Arzneimittel und Therapie

Eribulin zur Therapie des Mammakarzinoms

Relativierter Überlebensvorteil

Seit Anfang 2011 ist Eribulin (Halaven®) zur Therapie des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinoms zugelassen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AdkÄ) bewertete den Arzneistoff im Oktober 2011. Zwar werde in der Mono-Chemotherapie eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens beobachtet, die höhere Toxizität von Eribulin im Vergleich zu den Kontrollen relativiert diesen Vorteil jedoch.

Eribulin ist ein synthetisches Analogon von Halichondrin B, einem natürlichen Produkt aus dem Meeresschwamm Halichondria okadai. Eribulin ist ein Spindelgift und hemmt die Wachstumsphase der Mikrotubuli. Es unterscheidet sich in seinem Wirkmechanismus von anderen antimitotischen Substanzen wie etwa Taxanen oder Vincaalkaloiden.

Eribulin ist zur Therapie des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Mammakarzinoms zugelassen. Voraussetzung ist eine Progression der Erkrankung nach mindestens zwei Chemotherapien. Die Vortherapien sollen ein Anthrazyklin und ein Taxan enthalten haben, es sei denn, diese Behandlungen waren für den Patienten ungeeignet.

Bewertung durch die AkdÄ

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) hat die Informationen zu Eribulin zusammengetragen und bewertet. Eine Grundlage dieser Bewertung war die EMRACE-Studie, an der knapp 700 Frauen mit lokal rezidivierendem oder metastasiertem und bereits mehrfach therapiertem Mammakarzinom teilgenommen hatten. Ein Teil der Patientinnen hatte Eribulin erhalten, der andere Teil eine Therapie nach Wahl des Arztes TPC (TPC = Treatment of Physicians Choice). Der primäre Studienendpunkt war das Gesamtüberleben. Die Ein-Jahres-Überlebensrate lag unter der Therapie mit Eribulin bei 53,9% vs. 43,7% unter TPC. Eribulin führte im Vergleich zu einer Therapie nach Wahl des Arztes zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens um 2,5 Monate. Unerwünschte Wirkungen des Schweregrades 4 wie Neutropenien traten bei 24% der Patienten in der Eribulin-Gruppe und bei 7% in der Kontroll-Gruppe auf.

An weiteren Daten führt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ausführliche Studienangaben sowie pharmakologische Parameter auf, geht auf die unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Interaktionen, Kontraindikationen, Warnhinweise, die Anwendung bei besonderen Patientengruppen sowie Dosierung und Kosten ein. Unter Berücksichtigung dieser Daten kommt sie zu folgender Bewertung:

"In einer Phase-III-Studie wurde gezeigt, dass Eribulin im Vergleich zu einer Therapie nach Wahl des Arztes (TPC) zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) von Patientinnen mit fortgeschrittener Brustkrebserkrankung um 2,5 Monate führte. Die höhere Toxizität von Eribulin im Vergleich zu den Kontrollen sowie das Fehlen valider Daten zur Verbesserung der Lebensqualität relativieren aber den Überlebensvorteil. Die Abhängigkeit der Wirksamkeit vom Rezeptorstatus ist nicht untersucht."

Aktueller Streit um die Bewertung

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen weitere Fachkreise. So kann etwa das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) keine Belege für einen Zusatznutzen von Eribulin in der Krebstherapie finden. Laut IQWiG gibt es keinen Überlebensvorteil durch Eribulin für Patientinnen, wenn eine Therapie mit Taxanen oder Anthrazyklinen möglich wäre. Es gebe allerdings einen Anhaltspunkt für eine Lebensverlängerung, wenn Taxane oder Anthrazykline nicht mehr infrage kommen. Die Bewertung durch das IQWiG wurde vom Halaven® -Hersteller Eisai GmbH mit "Überraschung und Unverständnis" zur Kenntnis genommen. Nach Ende des Stellungnahmeverfahrens wird der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) voraussichtlich im April 2012 abschließend über den Zusatznutzen von Eribulin entscheiden.

Eine ähnliche Aufrechnung von Nutzen und Risiko wie das IQWiG hatte auch die britische Bewertungsbehörde NICE (National Institute für Health and Clinical Excellence) im November vergangenen Jahres vorgenommen und sich dann gegen das Mittel entschieden.

In den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) von 2011 wird der Einsatz von Eribulin beim metastasierten Mammakarzinom mit +/- bewertet. Diese Bewertung bedeutet, dass eine therapeutische Intervention keinen Vorteil zeigt, aber in individuellen Fällen durchgeführt werden kann; dem gegenwärtigen Wissen zufolge wird aber derzeit keine allgemeine Empfehlung ausgesprochen.


Quelle
www.akdae.de (Zugriff 2. März 2012).

www.g-ba.de (Zugriff 2. März 2012).

www.iqwig.de (Zugriff 2. März 2012).

www.nice.org.uk (Zugriff 2. März 2012).

www.ago-online.de (Zugriff 2. März 2012).


Informationsbrief zu Halaven® (Eribulin): Gefahr von Dosierungsfehlern. Eisai GmbH vom 29. Februar 2012.



Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2012, Nr. 10, S. 56

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