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AMG-Novelle erreicht den Bundestag

Regierungskoalition will auch AMNOG-Regelungen auf den Prüfstand stellen

BERLIN (ks). Die parlamentarischen Beratungen für das "Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" sind angelaufen. Am 26. April wurde der Gesetzentwurf – samt Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung – erstmals im Bundestag behandelt. Debattiert wurde wegen der späten Terminierung dieses Tagesordnungspunktes nicht mehr. Es wurden jedoch Reden zu Protokoll gegeben. Diese zeigen, dass die sogenannte "16. AMG-Novelle" bereits weit über ihre ursprünglichen Absichten hinausgeht. Und noch immer sind viele Wünsche offen – unter anderem hätten Apotheker und Pharmaindustrie gerne noch an einigen Stellschrauben gedreht.
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ein echtes Omnibus-Gesetz ist die anstehende AMG-Novelle, die mittlerweile erstmals im Bundestag behandelt wurde. Und noch immersind viele Wünsche offen.

Die EU-Richtlinien zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen und zur Pharmakovigilanz waren der ursprüngliche Anlass für die jetzt anstehende AMG-Novelle. Zudem wollte man das Heilmittelwerberecht der jüngeren europäischen Rechtsprechung anpassen. Im Gesetzgebungsverfahren zeichnete sich aber schon früh ab, dass es nicht dabei bleiben wird, diese Vorgaben umzusetzen. Michael Hennrich (CDU) sieht es als Chance, auch einige andere Vorschriften "ganz grundsätzlich zu überdenken und auf den Prüfstand zu stellen". Und so handelt es sich mittlerweile um ein ausgewachsenes Ominbus-Gesetz. Auch die Apotheker hoffen, dass noch eine Regelung für eine bessere Honorierung eingehen wird.

Abgesehen von den vielen Änderungen, die einen besseren Schutz vor Arzneimittelfälschungen bezwecken, betrifft der Gesetzentwurf Apotheken vorerst vor allem durch eine neue Vorschrift für ausländische Versandapotheken: Diese sollen sich künftig per Gesetz an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen – überbordende Boni für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind damit auch für sie tabu. Darüber hinaus hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf ein Verbot des Rx-Versandhandels gefordert – dies lehnte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung jedoch rundweg ab.

Versandhandel und Pick up bleiben Thema

Dennoch wurden die Apotheker in den Reden der Bundestagsabgeordneten immer wieder aufgegriffen. So würdigte Hennrich ihren Sparbeitrag im Rahmen der vorangegangenen AMNOG-Gesetzgebung. Zugleich bekräftigte er die Position der Union, dass nach Auslaufen der Sparmaßnahmen Ende 2012 der Apothekenabschlag für 2013 auf Grundlage des in den Jahren 2009 und 2010 geltenden Abschlags zu vereinbaren sei – also 1,75 Euro. Hennrich betonte ferner, dass man nach wie vor an dem im Koalitionsvertrag versprochenen Pick-up-Verbot festhalte. In einem Verbot des Rx-Versandhandels sieht er aber keine Lösung. Er ist der Meinung, es liege nun in den Händen des Bundesrates, hier die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP) stellte sich in ihrer schriftlichen Rede ebenfalls hinter den Rx-Versandhandel. Das vom Bundesrat geforderte Verbot begegne verfassungsrechtlichen Vorbehalten, zitierte sie das wohlbekannte Argument aus dem Justiz- und Innenministerium. Flachs Schlussfolgerung aus der Bundesrats-Offensive: "Der Vorschlag nebst seiner Begründung zeigt jedoch, dass die Mehrheit der Länder zumindest ein isoliertes Verbot von Pick-up-Stellen zwischenzeitlich ebenfalls für verfassungsrechtlich bedenklich hält." Was sie selbst mittlerweile vom Pick-up-Verbot hält, bleibt offen.

Marlies Volkmer (SPD) hielt der Regierungskoalition vor, die Forderung des Bundesrats nach einem Rx-Versandverbot abzulehnen, aber bisher keinen anderen Vorschlag gemacht zu haben, wie Pick-up-Stellen untersagt werden können. "Es ist an der Zeit für Sie, hier endlich einmal aktiv zu werden und eine verfassungskonforme Regelung vorzuschlagen", heißt es im Plenarprotokoll. Klar pro Rx-Versandverbot positionierte sich übrigens Kathrin Vogeler (Linke). Sie bleibt damit ganz bei der von ihrer Fraktion schon seit Langem vertretenen Auffassung. "Dieses Einfallstor für Fälschungen bekommt man auch mit aufwendigen Siegeln und Packungsnummern nicht in den Griff", so Vogeler.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, kann das Thema Versandhandelsverbot dagegen nur noch schwer ertragen: "Wann hat diese Koalition, wann hat dieser Minister endlich den Mut, sich von nicht haltbaren Wahlversprechen zu verabschieden?" Aus Benders Sicht ist es richtig, dass sich die Verfassungsressorts hier querstellen. Es werde "ein Missbrauch an die Wand gemalt, der in der Realität des legalen Versandhandels aber nicht existiert". Auch auf die Apothekerlobby ist die Grüne nicht gut zu sprechen: Statt diese "symbolische Monstranz" weiter vor sich herzutragen, sollte sie sich endlich mit konkreten Perspektivfragen für die Apothekerschaft beschäftigen. Doch von der ABDA höre sie nichts anderes als Forderungen nach mehr Geld. "Und das ist, wie die Union in diesem Fall völlig richtig sagt, überzogen", so Bender.

Weitere Baustellen

Interessant wird sein, inwieweit mit der AMG-Novelle nochmals am AMNOG Hand angelegt wird. Hennrich betonte, dass man sich mit den Folgen dieses Gesetzes erneut beschäftigen werde – allerdings müsse nicht immer der Gesetzgeber Probleme lösen. Manchmal obliege diese Aufgabe allein der Selbstverwaltung, so der CDU-Politiker. Und diese sei teilweise bereits aktiv geworden – so etwa bei der Behandlung von Orphan Drugs in der frühen Nutzenbewertung. Aufmerksam beobachte man nun das Thema Vergleichstherapie. Bei ihrer Auswahl müsse die Frage im Mittelpunkt stehen, ob ein tatsächlicher Zusatznutzen für das neue Arzneimittel gegenüber dem bisherigen Therapiestandard besteht. Die Kostenfrage stehe dagegen erst bei den Preisverhandlungen im Zentrum. Ein weiteres Industrieargument wurde von Hennrich gehört: Es sei auch sicherzustellen, dass keine Studien mit einer Vergleichstherapie verlangt werden, die aus ethischen Gründen nicht genehmigt würden. "Entspannt" sieht der CDU-Politiker der Forderung der Industrie nach der Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags entgegen: "Hier sollten wir uns überlegen, ob uns das nicht sogar entgegenkommt, weil in vertraulichen Verhandlungen mehr Spielraum für eine Rabattgewährung verbleibt."

Auch die Lobby der Zyto-Apotheker hat bei Hennrich vorgesprochen. Und er kann ihre Forderung nach einer Abschaffung von Zytostatika-Ausschreibungen offenbar nachvollziehen. Diese Ausschreibungsmöglichkeit müsse überprüft werden, sagt er, denn es drohe zu einem Oligopol in der Versorgung der Krebspatienten zu kommen. Auch Qualitätseinbußen und Probleme in der Flächendeckung seien zu befürchten, wenn die Krankenkassen Selektivverträge über die Zytostatikaversorgung abschließen.

Die kommenden Schritte

Nun wird der Gesetzentwurf mitsamt Bundesratsstellungnahme und Gegenäußerung der Bundesregierung zur Beratung an die zuständigen Ausschüsse verwiesen. Für den 13. Juni 2012 ist der Abschluss der Beratungen im Gesundheitsausschuss geplant. Zwei Tage später soll die 2./3. Lesung im Bundestag und am 6. Juli 2012 der zweite Durchgang im Bundesrat stattfinden.



DAZ 2012, Nr. 18, S. 18

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