Arzneimittel und Therapie

Neuere Antidepressiva sind für Parkinsonpatienten sicher

Foto Yuri Arcurs - Fotolia.com

Die Lebensqualität Betroffener entscheidend verbessern

Mehr als 40% aller Patienten mit Morbus Parkinson leiden im Verlauf ihrer Erkrankung an depressiven Verstimmungen. Bei etwa einem Drittel von ihnen treten sie als erstes Symptom auf. Tricyclische Antidepressiva haben sich zwar in der Vergangenheit als wirksam erwiesen, jedoch machen sie wegen ihrer vielfachen Nebenwirkungen einen sorgsamen Einsatz und eine permanente Überwachung notwendig. Wie eine klinische Studie US-amerikanischer Wissenschaftler zeigt, können die Patienten auch mit neueren Antidepressiva sicher und wirksam behandelt werden.

Rund 300.000 bis 400.000 Menschen sind in Deutschland an Morbus Parkinson erkrankt. Depressive Verstimmungen können als Frühsymptom der Diagnose um Jahre vorausgehen. Sie betreffen im Verlauf der Erkrankung mindestens 40% der Patienten. Seit den 50er Jahren werden zur Behandlung der Depressionen vorwiegend trizyklische Antidepressiva eingesetzt. Bei diesen Therapeutika besteht jedoch die Gefahr einer Überdosierung und einer schädlichen Wirkung auf Herz und Gehirn; ein sorgsamer Einsatz und eine kontrollierte Überwachung sind daher gerade bei Parkinson-Patienten eine unabdingliche Notwendigkeit.

SSRI und SNRI wirksam und unbedenklich

Noch vor drei Jahren hatte eine Studie klare Vorteile einer Therapie mit tricyclischen Antidepressiva gegenüber einer Behandlung mit einem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer gezeigt. Parkinson-Patienten wiesen fünfmal häufiger eine Verbesserung der depressiven Beschwerden auf als die Patienten in der SSRI-Vergleichsgruppe. Jetzt zeigt eine randomisierte, Placebo-kontrollierte klinische Studie die Wirksamkeit und vor allem die Sicherheit neuerer Antidepressiva bei Patienten mit ausgeprägten motorischen Symptomen.

Im Rahmen der Studie wurden 115 Patienten mit Morbus Parkinson und schwerer Depression in drei Gruppen aufgeteilt. Ein Drittel der Patienten wurde mit einem Scheinmedikament behandelt, ein weiteres Drittel erhielt den Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Paroxetin, und die übrigen Studienteilnehmer erhielten den Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin in einer Retard-Formulierung. Primärer Studienendpunkt waren Veränderungen in verschiedenen Depressions-Skalen, unter anderem der sogenannte Hamilton Rating Scale for Depression (HAM-D).

Nach zwölf Wochen kam es unter der Behandlung mit dem Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zu einer Besserung um nahezu 60% nach der HAM-D-Skala. Mit mehr als 50% kam es zu einer vergleichbaren Besserung unter dem Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin. Demgegenüber kam es unter Placebo lediglich zu einer Besserung um etwa 30%. Ähnliche Ergebnisse wurden auch nach einer Beurteilung durch andere Depressions-Skalen erhalten. Verlangsamung, Schlafstörungen und Veränderungen der Stimme würden bei Morbus Parkinson häufig als Symptome der Grunderkrankung bewertet – so die Autoren – und damit die Depression nicht erkannt.

Sowohl unter SSRI- als auch unter SNRI-Behandlung kam es gegenüber Placebo nicht zu einer Verschlechterung der motorischen Symptome.


Quelle

Richard, I.H.; et al.: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial of antidepressants in Parkinson disease. Neurology (2012); WNL. 0b013e 3182516244, Vorabveröffentlichung vom 11. April 2012.

Okun, M.S.; Fernandez, H.H.: Will tricyclic antidepressants make a comeback for depressed Parkinson disease patients? Neurology (2009) 72(10): 868 – 869.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 16, S. 40

Das könnte Sie auch interessieren

Der aktive Metabolit kann bei Major Depression nicht punkten

Desvenlafaxin nicht besser als Venlafaxin

Lieferengpass bei Venlafaxin (Teil 2 von 3)

Warum Venlafaxin nicht einfach zu ersetzen ist

Individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung bei chronischen Schmerzen ratsam

Antidepressiva als Co-Analgetika sinnvoll?

Neuroleptikum für ältere Patienten eine wirksame Option bei therapieresistenter Depression

Aripiprazol: Etwa jeder Siebte profitiert

Zur Pharmakotherapie von depressiven Störungen bei Kindern und Jugendlichen

Gemeinsam aus dem Loch

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.