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Trauerspiel und Hoffnungsschimmer

Peter Ditzel

So ein Trauerspiel wie das Gerangel um die Abschaffung von Arzneimittel-Pick-up erlebt man selten. Nach einem hoffnungsvollen Start voller Zuversicht (der Wille, Pick up abzuschaffen, wurde im Koalitionsvertrag von Schwarz-gelb verankert) folgte bald der jähe Absturz. Zwei sogenannte Gutachten aus dem Justizministerium und Innenministerium nahmen schon bald die Hoffnung, ein Pick-up-Verbot könnte gerichtsfest und konform mit dem Verfassungsrecht durchgesetzt werden. Dennoch, die ABDA versuchte mit einem Königsweg, der unterhalb der Schwelle eines generellen Verbots verlaufen sollte, Pick up in den Griff zu bekommen. Man wollte § 24 der Apothekenbetriebsordnung, der das Betreiben von Rezeptsammelstellen einem Genehmigungsvorbehalt unterwirft, auf Pick-up-Stellen erweitern. Doch auch dagegen äußerte das Verfassungsressort weitreichende Bedenken. Die Idee, Pick-up-Stellen wie Rezeptsammelstellen zu behandeln, die genehmigt werden müssten, war damit gestorben.

Und dennoch, die ABDA signalisierte Hoffnung – oder war es Zweckoptimismus? Auf jeden Fall kam es nun zu einem neuen Treffen der ABDA-Spitze mit der Führung des Bundesgesundheitsministeriums. Die parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach hatte den ABDA-Präsidenten eingeladen, um über verschiedene Vorschläge zu diskutieren. Auseinander ging man ohne Ergebnis, außer: Man wolle weiter im Gespräch bleiben. Im Klartext: Die Lage ist hoffnungslos.

Mit dem Blick von außen zeigt sich folgende Lage: Die Politik will nicht wirklich. Dabei muss man gar nicht einzelnen Gesundheitspolitikern der Parteien absprechen, sich für ein Pick-up-Verbot einzusetzen oder einsetzen zu wollen. Aber eine wahrhaftige Herzensangelegenheit, dass es Pick up nicht mehr gibt, scheint es für keinen Politiker zu sein. Wäre dies so, hätte man schon längst eine Lösung gefunden. Man hätte führende Juristen hören können, Gutachten in Auftrag geben können, man hätte einen Mainstream erzeugen können, der die Beseitigung von Pick up als ein Muss herausstellt. Aber dafür ist dieses apothekereigene Thema sichtlich nicht wichtig genug. Dass ein paar Arzneimittel im Dro-Markt abgeholt werden – was verändert es die Welt? Zudem gibt es mittlerweile schon über 1000 dieser Stellen, die Menschen haben sich daran gewöhnt, empfinden es als nicht ungewöhnlich, und einige Apotheken betreiben jetzt sogar schon selbst eigene Pick-up-Stellen. Ich überlasse es Ihrer Phantasie und Ihrer Einschätzung, wie hoch da der Impetus für die Politik sein wird, sich für dieses Thema einzusetzen. Und trotzdem: Das damalige Urteil, mit dem ein Gericht die erste Pick-up-Stelle erlaubt hatte, war ein Sündenfall – mit Folgen.

Doch halt! Da steht noch die Novellierung des Arzneimittelrechts an. Die vier am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Bundesratsausschüsse gaben unlängst Empfehlungen im Zuge der Neufassung des Arzneimittelrechts ab. Und siehe da: Empfohlen wird, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten. Man traut seinen Augen nicht, woher kommt diese unerwartete Einsicht? Bereits vor vier Jahren hatten die Länder Bayern und Sachsen versucht, über den Bundesrat die Forderung nach einem Versandverbot für Rx zu beflügeln, allerdings ohne Erfolg. Wie es heißt, könnte dies eine Reaktion auf die vergeblichen Versuche sein, das beabsichtigte Pick-up-Verbot einzuführen. Aber auch da heißt es realistisch bleiben. Eine solche Forderung wird wohl ähnlich erfolgreich sein wie die nach der Abschaffung oder Halbierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. Aber es soll ja auch Menschen geben, denen Schattenboxen Spaß macht.

Wirklichkeitsnäher ist da schon der Vorschlag der Bundesratsausschüsse, den Apothekerberuf neu zu definieren und die Bundesapothekerordnung zu aktualisieren. Laut Empfehlung der Ausschüsse ist die aus dem Jahr 1989 stammende Definition nicht mehr zeitgemäß. Sie beschreibt die apothekerberufliche Tätigkeit als "Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung ‚Apotheker’ oder ‚Apothekerin’". Zum einen entspreche dies nicht mehr den heutigen Anforderungen an den Apothekerberuf, zum anderen werde die apothekerliche Verantwortung als Arzneimittelexperte und freier Heilberuf schon lange nicht mehr nur in der Apotheke wahrgenommen, sondern auch außerhalb der Apotheken in den verschiedenen Funktionen. Dem ist nur zuzustimmen. Das zeitgemäße Berufsbild des Apothekers ist in seiner offiziellen Definition an die Bedingungen und Erfordernisse anzupassen, die die Gesellschaft von diesem Beruf erwartet: der Apotheker als Experte und Berater für Arzneimittel, für die Optimierung und das Management der Arzneimitteltherapie, für die Klinische Pharmazie, der Apotheker nicht nur in einer Apotheke, sondern in vielfältigen Arbeitsbereichen. Das könnte bei allem Trauerspiel um Pick up und Co. ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft sein.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 13, S. 3

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