Interpharm 2012

AMNOG und die Folgen

Situation und Konsequenzen für Apotheken

Die Folgen des AMNOG bleiben das zentrale Thema für die wirtschaftliche Situation der Apotheken. Wie stark die Apotheken betroffen sind und wie vielfältig die Konsequenzen sind, machten die Steuerberater Doris Zur Mühlen und Axel Witte, beide Essen, bei der Wirtschafts-Interpharm deutlich. Sie zeigten Daten über die Ergebnisse des Apothekenbetriebs, stellten aber auch die Konsequenzen für die Zukunft und die Verkäuflichkeit von Apotheken dar. Trotz vieler Probleme sieht Witte gute Zukunftschancen für strategisch gut geführte Apotheken.

Doris Zur Mühlen

Durch unsichere Grundlagen wie insbesondere den noch immer ungeklärten Kassenabschlag für 2009 und 2010 fehlt den Apotheken die Basis für unternehmerische Entscheidungen über Kauf, Verlegung oder Schließung, kritisierte Zur Mühlen. Inzwischen ermittelt seien allerdings die Belastungen durch die erste Stufe des AMNOG von 2011. Allein der erhöhte Kassenabschlag habe den Rohertrag einer typischen Apotheke gegenüber dem Vorjahr um 6000 bis 7000 Euro gesenkt. Veränderte Großhandelskonditionen als direkte oder indirekte Folge der Neuregelungen im AMNOG hätten eine Apotheke mit einem Umsatz von etwa 1,5 Millionen Euro typischerweise mit weiteren 4000 bis 6000 Euro belastet, so Zur Mühlen. Vertreter des Großhandels merkten dazu an, dass der Großhandel aufgrund der Wettbewerbssituation nur einen Teil seiner AMNOG-Belastungen habe weitergeben können. Die Belastungen der Apotheken müssten daher auch andere Gründe haben.

Zur Mühlen konstatierte jedoch eine hohe Gesamtbelastung: Nach Daten der Steuerberatungsgesellschaft RST, Essen, habe sich der Wareneinsatz der Apotheken im Jahr 2011 um 0,6 bis 0,8 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr erhöht. Dies schlage zumeist voll auf den Gewinn durch, weil die Möglichkeiten zur Kostenoptimierung bereits nach früheren belastenden Reformen ausgeschöpft worden seien. Daher steige die Zahl der Sanierungsfälle. Zur Mühlen erwarte eine weitere "Marktbereinigung", also die Schließung von Apotheken.

Trend zur Größe

Der Wareneinsatz sei von 2000 bis 2011 in nur 11 Jahren ebenso stark gestiegen wie in den 30 Jahren zuvor. Die Schmerzgrenze sei erreicht, aber es gebe weiterhin eine große Spreizung des Wareneinsatzes und des Gewinns, so Zur Mühlen. Über 50 Prozent der Apotheken hätten 2011 einen Wareneinsatz von über 75 Prozent des Umsatzes geleistet. Der Gewinn habe nur noch bei 47,1 Prozent der Apotheken über 7 Prozent vom Umsatz betragen, im Jahr zuvor seien es noch 59,1 Prozent gewesen, so die Daten der RST.


"Hören Sie auf zu arbeiten. Denken Sie mehr."

Dipl.-Kfm. Axel Witte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Essen



Axel Witte

AMNOG Stufe 2

Die zweite Stufe des AMNOG seit Beginn des Jahres 2012 habe den Rohertrag weiter gesenkt, erklärte Witte. Die Gewinnmarge gehe als Ergebnis der zahlreichen Reformen immer weiter zurück. Um einen akzeptablen und für einen nachhaltigen Betrieb nötigen Gewinn von mindestens 80.000 Euro zu erzielen, müssten Apotheken daher immer größer werden. Witte ließ die Frage offen, wohin dieser Trend führen solle.

Wegen der Änderung der Preisbildung auf der Großhandelsstufe sei der Großhandel jetzt am Verkauf vieler preisgünstiger Packungen interessiert und habe entsprechend mengenorientierte Bonus-Malus-Modelle konstruiert. Nach Einschätzung von Witte sollten Nebenleistungen in die reguläre Kalkulation eingehen. Vertreter des Großhandels merkten dazu jedoch kritisch an, für zusätzliche Leistungen und besonderen Service sollten auch zusätzliche Gebühren erhoben werden.

Witte erklärte, Apotheken mit guter Liquidität könnten sich nach der Verringerung der Rabatte durch frühzeitige Bezahlung immerhin günstige Skontobedingungen sichern. Doch eine typische Apotheke werde durch verschlechterte Konditionen im Zuge der zweiten Stufe des AMNOG im schlimmsten Fall mit weiteren 13.000 Euro belastet, erwartet Witte. Er gehe davon aus, dass dieser schlimmste angenommene Fall allzu oft eintreten werde. Witte betonte die Bedeutung von Konditionenvereinbarungen, die systematisch vorbereitet werden sollten. Außerdem sollten die ausgehandelten Konditionen durch ein wirksames Einkaufscontrolling überprüft und durchgesetzt werden.

Apotheken entwertet

Die aufgeführten Belastungen für Apotheken würden auch die Veräußerbarkeit und die erzielbaren Verkaufspreise deutlich beeinflussen, erklärte Witte. Denn der letztlich relevante Ertragswert ist ein abgezinster Zukunftsertrag, der mit den künftigen Gewinnerwartungen sinkt. Anhand eines realitätsnahen Beispiels zeigte Witte, wie der Wert einer Apotheke innerhalb von fünf Jahren halbiert wurde.

Ideen statt AMNOG

Trotz dieser vielen Belastungen sieht Witte "Riesenchancen" für gut geführte Apotheken. Apotheker sollten nicht nur arbeiten, sondern sich auch Zeit für strategisches Denken nehmen. Es gebe durchaus Apotheken, denen es gut gehe. Apotheker sollten sich an den Besten orientieren. Sie sollten ermitteln, wie sie von welchen Neuerungen betroffen sind, eine Geldverwendungsrechnung machen, die Wettbewerbssituation analysieren, ihren Standort hinterfragen und diesen nötigenfalls verlegen. Es gehe darum, den eigenen Marktanteil zu vergrößern. Witte appellierte an die Apotheker, nicht zu jammern, sondern das AMNOG durch eigene Ideen auszugleichen.


tmb


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DAZ 2012, Nr. 11, S. 70

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