kliniken die Blutzuckermessung weitgehend vom Labor auf die Station verlagert hat. Nüchternblutzucker zwischen 100 und 125 mg/l (5,6 – 6,9 mmol/l) sind ein Hinweis auf eine gestörte Glucosetoleranz, über 125 auf einen manifesten Diabetes mellitus. Bei fraglich erhöhten Werten sollte ein oraler Glucosetoleranztest (OGTT) durchgeführt werden, was grundsätzlich auch in der Apotheke möglich wäre. Dabei werden nach einer Blutzucker-Messung (nüchtern) 75 g Glucose (bzw. ein im Handel erhältliches Präparat aus schnell verfügbaren Kohlenhydraten) als Lösung eingenommen und die Blutzuckerspiegel anschließend im Abstand von zwei Stunden wieder bestimmt. Aus der Höhe des Blutzucker-Anstiegs kann auf das Maß einer Insulinresistenz geschlossen werden. Dieser für die Früherkennung eines Typ-II-Diabetes geeignete Test ist deshalb so wertvoll, weil die Krankheit im frühen Stadium durch Sport, Gewichtsabnahme und eine Ernährung mit niedrigem glykämischem Index reversibel ist. Störungen des OGTT treten bei beschleunigter Resorption, z. B. nach Magenresektion, bei Enteritiden und Hypokaliämie auf.

Der HbA1C-Wert, den Patienten bekannt als „Langzeit-Blutzucker“, ist das Resultat der Reaktion des reduzierenden Zuckers Glucose mit den Aminogruppen eines Proteins (nicht-enzymatische Glykilierung im Sinne einer Maillard-Reaktion). Das Hämoglobin als Reaktionspartner der Glucose steht hier quasi stellvertretend für die Proteine des Gefäßendothels, deren Glykilierung die Ursache der durch den Diabetes verursachten Gefäßschäden ist. Der Wert liefert eine Aussage über die durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten zwei bis drei Monate, sagt aber nichts über deren Schwankungsbreite aus. Der Zielwert ist daher stark davon abhängig, welche Kontrolle über seinen Blutzucker dem Patienten zugetraut werden kann. Generell gilt, dass Werte unter 6,5% (48 mmol/l) als gut, von 6,5 bis 7,5 (58 mmol/l) als grenzwertig und über 7,5 als schlecht (risikosteigernd) eingestuft werden. Allerdings steigt bei geriatrischen Patienten die Mortalität bei Werten von deutlich unter 7,0 wieder an, was auf ein häufiges Auftreten von Hypoglykämien zurückgeführt wird. In der Folge werden die Zielwerte bei diesen Patienten entsprechend höher angesetzt.

Das Gesamtcholesterin ist der Basisparameter zur Einschätzung des langfristigen kardiovaskulären Risikos (< 160 mg/dl: sehr geringes Risiko, ab 190 mg/dl deutlich ansteigend, ab 250 mg/dl sehr hoch). Stark erniedrigte Werte kommen bei Leberschäden, Hyperthyreose und Mangelernährung vor. Da Cholesterin u. a. der Ausgangsstoff für Steroidhormone ist, sollten sehr niedrige Werte durch entsprechende Maßnahmen (z. B. Thyreostatika oder Ernährungstherapie) korrigiert werden.

Die Triglyceride sind die Gesamtheit der im Blut vorliegenden Fette und sollen unter 150 mg/dl liegen. Erhöhten Werten wird insbesondere in Zusammenhang mit erhöhtem LDL-Cholesterin ein gesteigertes kardiovaskuläres Risiko zugeordnet. Da die Triglyceride postprandial stark schwanken, muss der Blutabnahme eine mindestens 12-stündige Nahrungskarenz vorangehen. Stark erhöhte Triglyceride sind bei parenteraler Ernährung anzutreffen, wenn diese Fettemulsionen enthält. Den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin zufolge sind Werte bis zu 400 mg/dl tolerabel, darüber sollte die tägliche Fettmenge reduziert und über 1000 mg/dl die Fettzufuhr vorübergehend abgebrochen werden.

Das LDL-Cholesterin wird in der Regel nach der Friedewald-Formel ermittelt, in die das Gesamt-Cholesterin, das HDL-Cholesterin und die Triglyceride eingesetzt werden. Die Zielwerte richten sich nach dem kardiovaskulären Risiko. Ist dieses (z. B. bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren wie Rauchen oder Diabetes) hoch, werden meist Werte unter 100 mg/dl bei gleichzeitig hohen HDL-Werten angestrebt.

Das HDL-Cholesterin ist die Transportform des Cholesterins zur Leber. Referenzwerte liegen bei 40 bis 60 mg/dl. Bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko werden hohe Werte zur Erzielung eines günstigen HDL-/LDL-Verhältnisses angestrebt.

Zur Diagnose einer Fettstoffwechselstörung ist der Cholesterinspiegel, auch unter Einbeziehung der Parameter HDL, LDL und Triglyceride, nicht ausreichend. Besonderer Wert ist auch auf die Familienanamnese (insbesondere Herzinfarkte in jüngeren Jahren) sowie auf die der Blutabnahme vorangegangene Ernährung zu legen, da verschiedene Nahrungsbestandteile die Werte erheblich beeinflussen können. Auch verschiedene Arzneimittel können Auswirkungen haben. Die Gefäßveränderung, die der Risikoerhöhung zugrunde liegt, ist ein komplizierter Prozess, auf den neben der glykämischen Belastung (HbA1C) und dem Fettstoffwechsel auch Faktoren wie Homocystein und damit der Vitaminstatus einen Einfluss haben. Vor pauschalen Aussagen aufgrund einzelner Parameter muss daher dringend gewarnt werden.

Harnsäure ist das Endprodukt des Purinstoffwechsels des Menschen und wegen seiner schlechten Wasserlöslichkeit der Verursacher der Gicht. Es wird sowohl im Gichtanfall als auch zur Verlaufskontrolle einer diätetischen und/oder medikamentösen Therapie im Serum, z. T. auch im Urin, bestimmt. Im Gichtanfall finden sich erhöhte Werte, gleichzeitig erhöhte Leukozytenzahlen und Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeiten (Tab. 4).

Tab. 4: Referenzwerte der Harnsäure in Serum und Urin

Frauen
Männer
Serummg/dl
mmol/l
2,5 – 5,9
0,15 – 0,35
3,5 – 7,1
0,21 – 0,42
Urinmmol/Tag
< 6, < 2,5
bei purinfreier
Ernährung
< 6, < 2,5
bei purinfreier
Ernährung

Neben der Gicht gibt es weitere Ursachen erhöhter Harnsäurespiegel: so beispielsweise bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz, bei der gleichzeitig der Harnsäuregehalt im Urin erniedrigt ist. Extremdiäten (z. B. Atkins-Diät) und Arzneimittel (ASS, Diuretika) sind weitere Auslöser. Zusammen mit anderen Parametern wie LDH und CK ist der Harnsäureanstieg ein alarmierender Indikator für einen massenhaften Untergang von Körperzellen bei Rhabdomyolyse, Verbrennungen oder in der Onkologie durch Bestrahlung oder Zytostatika. Vielfach wird in diesen Fällen, um eine Ausfällung der Harnsäure in der Niere zu vermeiden, das Enzym Rasburicase infundiert, das die Harnsäure zum gut wasserlöslichen Allantoin oxidiert.

Laborparameter im Kunden- und Arztgespräch

Die Pharmazie hat mit der Einführung von Messungen wie Blutzucker und Cholesterin in der Apotheke einen ersten Schritt in die "Dienstleistung Labordiagnostik" getan. Dazu gehört selbstverständlich, diese Werte zu interpretieren, auch wenn die Diagnose, die sich daraus ableitet, eine ärztliche Aufgabe bleibt. Der zweite Schritt besteht darin, auch die wichtigsten (und daher in dieser Arbeit besprochenen) nicht in der Apotheke bestimmbaren Laborparameter interpretieren zu können, und das sowohl im Gespräch mit dem Kunden als auch im Arztgespräch. Dies beginnt mit dem Wissen um die Definition des Referenzbereichs, das oft angewendet werden muss, um Kunden mit geringfügig abweichenden Werten zu beruhigen. Der Referenzbereich ist definiert als der Bereich der Messwerte, in dem sich 95% der gesunden Probanden bei der Festlegung befinden. Bei diesem Vorgehen ergibt sich eine Gauss-Verteilung, bei der je 2,5% der Probanden per definitionem unterhalb bzw. oberhalb des Referenzbereichs liegen – aber dennoch gesund sind.

Im Gespräch mit dem Arzt sind die richtigen Schlussfolgerungen aus Laborwerten nicht nur deshalb wichtig, weil sie oft die "Leitplanken" für die Arzneimitteltherapie vorgeben. Ein fundiertes Gespräch über diesen Aspekt schafft auch eine größere Akzeptanz für die Arzneimittelinformation des Klinischen Pharmazeuten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beratung einen Aha-Effekt zur Folge hat, z. B. wenn der Arzt durch eine nach pharmazeutischer Intervention angeordnete Creatininclearance-Bestimmung (wahlweise Cystatin C) erkennt, dass er bei einem Patienten die Nierenfunktion falsch eingeschätzt hat. In der Hektik des Alltags im Medizinbetrieb gehen manche Dinge unter, andere werden als gegeben hingenommen und nicht hinterfragt. Wenn wir hier nachfragen und helfen, Fallen zu erkennen und zu umgehen, leisten wir einen wertvollen Beitrag.

Blutgerinnung

Der INR-Wert (für international normalized ratio) hat als Gerinnungsparameter den Quickwert abgelöst und verhält sich umgekehrt proportional zu diesem. Der Normalwert der INR ist 1,0. Höhere Werte bedeuten eine verzögerte Blutgerinnung, die bei Vitamin-K-Mangel, Lebererkrankungen und durch Antikoagulanzien auftreten kann. Der Zielbereich der INR bei einer Therapie mit Antikoagulanzien wird risikobezogen festgelegt und liegt meist zwischen 2,0 und 4,5. Viele Patienten, die Cumarine erhalten, messen ihre INR selbst. Bei der Bestimmung im Labor aus venösem Blut sind Fehlerquellen zu beachten. Falsche Werte können bei Blutabnahme aus einem venösen Zugang resultieren, der vorher mit Antikoagulanzien (z. B. Heparin) in Kontakt gekommen war. Auch zu langes Aufstauen der Venen und zu starkes Schütteln der Citratröhrchen können das Ergebnis verfälschen.

Hormone

Hormondiagnostik ist die Domäne der Endokrinologie, die sich mit den Regelkreisen von Hypothalamus, Hypophyse und Hormondrüsen befasst.

Für den Pharmazeuten am wichtigsten sind die Schilddrüsenhormone. Sie liegen im Blut überwiegend proteingebunden vor, angegeben wird neben den Gesamthormonspiegeln von Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) deshalb auch der freie Anteil (fT3 bzw. fT4). Diese Parameter dienen auch der Verlaufskontrolle einer oralen Substitution. Für die Diagnose einer Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion ist das Hypophysenhormon TSH von entscheidender Bedeutung. Befindet sich der Spiegel dieses Hormons im Referenzbereich, kann eine Schilddrüsenfehlfunktion im Allgemeinen ausgeschlossen werden (Tab. 5).

Tab. 5: Referenzwerte der wesentlichen Schilddrüsenparameter

Parameter
Referenzwert
T3
0,78 – 1,82 µg/l (1,2 – 2,8 nmol/l)
fT3
2,5 – 4,4 ng/l ( 3,9 – 6,7 pmol/l)
T4
56 – 123 µg/l (52 – 158 nmol/l)
fT4
9,9 – 16,2 ng/l (12,7 – 20,8 pmol/l)
TSH basal
0,3 – 3,5 mU/l

Cortisol und das adrenocorticotrope Hormon (ACTH) spielen in der Diagnostik des Hypercortisolismus oder der Nebennierenrindeninsuffizienz eine Rolle, aber auch in der Frage des Ausschleichens nach der mittel- und längerfristigen Gabe von Corticosteroiden. Zu beachten sind hier die erheblichen zirkadianen Schwankungen, die einen Messwert ohne die Angabe der Abnahmezeit nahezu wertlos machen. Zu hohe Messwerte von Cortisol weisen auf ein Cushing-Syndrom hin, finden sich jedoch auch als Stresshormon bei schweren Erkrankungen sowie in der Schwangerschaft. Bei zu niedrigen Werten wird zur Diagnose einer Nebennierenrindeninsuffizienz ein ACTH-Test durchgeführt (Tab. 6).

Tab. 6: Referenzbereich von Cortisol und ACTH

Parameter/
Abnahmezeit
Referenzbereich
Cortisol 8.00 Uhr
5 – 25 µg/dl (138 – 690 nmol/l)
Cortisol 24.00 Uhr
< 5 µg/dl (< 138 nmol/l)
ACTH 8.00 Uhr
5 – 60 ng/l (1,1 – 13,3 pmol/l)
ACTH 24.00 Uhr
< 10 ng/l (< 2,2 pmol/l)

Mikrobiologische Diagnostik

Wundabstriche, Blutkulturen und „U-Bact“ (Kulturen aus Urinproben) waren einmal die Domäne der Kliniken. Heute, im gerade erst heraufdämmernden Zeitalter der Antibiotikaresistenzen, gewinnen sie auch im ambulanten Sektor zunehmend an Bedeutung und dürfen daher in einem Streifzug durch die Labormedizin nicht fehlen. Sie werden in der modernen Mikrobiologie ergänzt durch Antikörpersuchtests (z. B. auf Antikörper gegen HIV oder Borrelien) und die PCR, die direkt nach der DNA oder RNA eines Erregers sucht und dabei in der Lage ist, auch quantitative Aussagen (z. B. zur „Viruslast“ im Blut eines HIV-Infizierten) zu machen.

Das Anlegen von Kulturen aus den Körperflüssigkeiten kranker Menschen ist mit einer Vielzahl von Problemen behaftet, von denen uns zwei in besonderem Maße bewusst sein müssen:

  • Der Erreger lässt sich auf diese Weise nicht immer ermitteln. Oft entzieht er sich der Anzüchtung, oder es werden lediglich kontaminierende „Kommensalen“ gefunden. Bei den einzelnen Infektionsarten werden Beispiele besprochen.
  • Das Anlegen und Ablesen einer Kultur erfordert Zeit, die ein Patient mit einer schweren Infektion nicht hat. Die Sterblichkeit steigt in schweren Fällen mit jeder Stunde an, die bis zur Gabe eines wirksamen Antibiotikums vergeht.

Für beide Probleme gibt es Lösungsstrategien, die dem Klinischen Pharmazeuten geläufig sein müssen, damit er für den behandelnden Arzt ein wertvoller Gesprächspartner sein kann.

Befundinterpretation

Die saubere Gewinnung von Material zur Anzüchtung von Erregern ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn in der entnommenen Probe nur eine geringe Zahl an Keimen zu erwarten ist. Dies trifft in besonderem Maße auf Blutkulturen zu, die immer paarweise (aerob und anaerob) angelegt werden sollten. Wenn die Hautdesinfektion an der Entnahmestelle nicht gründlich genug war (Einwirkzeit von Alkohol: > 30 Sekunden!), kann ein falsch positiver Befund resultieren. Der klassische Kontaminant ist ein Hautkeim namens Staphylokokkus epidermidis (koagulasenegativer Staphylokokkus), der aber andererseits bei immunsupprimierten Patienten durchaus auch eine Sepsis (oft „Kathetersepsis“ durch das Entlangwachsen an einem zentralen Venenkatheter) verursachen kann. Die Unsicherheit, die durch solche Befunde entsteht, hat viele überflüssige Antibiotikagaben zur Folge.

Um dieses Risiko zu minimieren, bedarf es neben der sauberen Präanalytik einer gewissen Übung bei der Befundinterpretation. Eine für Staph.epi. positive Blutkultur sollte beispielsweise nur dann eine Antibiotikatherapie nach sich ziehen, wenn die Infektionsparameter dies nahelegen und mehrere Blutkulturen mit demselben Keim positiv waren. Im Zweifelsfall ist die Blutkultur zu wiederholen.

In bestimmten Fällen ist das Anlegen einer Kultur sinnlos, weil die Wahrscheinlichkeit, Kontaminanten anzuzüchten, deutlich höher ist als die Wahrscheinlichkeit, den Erreger zu finden. Dies ist z. B. beim Erysipel der Fall. Auch bei pulmonalen Infektionen ohne Produktion relevanter Mengen Sputum ist die Kultur kritisch zu hinterfragen, weil die Probe möglicherweise nur Kontaminanten aus der Mundhöhle enthält. In vielen Fällen wurden Patienten mit Antimykotika behandelt, weil ihr Sputum Hefepilze (Candida spp.) enthielt, mit denen die Mund- und Rachenschleimhaut besiedelt war. Im Fall einer geringen oder fehlenden Sputumproduktion ist ein zuverlässiges Auffinden des Erregers nur durch eine Bronchiallavage (Probennahme aus der Lavageflüssigkeit) oder durch eine Bronchoskopie (Probennahme durch die „geschützte Bürste“, die aus einer Kapsel an der Spitze des Bronchoskops ausgefahren wird) möglich. Beide Verfahren sind i. d. R. der Intensivmedizin vorbehalten. In allen anderen Fällen erfolgt die Therapie kalkuliert, d. h. gegen die aufgrund der klinischen Symptomatik erwarteten Erreger.

Ein mikrobiologischer Befund besteht i. d. R. aus drei wesentlichen Aussagen:

  • Name der gefundenen Keime
  • Semiqantitative Angabe zur Keimzahl (z. B. „vereinzelt“, „mäßig viel“ oder „massenhaft“), die eine Abschätzung erlaubt, ob es sich um einen Kontaminanten oder einen therapiebedürftigen Erreger handelt.
  • Antibiogramm in Tabellenform, das angibt, ob die gefundenen Erreger gegen die zur Verfügung stehenden Antibiotika sensibel oder resistent sind. Gelegentlich findet sich noch die Angabe „intermediär sensibel“. Dies ist nur dann relevant, wenn keine Antibiotika zur Verfügung stehen, gegen die der Keim sensibel ist.

Für die Ermittlung der Empfindlichkeit gegen Antibiotika stehen der Mikrobiologie drei Methoden zur Verfügung. Aus Kostengründen kommen jedoch der Mikrobouillon-Verdünnungstest und der Epsilon-Test in der klinischen Routine kaum zur Anwendung, sodass grundsätzlich mit der relativen Ungenauigkeit gerechnet werden muss, mit der der Agardiffusionstest behaftet ist. Bei diesem Verfahren werden mit einem Stempel Blättchen, die verschiedene Antibiotika enthalten, in Agarplatten eingebracht. Nachdem diese Platten mit dem Material aus einer Keimkolonie bestrichen wurden, bilden sich im flächigen Keimwachstum Hemmhöfe um die Blättchen, deren Größe eine ungefähre Abschätzung der Empfindlichkeit des Keims gegen die jeweiligen Antibiotika erlaubt.

Die Ausgabe des Antibiogramms erfolgt in Tabellenform, wobei meist die gefundenen Keime in den Spalten, die getesteten Antibiotika in den Zeilen stehen. Idealerweise werden die Befunde farblich markiert („sensibel“ = grün, „resistent“ = rot) und die aufgeführten Antibiotika so angeordnet, dass die Basisantibiotika oben und die Reserveantibiotika weiter unten stehen. Dies erleichtert den Überblick und beeinflusst die Antibiotikaauswahl im Sinne ökonomisch und infektiologisch sinnvoller Entscheidungen.

Infektiologische Strategien

In der Klinik erfolgt vor Einleitung der Antibiotikatherapie die Probennahme zum Anlegen einer Kultur, sofern dies sinnvoll ist. Da bis zum Vorliegen des Ergebnisses ein bis drei Tage vergehen, wird dies bei ernsten Infektionen nicht abgewartet. Das führt dazu, dass die initiale Therapie oft mit sehr breit wirksamen Antibiotika eingeleitet wird. Wenn das Antibiogramm zwei Tage später das Ergebnis liefert, dass ein weniger breit wirksames Basisantibiotikum gegen die gefundenen Erreger ebenfalls wirksam ist, muss ein Umsetzen der Therapie diskutiert werden, um Kosten zu senken und die Bildung von neuen Resistenzen gegen die breit wirkenden Antibiotika zu verzögern. Diese Vorgehensweise wird als „Deeskalation“ bezeichnet und ist eine der Strategien, mit denen Krankenhausapotheker auf der Basis von vor wenigen Jahren eingeführten Zusatzausbildungen „antibiotic stewardship“ betreiben.

Der Klinische Pharmazeut steht hier oft an der Seite des Mikrobiologen, der infektiologische Aspekte in die Therapie einbringt, dessen pharmakologisches (v. a. pharmakokinetisches) Wissen aber meist begrenzt ist. In vielen Fällen wenden sich die Mikrobiologen auch aus aktuellen Anlässen so stark der Hygieneüberwachung zu, dass der Pharmazeut der einzig verbleibende Ansprechpartner des behandelnden Arztes ist. Die infektiologische Ausbildung des Klinischen Pharmazeuten ist deshalb von wachsender Bedeutung.

Problemkeime

Auch heute noch sind die meisten Infektionen in Klinik und Praxis ohne größere Probleme behandelbar. Es ist jedoch notwendig, die wichtigsten Keime zu kennen, die gegen herkömmliche Antibiotika resistent oder schlecht erreichbar sind bzw. die Isolation des Patienten notwendig machen.

MRSA wird heute oft mit „multiresistenter Staphylokokkus aureus“ übersetzt, was in vielen Fällen auch richtig ist. Ursprünglich steht das „M“ jedoch für Methicillin, eine gegen die meisten Staphylokokken wirksame Weiterentwicklung des Penicillins. Vielfach sind – das Antibiogramm gibt Auskunft – Antibiotika wie Clindamycin noch wirksam, speziell in Kliniken kommen oft nur noch zwei Antibiotika infrage, nämlich Vancomycin und Linezolid. Letzteres kann auch oral gegeben werden, orales Vancomycin dagegen wird nicht resorbiert und ist nur für Darminfektionen geeignet. Für welches der beiden Antibiotika man sich entscheidet, hängt oft von der Schwere der Infektion, der Comedikation sowie von der Nierenfunktion ab. Vancomycin ist deutlich billiger, aber schlechter gewebegängig als Linezolid und kann bei niereninsuffizienten Patienten kumulieren. Linezolid ist als Nebenwirkung ein MAO-Hemmer mit entsprechendem Interaktionspotenzial. MRSA-Patienten müssen isoliert werden und sind oft bis an ihr Lebensende Träger des Keims und damit ein Risiko für andere Patienten bzw. Heimbewohner. Als vergleichsweise kostengünstiges orales Antibiotikum für MRSA-Infektionen im ambulanten Bereich kommt manchmal Rifampicin infrage, das allerdings wegen seiner hohen Neben- und Wechselwirkungsrate nur sehr selten eingesetzt wird.

ESBL-Bildner sind gramnegative Keime, meist Escherichia coli oder Klebsiella spp., die mit zunehmender Häufigkeit bei rezidivierenden Harnwegsinfekten (z. B. nach langer Versorgung mit einem transurethralen Dauerkatheter), aber auch bei anderen Infektionen zu finden sind. ESBL steht für extended spectrum betalactamase und bedeutet, dass diese Keime Enzyme erworben haben, die alle Penicilline (einschließlich der mit Betalactamasehemmern wie Clavulansäure oder Sulbactam kombinierten) und Cephalosporine inaktivieren können. Wenn eine Resistenz gegen Fluorchinolone hinzu kommt, bedeutet ein Infekt mit diesen Keimvarianten zwangsläufig eine Klinikeinweisung, da die noch wirksamen Antibiotika Imipenem und Meropenem drei- bis viermal täglich parenteral appliziert werden müssen, was im ambulanten Umfeld i. d. R. nicht geleistet werden kann. Auch Patienten, die mit ESBL-Bildnern infiziert sind, müssen isoliert werden.

Pseudomonas aeruginosa und Stenotrophomonas maltophilia sind Feucht- und Mangelkeime, die in Wasser ohne wesentliche Nährstoffe überleben und Wund-, Harnwegs- und Atemwegsinfektionen bei immungeschwächten Patienten verursachen können. Sie können verschiedene Resistenzmechanismen nutzen und müssen deshalb bei schweren Infektionen meist mit Kombinationen von Antibiotika behandelt werden, um einer Resistenzbildung während der Therapie vorzubeugen. Sofern dies möglich ist, können diese Keime durch Schaffung eines trockenen Milieus bekämpft werden, da sie von Feuchtigkeit abhängig sind.

Clostridium difficile, ein anaerober Sporenbildner, ist im Darm vieler Menschen zu finden, ohne Symptome zu verursachen. Wird die Darmflora, die diesen Keim in Schach hält, durch Antibiotika geschädigt, kommt es zu Diarrhoen durch diesen Keim, schlimmstenfalls zur pseudomembranösen Enterocolitis, benannt nach den Blasen (Pseudomembranen) auf der Darmschleimhaut, die bei der Koloskopie sichtbar sind. Erfahrene Pflegekräfte erkennen die Infektion am charakteristischen Geruch des Stuhls. Der Patient muss isoliert werden, bei der Desinfektion ist zu beachten, dass Sporen gegen rein alkoholische Desinfektionsmittel unempfindlich sind. Therapieoptionen sind Metronidazol und orales Vancomycin.

Diese kurzen Ausführungen zur mikrobiologischen Diagnostik und den infektiologischen Strategien, die nicht nur Leben retten, sondern auch Kosten senken und die Entstehung neuer Resistenzen verhindern sollen, können für den Krankenhausapotheker weder die Stationserfahrung noch die Ausbildung für das „antibiotic stewardship“ ersetzen. Für den ambulanten Sektor, der v. a. in Alten- und Pflegeheimen auch zunehmend mit infektiologischen Problemen konfrontiert ist, sind diese Seiten zumindest ein Einstieg, der einen Beitrag zum fruchtbaren Austausch mit dem behandelnden Arzt und damit zur richtigen Reaktion auf mikrobiologische Befunde ermöglicht.

Literatur

Hallbach, J: Klinische Chemie für den Einstieg. Thieme (2001)

Dewald, B, Schäfer C: Laborwerte für die Kitteltasche. WVG Stuttgart 2010

Richter WO: Taschenbuch der Fettstoffwechselstörungen. WVG Stuttgart 2003

Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin: DGEM-Leitlinien Enterale und Parenterale Ernährung. Thieme 2008

www.laborlexikon.de

Weitere Literatur beim Autor

Autor

Dr. Markus Zieglmeier, Studium der Pharmazie 1983-88 an der LMU in München, seit 1989 in der Apotheke des Klinikums München-Bogenhausen. Promotion zum Dr. rer. biol. hum. (berufsbegleitend) 1999 mit einer experimentellen toxikologischen Arbeit. Fachapotheker für Klinische Pharmazie (2002), Zusatzbezeichnungen Ernährungsberatung (2004) und Geriatrische Pharmazie (2011). Ab 2002 verstärkt freiberufliche Tätigkeit als Referent und Autor.

Kontaktadresse: Dr. Markus Zieglmeier, Städt. Klinikum München, Apotheke Klinikum Bogenhausen, Englschalkinger Str. 77, 81925 München

Klinische Pharmazie - POP:
Die neue DAZ-Serie „Klinische Pharmazie – POP“

In Zukunft wird es verstärkt Aufgabe des Apothekers sein, in Zusammenarbeit mit dem Arzt das Medikationsmanagement für Patienten in die Hand zu nehmen. So sieht es auch die neue Apothekenbetriebsordnung vor.

Deshalb hat die DAZ unter dem Namen „Klinische Pharmazie - POP“ eine neue Serie zur Klinischen Pharmazie gestartet POP steht dabei für Patienten-orientierte Pharmazie. Ein wichtiges Ziel ist es, das notwendige Rüstzeug für ein Medikationsmanagement zu vermitteln. Im Mittelpunkt jeder Folge wird daher ein Fallbeispiel stehen, mit dessen Hilfe Schritt für Schritt an das Medikationsmanagement herangeführt wird. Der 1. POP-Fall widmet sich einer Patientin mit Hyperlipidämie und wurde in DAZ 2012, Nr. 16, S. 68 - 76 veröffentlicht. Sowohl in der DAZ als auch auf DAZ.online werden Sie ausführliche Hintergrundartikel zur Klinischen Pharmazie allgemein und zu den einzelnen Fällen finden, die wichtiges Basiswissen vermitteln. Einer dieser Hintergrundartikel ist der nebenstehende Beitrag zu Laborparametern.

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