Arzneimittel und Therapie

Bevacizumab bei Brustkrebs

Neoadjuvante Gabe verbessert die Remissionsrate

Durch die präoperative Gabe von Bevacizumab (Avastin®) konnte die pathologische Remissionsrate bei Frauen mit einem frühen Mammakarzinom verbessert werden. Mögliche Auswirkungen auf das Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht abzuschätzen.

In Deutschland ist der Angiogenese-Hemmer Bevacizumab zur Therapie unterschiedlicher metastasierter Tumorerkrankungen (Kolon- und Rektumkarzinom, Brustkrebs, Bronchialkarzinom, Nierenzellkarzinom, Ovarialkarzinom) zugelassen. Sein Einsatz beim metastasierten Mammakarzinom wird unterschiedlich beurteilt. So entzog in den USA die FDA im vergangenen Jahr die Zulassung für diese Indikation (siehe DAZ 47, 2011, S. 59).

Einige Studien beschäftigen sich derzeit mit der neoadjuvanten Gabe von Bevacizumab, so auch zwei aktuelle randomisierte Studien aus Deutschland und den USA. Durch die neoadjuvante Gabe von Bevacizumab soll der Tumor vor dem chirurgischen Eingriff verkleinert und eine verbesserte pathologische Remission erzielt werden. Bei den zwei Studien handelt es sich um

  • die GBG44-Studie (GeparQuinto-Studie der German Breast Group und Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie-Breast Study Group; ClinicalTrials.gov Nr. 00567554) und um

  • die NSABP B-40-Studie (National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project; ClinicalTrials.gov Nr. 00408408)

In beiden Studien wurden ein oder mehrere Chemotherapie-Schema mit oder ohne den Zusatz von Bevacizumab miteinander verglichen. Der primäre Studienendpunkt war die Rate der pathologischen kompletten Remission (pCR). Diese war in der GBG44-Studie als Abwesenheit invasiver und intraductaler Krebszellen in der Brust und in den axillären Lymphknoten, in der NSABP-B-40-Studie als Abwesenheit invasiver und intraductaler Krebszellen in der Brust definiert.

Die GBG44-Studie

In dieser Studie wurden 1948 Patientinnen mit HER2-negativem Tumor zu einer neoadjuvanten Chemotherapie (Epirubicin und Cyclophosphamid gefolgt von Taxotere; EC-T-Arm) mit oder ohne Bevacizumab randomisiert.

Die Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) betrug 14,9% für den EC-T-Arm und 18,4% im Arm mit zusätzlicher Bevacizumab-Gabe (odds ratio für den Bevacizumab-Arm 1,29; 95% Konfidenzintervall 1,02 bis 1,65; p = 0,04).

In einer Subgruppe mit 663 triple-negativen Patientinnen zeigte sich ein signifikanter Effekt: Die pCR-Rate konnte durch Bevacizumab von 27,9% auf 39,3% gesteigert werden (p = 0,003).

Eine brusterhaltende Therapie konnte in beiden Gruppen gleich häufig durchgeführt werden (bei 66,6% der betroffenen Frauen). Unter der Kombinationstherapie traten häufiger Grad-3- oder -4-Nebenwirkungen wie Mukositis, febrile Neutropenie, Hand-Fuß-Syndrom und Bluthochdruck auf.

Die NSABP-B-40-Studie

Diese Studie mit 1206 Brustkrebspatientinnen verglich neoadjuvant Docetaxel gefolgt von Doxorubicin plus Cyclophosphamid als Standardregime mit demselben Regime unter Einschluss von Capecitabin oder Gemcitabin. Eine zweite Randomisierung erfolgte zu Bevacizumab oder zu einer Kontrollgruppe, wobei Bevacizumab parallel zu Docetaxel und während der ersten beiden Zyklen Doxorubicin plus Cyclophosphamid verabreicht wurde. Während durch die Intensivierung der Chemotherapie keine Verbesserung der Rate an pathologisch kompletten Remissionen erreicht werden konnte, fand sich in der Bevacizumab-Gruppe eine signifikant höhere pCR-Rate (34,5% vs. 28,2%; p = 0,02). Eine Subgruppen-Analyse zeigte, dass dieser Effekt besonders bei den Hormonrezeptor-positiven Frauen auftrat (23,2% mit Bevacizumab vs. 15,1% ohne Bevacizumab; p = 0,007). Unter der Kombinationstherapie traten häufiger Bluthochdruck, Mukositis, Hand-Fuß-Syndrom sowie linksventrikuläre systolische Dysfunktionen auf.

Kommentatoren der Studie können die Frage nach dem Benefit einer neoadjuvanten Gabe von Bevacizumab nicht definitiv beantworten, da Daten zum Einfluss auf das Gesamtüberleben noch fehlen. Ebenfalls bleibt zu klären, wie zuverlässig der Surrogatparameter pathologische Komplettremission pCR den Verlauf einer Erkrankung bzw. das Ansprechen auf eine Therapie voraussagen kann.

Glossar


neoadjuvante Chemotherapie: Chemotherapie vor dem operativen Eingriff; sie wird durchgeführt, um das Ansprechen einer Therapie möglichst frühzeitig zu erkennen und um die Rate brusterhaltender Operationen zu erhöhen.

pCR-Rate (pathologische komplette Remissionsrate): gibt Auskunft über den Nachweis von Tumorzellen im untersuchten Gewebe. Eine pathologische komplette Remission liegt vor, wenn keine Tumorzellen nachweisbar sind. Derzeit wird diskutiert, ob die pCR-Rate als Surrogatparameter betrachtet werden kann. Es gibt Hinweise, dass die pCR-Rate mit einer Verlängerung des Überlebens korreliert.

Surrogatparameter ("Ersatzmessgröße"): Surrogatparameter sind patientenrelevante Endpunkte in klinischen Studien, die durch eine bestimmte Intervention wie z. B. durch die Gabe eines Medikaments erreicht werden sollen. Sie spielen vor allem in der Onkologie eine Rolle, um die Wirksamkeit einer Therapie zu beurteilen.

triple negatives Mammakarzinom: rund 15% bis 20% aller Brustkrebserkrankungen gehören dieser Untergruppe an, die durch folgenden Merkmale gekennzeichnet ist: keine Estrogen- und keine Progesteron-Rezeptorexpression sowie eine fehlende HER2-Überexpression. Sie weisen hohe Proliferationsraten und ein aggressives biologisches Verhalten auf.


Quelle

Minckwitz G., et al.: Neoadjuvant chemotherapy and bevacizumab for HER2-negative breast cancer. NEJM 366, 299 – 309 (2012).

Bear H., et al.: Bevacizumab added to neoadjuvant chemotherapy for breast cancer. NEJM 366, 310 – 320 (2012).

Montero A., et al.: Fighting fire with fire: Rekindling the bevacizumab debate. NEJM 366, 374 – 375 (2012).


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 14, S. 62

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.