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Unverzichtbar!

Doris Uhl

Immer mehr Menschen werden immer älter, die Zahl behandlungsbedürftiger Erkrankungen steigt und zwangsläufig auch die Zahl der verordneten Medikamente. Dabei geht schnell der Überblick verloren und es erhöht sich nicht nur die Gefahr für Neben- und Wechselwirkungen. Bei schlechter Koordination zwischen verordnenden Ärzten und Fachärzten muss auch damit gerechnet werden, dass multimorbide Patienten zu viele und für ihre Probleme ungeeignete Medikamente erhalten. Dass sich hier dringend etwas ändern muss, das haben sowohl Krankenkassen, Ärzte und Apotheker erkannt. An Lösungen wird gearbeitet.

Ein Ansatz ist das ABDA-KBV-Modell, bei dem der Apotheker in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt unter anderem bei Polymedikation ab fünf Arzneimitteln ein Medikationsmanagement durchführen soll. Wie nicht anders zu erwarten, stößt dieses Modell auf großen Widerstand in der Ärzteschaft. Allen voran macht der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, Stimmung gegen das Konzept. Sein Credo: "Die Apotheker können das nicht, sie haben das nicht gelernt, das Konzept ist zum Scheitern verurteilt!"

Dem können wir Apotheker nur entgegenhalten: "Wer, wenn nicht wir?!" Sicher betreten viele von uns mit dem Medikationsmanagement Neuland. Doch wir haben das notwendige Basiswissen, wir sind die Spezialisten rund um alle Fragen zu Arzneistoffen und Arzneimitteln. Ein bezahlter Arzneimittel-Check, wie er beispielsweise in Nordrhein zwischen der KV-Nordrhein und der AOK Rheinland/Hamburg im Rahmen eines aktualisierten Hausarztvertrags ausgehandelt wurde (siehe hier), macht ohne Mitarbeit von Apothekern keinen Sinn. Er gehört in die Hand der Apotheker! Sie haben das notwendige Know-how und sind am besten geeignet, in kollegialer Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten eine optimale Arzneimitteltherapie der Patienten sicherzustellen.

Die neue Apothekenbetriebsordnung weist in die richtige Richtung. Sie definiert das Medikationsmanagement als eine Pharmazeutische Tätigkeit, mit der die gesamte Medikation des Patienten, einschließlich der Selbstmedikation, wiederholt analysiert wird mit den Zielen, die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Therapietreue zu verbessern, indem arzneimittelbezogene Probleme erkannt und gelöst werden.

Viele Ärzte, die Erfahrungen mit Klinischen Pharmazeuten gemacht haben, schätzen den geschulten Blick durch eine andere Brille, so beispielsweise Prof. Dr. Martin Wehling, Direktor der Klinischen Pharmakologie der Medizinischen Fakultät Mannheim. Im Rahmen einer Diskussion auf der diesjährigen Interpharm betonte er ihre Kompetenz in der Klinik und plädierte dafür, nach Wegen für ihren Einsatz im ambulanten Bereich zu suchen.

Denn es geht um den Patienten, es geht um seine bestmögliche Versorgung. Der Patient hat ein Recht darauf, dass Arzt und Apotheker zu seinem Wohl zusammenarbeiten und ihr unterschiedliches Wissen zur Sicherung und Optimierung seiner Therapie einsetzen. Dafür müssen wir gemeinsam kämpfen.

Deshalb startet die DAZ mit dieser Ausgabe unter Federführung von Prof. Dr. Hartmut Derendorf, Gainesville/Florida, eine Offensive für die Klinische Pharmazie. Professor Derendorf ist ein leidenschaftlicher Verfechter einer patientenorientierten Pharmazie, wie sie in den USA auch von ihm und seinen Kollegen gelehrt und schon praktiziert wird. Viele Pharmazeuten aus Deutschland sind zu ihm nach Florida gereist und haben sich dort entsprechend weitergebildet, einige von ihnen zum Doctor of Pharmacy (PharmD). Zusammen mit einem Teil dieser ehemaligen Schüler, einem erfahrenen Klinikapotheker aus München und Professor Derendorf (siehe hier) haben wir die neue DAZ-Serie "POP – Patienten-orientierte Pharmazie" entwickelt.

Herzstück dieser monatlich erscheinenden Serie wird ein Fallbericht sein, in dem alle Formen der pharmazeutischen Betreuung bis hin zu einem Medication Therapy Management durchgespielt werden. Hier können Sie lernen, wie man patientenorientiert Probleme erkennt und löst, wir liefern Ihnen die notwendigen Hintergrundinformationen, sowohl in der Print-Ausgabe als auch in erweiterter Form auf DAZ.online.

Stellen Sie sich der Herausforderung! Begeistern Sie sich wie unsere Autorinnen und Autoren der neuen DAZ-Serie für die Klinische Pharmazie! Bilden Sie sich weiter und zeigen Sie Ihren Patienten, Ärzten, Krankenkassen und Entscheidungsträgern, dass wir Apothekerinnen und Apotheker die Kompetenz in Sachen Arzneimitteltherapiesicherheit und Medikationsmanagement haben. Zeigen Sie, dass die Leistungen der Apotheker unentbehrlich für das Wohl der Patienten und eine effektive Arzneimitteltherapie sind, machen Sie deutlich, dass die Gesellschaft es sich nicht erlauben kann, darauf zu verzichten!


Doris Uhl



DAZ 2012, Nr. 16, S. 3

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