Gastkommentar

Citalopram-Anwendungsbeschränkungen mit Verzögerung

Citalopram-Anwendungsbeschränkungen mit Verzögerung


Verena Stahl

Das BfArM bewirkt in einem Stufenplanbescheid vom 15. März 2012 Ergänzungen der Fachinformationen von Citalopram und widerruft aufgrund eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses die Zulassung von Citalopram-haltigen Arzneimitteln der Wirkstoffstärke 60 mg [1]. Hintergrund sind dosisabhänge QT-Intervall-Verlängerungen des Antidepressivums, welche lebensgefährliche Torsade-de-Pointes-Arrhythmien zur Folge haben können.

Der aktuelle Stufenplanbescheid (Stufe II) der Bundesoberbehörde ließ lange auf sich warten. Bereits im Oktober letzten Jahres wurde durch die Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe (PhVWP) des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) festgestellt, dass unter Citalopram eine dosisabhängige Verlängerung des QT-Intervalls auftritt. Es wurden konkrete Kontraindikationen und Dosisgrenzen ausgesprochen, die in der Folge Bestandteil des Rote-Hand-Briefs zu Cipramil® vom 31. Oktober 2011 waren (die DAZ berichtete) [2]: Citalopram ist bei Patienten mit bekannter QT-Intervall-Verlängerung oder angeborenem Long-QT-Syndrom kontraindiziert. Eine weitere Kontraindikation betrifft die gleichzeitige Anwendung von Citalopram mit anderen Arzneimitteln, die bekanntermaßen das QT-Intervall verlängern. Es wurde weiterhin empfohlen, die Maximaldosis von Citalopram auf 40 mg sowie bei älteren Patienten und Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion auf 20 mg zu begrenzen.

In den Fachinformationen der pharmazeutischen Unternehmer Citalopram-haltiger Arzneimittel finden sich diese wichtigen Informationen jedoch teilweise bis heute nicht [Stand 10. April 2012, z. B. 3, 4]. Die Fachinformation des Originalherstellers Lundbeck GmbH wurde beispielsweise erst kürzlich, Ende März 2012, überarbeitet [5]. Das BfArM lässt nun bis zum 10. Mai 2012 alle Produktinformationen ändern [1]. Hier sollen dann die Ergänzungen enthalten sein, die bereits vor fünf Monaten im Rote-Hand-Brief angekündigt und zur Überarbeitung geplant waren (Zitat aus dem Rote-Hand-Brief: "Die Produktinformationen von Cipramil® sowie die Produktinformationen seiner Generika werden überarbeitet, um Informationen über das Risiko einer QT-Intervall-Verlängerung und die folgenden neuen Dosierungshinweise und Anwendungsempfehlungen aufzunehmen: […]".).

Die im Handel befindlichen Citalopram-haltigen Präparate der Wirkstoffstärke 60 mg, für die bereits im Oktober 2011 gemäß PhVWP ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis bestand, sollten nicht mehr weiter verordnet werden, sind zurzeit aber immer noch verfügbar. Laut Stufenplanbescheid wird die Zulassung dieser Präparate nun zum 30. April 2012 widerrufen [1], damit wird eine Marktrücknahme erst sechs Monate nach Veröffentlichung des Rote-Hand-Briefes erfolgen.

Es muss aufgrund der relevanten unerwünschten Arzneimittelwirkung und der großen Anzahl behandelter Patienten die kritische Frage gestellt werden, weshalb die Reaktionen, also die Änderungen der Fachinformationen und auch die Marktrücknahme der 60-mg-Wirkstoffstärke, nur verzögert erfolgen. Das hohe Verordnungsvolumen des Antidepressivums, welches laut Arzneiverordnungs-Report in Deutschland für 2010 bei 288,8 Millionen Tagesdosen liegt [6], regt zumindest zum Nachdenken an.

Zum Vergleich: Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hatte bereits am 24. August 2011 auf das potenzielle Risiko einer QT-Intervallverlängerung aufmerksam gemacht und eine Änderung der Fachinformation erwirkt (kontraindiziert bei angeborenem Long-QT-Syndrom, Maximaldosis 40 mg bzw. 20 mg bei älteren und leberinsuffizienten Patienten). Sie veröffentlichte nun (am 27. März 2012) die Information, dass Citalopram in den USA doch nicht mehr kontraindiziert bei kongenitalem Long-QT-Syndrom ist, sondern den Status "nicht empfohlen" trägt [7]. Bei den Dosierungen ruderte sie allerdings nicht zurück: Die maximale Tagesdosierung liegt weiterhin bei 40 bzw. 20 mg.

[1] BfArM Stufenplanverfahren: Citalopram: Dosisabhängige QT-Intervall-Verlängerung: Ergänzungen in den Produktinformationen, Negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis der 60 mg-Stärke; http://www.bfarm.de/DE/Pharmakovigilanz/stufenplanverf/Liste/stp-citalopram.html

Apothekerin Dr. Verena Stahl
Engelsburgstr. 33
44575 Castrop-Rauxel

DAZ 2012, Nr. 15, S. 34

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