Arzneimittel und Therapie

Vemurafenib bei Hautkrebs

Gesamt- und progressionsfreies Überleben bei Mutation-positivem Tumorstatus verlängert

Der BRAF-Inhibitor Vemurafenib (Zelboraf®) wurde am 17. Februar 2012 europaweit für die Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit einem nicht-resezierbaren oder metastasierten Melanom und einer BRAF-V600-Mutation zugelassen.
Zelboraf®

Wie die Referenten auf der Zulassungs-Pressekonferenz am 23. Februar in Berlin betonten, ist Vemurafenib seit drei Jahrzehnten die erste neue Option für Patienten mit fortgeschrittenem malignen Melanom in der Primärtherapie. Vemurafenib wird gemeinsam von Roche und Plexxikon, einem Unternehmen der Daiichi Sankyo Gruppe, entwickelt und auch in Kombination mit anderen Wirkstoffen und bei weiteren Tumorarten geprüft.

Hemmung von BRAF

Vemurafenib ist ein Serin-Threonin-Kinaseinhibitor, der oral verabreicht wird und selektiv die mutierte BRAF-V600-Kinase hemmt. Dieses BRAF-Protein ist ein wichtiger Bestandteil des RAS-MAP-Kinase-Signaltransduktionswegs, der am normalen Wachstum und Überleben der Zellen beteiligt ist und unter anderem Zellproliferation und Apoptose steuert. Mutationen des BRAF-Gens, die das Valin an der Aminosäureposition 600 ersetzen, führen zu einer konstitutiven Aktivierung des BRAF-Proteins, was die Zellproliferation in Abwesenheit der für die Proliferation normalerweise notwendigen Wachstumsfaktoren auslösen kann.

Verschiedene solide Tumoren weisen eine derartige aktivierende Mutation von BRAF auf, die zu einer verstärkten Signalweiterleitung und letztlich zu einer unregulierten Zellproliferation führt. Beim fortgeschrittenen Melanom kommt diese Mutation bei rund 50% der Patienten vor.

Bevor mit der Anwendung von Vemurafenib begonnen wird, muss bei den Patienten ein durch einen validierten Test bestätigter BRAF-V600 Mutation-positiver Tumorstatus vorliegen.


Vemurafenib

Zweimal tägliche Einnahme

Die empfohlene Dosis von Vemurafenib beträgt 960 mg (vier Tabletten à 240 mg) zweimal täglich (entsprechend einer Tagesgesamtdosis von 1920 mg). Die erste Dosis muss morgens eingenommen werden und die zweite Dosis abends, ungefähr zwölf Stunden später. Jede Dosis muss morgens/abends auf die gleiche Weise, entweder zu oder zwischen den Mahlzeiten, eingenommen werden.

Vemurafenib wird mit einer medianen Tmax von ungefähr vier Stunden resorbiert. CYP3A4 ist in vitro das für den Metabolismus von Vemurafenib primär verantwortliche Enzym. Der größte Teil von Vemurafenib wird über die Leber eliminiert. Die geschätzte Eliminationshalbwertszeit beträgt 51,6 Stunden. Der Hauptteil (94%) wird über die Fäzes und weniger als 1% über den Urin ausgeschieden.

Nebenwirkungen an der Haut

Zu den sehr häufigen Nebenwirkungen zählen Plattenepithelkarzinom der Haut, seborrhoische Keratose, Hautpapillom; verminderter Appetit, Kopfschmerzen, Dysgeusie; Husten; Diarrhö, Erbrechen, Übelkeit, Obstipation; Lichtempfindlichkeitsreaktionen, aktinische Keratose, Ausschlag, makulopapulöser Ausschlag, papulöser Ausschlag, Pruritus, Hyperkeratose, Erythem, Alopezie, trockene Haut, Sonnenbrand; Arthralgie, Myalgie, Schmerzen in den Extremitäten, Schmerzen des Bewegungsapparates, Rückenschmerzen; Abgeschlagenheit, Pyrexie, periphere Ödeme, Asthenie; gamma-GT-Anstieg.

Schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen, darunter Anaphylaxie, sind in Verbindung mit Vemurafenib berichtet worden. Bei Patienten mit schweren Überempfindlichkeitsreaktionen sollte die Behandlung mit Vemurafenib dauerhaft abgebrochen werden. Ebenso sollte bei Patienten, bei denen eine schwere dermatologische Nebenwirkung auftritt, die Behandlung mit Vemurafenib dauerhaft abgebrochen werden.

Verdächtige Hautläsionen sollten operativ entfernt, zur dermatopathologischen Untersuchung eingeschickt und nach lokalem Pflegestandard behandelt werden.

Bei Patienten, die Vemurafenib in klinischen Studien erhielten, wurde leichte bis schwere Lichtempfindlichkeit berichtet. Während der Einnahme des Arzneimittels sollen Patienten schützende Kleidung tragen und eine Sonnencreme mit hohem UV-A/UV-B-Lichtschutzfaktor sowie einen Lippenschutz (Lichtschutzfaktor ≥ 30) verwenden. Bei nicht tolerierbarer oder höherer Lichtempfindlichkeit werden Dosisanpassungen empfohlen.

Vemurafenib kann die Plasmaverfügbarkeit von vorwiegend über CYP1A2 metabolisierten Arzneimitteln erhöhen und die von vorwiegend über CYP3A4 metabolisierten Arzneimitteln, einschließlich oraler Kontrazeptiva, verringern. Für derartige Arzneimittel sollten vor der gleichzeitigen Behandlung mit Vemurafenib Dosisanpassungen in Betracht gezogen werden.


Vemurafenib


Handelsname: Zelboraf

Hersteller: Roche, Grenzach-Whylen

Einführungsdatum: 22. Februar 2012

Zusammensetzung: 1 Tablette enthält 240 mg Vemurafenib. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Croscarmellose-Natrium, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat, Hyprolose. Filmüberzug: Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E 171), Macrogol 3350, Talkum, Eisen(III)-oxid (E 172).

Packungsgrößen, Preise und PZN: 56 Tabletten (N1), 2310,- Euro PZN: 9233438

Stoffklasse: Zytostatika, antineoplastische Mittel; Proteinkinase-Inhibitor. ATC-Code: L01XE15.

Indikation: Zur Monotherapie für erwachsene Patienten mit BRAF-V600 Mutation-positivem nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom

Dosierung: 960 mg (vier Tabletten à 240 mg) zweimal täglich, entsprechend einer Tagesgesamtdosis von 1920 mg). Jede Dosis muss morgens/abends auf die gleiche Weise, d. h. entweder zu oder zwischen den Mahlzeiten, eingenommen werden.

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Nebenwirkungen: Sehr häufig: Plattenepithelkarzinom der Haut, seborrhoische Keratose, Hautpapillom; verminderter Appetit; Kopfschmerzen, Dysgeusie; Husten; Diarrhö, Erbrechen, Übelkeit, Obstipation; Lichtempfindlichkeitsreaktionen, aktinische Keratose, Ausschlag, makulopapulöser Ausschlag, papulöser Ausschlag, Pruritus, Hyperkeratose, Erythem, Alopezie, trockene Haut, Sonnenbrand; Arthralgie, Myalgie, Schmerzen in den Extremitäten, Schmerzen des Bewegungsapparates, Rückenschmerzen; Abgeschlagenheit, Pyrexie, periphere deme, Asthenie; gamma-GT-Anstieg. Häufig: Follikulitis; Basalzellkarzinom; Lähmung des Nervus Facialis; Uveitis; palmar-plantares Erythrodysästhesie-Syndrom, Erythema nodosum, Keratosis pilaris; Arthritis; Anstieg der ALT, Anstieg der alkalischen Phosphatase, Anstieg des Bilirubins, Gewichtsabnahme.

Wechselwirkungen: Vemurafenib kann die Plasmaverfügbarkeit von vorwiegend über CYP1A2 metabolisierten Arzneimitteln erhöhen und die von vorwiegend über CYP3A4 metabolisierten Arzneimitteln, einschließlich oraler Kontrazeptiva, verringern. Die Pharmakokinetik von Vemurafenib kann durch Arzneimittel, die P-Glykoprotein (P-gp) beeinflussen, beeinträchtigt werden. Nach Beendigung der Behandlung mit Vemurafenib kann eine Auswaschzeit von mindestens acht Tagen nötig sein, um Wechselwirkungen mit einer nachfolgenden Behandlung zu vermeiden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen, darunter Anaphylaxie, sind in Verbindung mit Vemurafenib berichtet worden. Bei Patienten, bei denen eine schwere dermatologische Nebenwirkung auftritt, sollte die Behandlung mit Vemurafenib dauerhaft abgebrochen werden. Verdächtige Hautläsionen sollten operativ entfernt werden. Eine Behandlung wird nicht empfohlen bei Patienten mit nicht behebbaren Störungen des Elektrolythaushalts, Long-QT-Syndrom oder bei Patienten, die Arzneimittel einnehmen, die bekanntermaßen das QT-Intervall verlängern; vor einer Behandlung mit Vemurafenib, nach einem Monat der Behandlung und nach einer Dosisänderung müssen bei allen Patienten Elektrokardiogramm (EKG) und Elektrolyte überwacht werden. Leberenzyme und Bilirubin sollen vor Behandlungsbeginn und während der Behandlung regelmäßig überwacht werden. Während der Einnahme sollten Patienten schützende Kleidung tragen und eine Sonnencreme mit hohem UV-A/UV-B-Lichtschutzfaktor sowie einen Lippenschutz (Lichtschutzfaktor ≥ 30) verwenden.

Tumorremission und Lebensverlängerung

Vemurafenib kann das Überleben bei schwer kranken Patienten mit metastasierendem Melanom verglichen mit einer Chemotherapie mit Dacarbazin, der derzeitigen Standardtherapie, signifikant verlängern. Vemurafenib führt zu einer schnellen Tumorremission und verbessert das progressionsfreie und das Gesamtüberleben.

Die Zulassung von Vemurafenib basiert auf den Ergebnissen der randomisierten, offenen, kontrollierten und multizentrischen Phase-III-Studie BRIM-3 (BRAF Inhibitor in Melanoma). Darin waren europaweit 675 Patienten mit nicht vorbehandeltem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Melanom Stadium IIIC/IV eingeschlossen. Sie hatten ein für die BRAF-V600-Mutation positives, nicht operiertes, lokal fortgeschrittenes oder metastasierendes Melanom.

Nach sechs Monaten Monotherapie mit Vemurafenib (2 x täglich 960 mg oral; n = 337) lebten in der BRAF-Inhibitor-Gruppe noch 84% der Patienten, während in der Gruppe der Patienten, die mit einer herkömmlichen Standard-Chemotherapie mit Dacarbazin behandelt wurden, nur noch 64% der Patienten lebten (1000 mg/m2 i.v. alle drei Wochen; n = 338).

In der vorgegebenen Zwischenanalyse der Phase-III-Studie BRIM-3 wurde das Sterberisiko für Patienten, die Vemurafenib erhielten, verglichen mit den Patienten unter Erstlinien-Standardtherapie um 63% verringert (Hazard Ratio [HR] = 0,37, p < 0,001). Außerdem reduzierte Vemurafenib signifikant das Risiko für das Fortschreiten der Erkrankung (progressionsfreies Überleben) um 74% verglichen mit Chemotherapie (HR = 0,26, p < 0,0001) und ließ den Tumor erheblich schrumpfen: Die Ansprechrate (alle Patienten, bei denen der Tumor schrumpfte) bei den Patienten, die Vemurafenib erhielten (48%), war fast neunmal so hoch wie in der Chemotherapie-Gruppe (6%, p < 0,0001). Nach sechs Monaten lebten noch 84% der Patienten, die Vemurafenib erhielten, verglichen mit 64% der Patienten unter Chemotherapie.

In einer Post-hoc-Analyse der BRIM-3-Daten mit längerer Nachbeobachtung, einschließlich des Wechsels von Patienten aus der Placebo- in die Vemurafenib-Gruppe, verlängerte Vemurafenib signifikant das Überleben, verglichen mit der Erstlinien-Standardtherapie: Das mediane Gesamtüberleben betrug mit Vemurafenib 13,2 Monate gegenüber 9,6 Monaten für die Chemotherapie (HR = 0,62).

Vemurafenib verlängerte zudem ebenfalls signifikant das progressionsfreie Überleben von median 1,6 auf 5,3 Monate, was einer relativen Risikoreduktion von 74% entspricht (HR = 0,26; 95%-KI 0,20 bis 0,33; p < 0,001). Die Ansprechrate lag bei Patienten im Vemurafenib-Arm bei 48% und damit rund neunmal höher als im Chemotherapie-Arm (6%, p < 0,001).

Schnelles Ansprechen

Die Wirkung des BRAF-Inhibitors wird rasch sichtbar. In aller Regel schrumpfen die Tumoren bereits nach ein bis zwei Wochen. Die Metastasen werden kleiner, und Patienten, die zuvor tumorassoziierte Symptome hatten, werden praktisch beschwerdefrei. Allerdings ist derzeit noch unklar, wie lange dieser Effekt anhält, wie schnell und in welchem Ausmaß die Tumorzellen gegen den neuen Wirkstoff resistent werden und dann diese Therapie ebenfalls versagt.

Die häufigsten Nebenwirkungen unter Vemurafenib sind das Auftreten von Hautläsionen (z. B. Keratoakanthome, Plattenepithelkarzinome), die in der Regel mittels einer chirurgischen Exzision entfernt werden können, Hautausschlag, Gelenkschmerzen sowie Müdigkeit und Überempfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht.

Behandlung nur nach genetischem Test

Eine Behandlung mit Vemurafenib ist nur bei Patienten mit der aktivierenden Mutation von BRAF sinnvoll. Zur Beurteilung kann das mutierte Protein mit einem BRAF-V600-Mutationstest nachgewiesen werden. Bei den Zulassungsstudien erfolgte die Testung mit einem Real-Time-PCR-Test Cobas 4800 BRAF von Roche Diagnostics. Das cobas® BRAF Mutation kit ist das einzige klinisch validierte BRAF Testverfahren, welches von der FDA zugelassen wurde und durch ein CE-IVD Qualitätssiegel ausgezeichnet ist.

Angesichts der neuen Therapieoption mit Vemurafenib sollte ab sofort jeder Patient mit einem malignen Melanom zum Zeitpunkt der Diagnose zuverlässig, reproduzierbar und schnell auf BRAF-V600-Mutationen getestet werden.


Quelle
Chapman, P. et al.: Improved survival with vemurafenib in melanoma with BRAF V600E mutation. N Engl J Med (2011) 364: 2507 – 2516.

Fachinformation Zelboraf®, Stand Februar 2012.


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DAZ 2012, Nr. 10, S. 46

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