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Ein neues Selbstbewusstsein?

Peter Ditzel

Man traute seinen Ohren nicht: Erstmals seit acht Jahren wagte es die Berufsvertretung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker, öffentlich und konkret ein höheres Fixum für die apothekerliche Tätigkeit zu fordern. Der seit 2004 festgeschriebene Festzuschlag von 8,10 Euro sollte, so hat es die ABDA scharf kalkuliert ausgerechnet, um 1,04 Euro auf 9,14 Euro erhöht werden. Damit flössen Deutschlands Apotheken rund 624 Millionen Euro mehr zu. "Wir betreiben die Apotheke 2012 zu den Kosten von heute und den Einnahmen von vor acht Jahren", war die Begründung des ABDA-Präsidenten vor Journalisten. Wobei die Begründung so wohl nicht ganz stimmig war, denn immerhin war seit 2004 die Zahl der abgegebenen Packungen um 14,2 Prozent auf fast 600 Millionen Stück gestiegen. Aber andererseits waren in den letzten acht Jahren natürlich die Nebenkosten und Kosten für Gehälter ebenfalls gestiegen und die gestiegene Packungszahl samt Rabattverträgen verursacht einen Mehraufwand und damit höhere Kosten. Eine Erhöhung des Apothekenhonorars lässt sich also durchaus mehr als rechtfertigen.

Auf der bemerkenswerten Pressekonferenz Ende März legte die ABDA noch nach: Man sollte zunächst eine Regelung für die gerechtere Vergütung des Nacht- und Notdienstes, für die Herstellung von Rezepturen und die Abgabe von Betäubungsmitteln finden. Bei der Notdienstvergütung wäre beispielsweise eine pauschale Vergütung von durchschnittlich 263 Euro angebracht. Ob diese Forderung vorab und zusätzlich oder anstatt der Anpassung des Apothekenhonorars gestellt wurde, kam nicht deutlich über. (Im Sinne der Apotheker müsste die Anpassung für Notdienst- und BtM-Gebühren sowie der Rezepturarbeitspreise wohl zusätzlich erfolgen.)

Auch bei der dritten Baustelle, dem Kassenzwangsabschlag, forderte die ABDA Rechtssicherheit für weitere Verhandlungen und machte klar, dass die 2,05 Euro nicht als Basis für die Verhandlungen zum Apothekenabschlag 2012 heranzuziehen sind.

Endlich, möchte man ausrufen. Das sind längst überfällige Forderungen. Und es drängt sich erneut der Gedanke auf, warum diese erst jetzt so deutlich ausgesprochen wurden? Warum zögerte die ABDA so lange? Eine Erhöhung der Notdienst- und BtM-Gebühr und eine Anpassung der Rezepturarbeitspreise wären beispielsweise schon 2005 notwendig und mit Sicherheit keine unmoralische Forderung gewesen.

Jetzt ging die ABDA gleich mit diesen drei Baustellen an die Öffentlichkeit. Die Folge: Politik, Krankenkassen und Medien zeigten wenig Verständnis für die Apothekersorgen und waren sich einig, die Apothekerforderungen zurückzuweisen. Den Apotheken wurde vorgehalten, sie lebten eh in einer Nische, sie stellten nicht nachvollziehbare Forderungen und man wünschte sich mehr inhaltliche Vorschläge. Argumente, denen man von Apothekerseite viel entgegenhalten könnte. Beispielsweise: Die Nische ist staatlich gewollt (inhabergeführte Apotheke), es gibt sie nur noch zum Teil und kommt letztlich dem Verbraucher zugute (keine Ketten, Rx-Festpreise), der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen Apotheken hat längst eingesetzt und inhaltliche Vorschläge (ABDA-KBV-Modell) liegen bereits auf dem Tisch. Nur: So richtig scheint sich niemand damit auseinandersetzen zu wollen. Oder liegt es daran, dass es unsere Berufsvertretung nicht schafft, der Öffentlichkeit die Lage der Apotheke transparent zu machen?

Für manche Medien klingen die aktuellen Forderungen sogar nach einem "neuen Selbstbewusstsein der Apotheker", wie es unlängst die Stuttgarter Zeitung formulierte. Zurückgeführt wird das Selbstbewusstsein u. a. auf den Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof, auf die Stärkung der inhabergeführten Apotheke und die Absage an Apothekenketten. Dies habe letztlich dazu geführt, dass auch Pharmagroßhändler ihre Expansionspläne begraben haben und auf Schmusekurs gehen: Celesio denkt sogar drüber nach, seine Versandapotheke DocMorris zu verkaufen.

Doch Kritiker warnen die Apotheker vor zu viel Selbstbewusstsein, vor zu viel Selbstzufriedenheit. Es fehlten den Apothekern die wirklich neuen Ideen, die neuen Konzepte, der Mut zum Wandel. Die Folge: ein Apothekensterben, das sich in den nächsten Jahren fortsetzend werde. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Forderungen nach Honorar- und Arbeitspreiserhöhungen sind das eine. Auf der anderen Seite müsste im Zusammenhang mit einem sich abzeichnenden neuen Berufsbild des Apothekers über neue Strukturen, beispielsweise in Richtung Klinischer Pharmazie, Medikationsmanagement, und ein neues Selbstverständnis stärker nachgedacht werden.

Affären wie die im jüngsten "Spiegel" berichteten Tricks einiger Zyto-Apotheker, die den Krankenkassen Zytostatika zu überhöhten Kosten in Rechnung stellten und über Beraterverträger und Kick-backs kräftig absahnten, tragen nicht dazu bei, Sympathien auf die Seite der Apotheken zu ziehen.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 15, S. 3

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