Arzneimittel und Therapie

Risiken von Hypnotika nicht unterschätzen

Erhöhtes Sterbe- und Krebsrisiko unter Schlafmitteln?

Eine Koinzidenz zwischen der Einnahme von Schlafmitteln und einem erhöhten Sterberisiko hatten bereits frühere Studien gezeigt. US-amerikanische Wissenschaftler haben jetzt die Daten von mehr als 10.500 Patienten ausgewertet, die über unterschiedliche Zeiträume unterschiedliche Mengen verschiedener Hypnotika erhalten hatten, und sie mit denen entsprechender Kontrollgruppen verglichen. Danach hatten die Patienten – abhängig von der Dosis – ein bis zu fünffach erhöhtes Sterberisiko. Auch das Risiko für eine Krebserkrankung war um 35% erhöht.

Nach Krankenkassenangaben leiden etwa vier Millionen Menschen in Deutschland an einer Schlafstörung. Damit sind rund 5% der Bevölkerung betroffen, so das Ergebnis der Techniker Krankenkasse (TK) für das Jahr 2010. Etwa 1,4 Millionen Menschen griffen zu Schlafmitteln, die Hälfte sei älter als 60 Jahre. Für viele Patienten seien sie allerdings das Mittel der Wahl, zu einem erholsamen Schlaf zu finden.

Studie zeigt Koinzidenz, aber keine Kausalität auf

Wissenschaftler vom Scripps Clinic Viterbi Family Sleep Center in Kalifornien (USA) haben im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie jetzt die Patientendaten eines US-Krankenversicherers von insgesamt mehr als 34.000 Personen aus den Jahren 2002 bis 2007 ausgewertet. Nach den Angaben der Autoren sollen 5 bis 10% der Erwachsenen im Jahr 2010 Schlaftabletten eingenommen haben. Bei mehr als 10.500 Probanden lag eine Verordnung von Schlaftabletten vor, nahezu 24.000 nahmen keine derartigen Mittel ein und dienten als Kontrollgruppe. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 54 Jahren. Die Daten der beiden Gruppen wurden dabei in Bezug auf Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), ethnische Herkunft und Risikofaktoren wie Rauchen oder Alkoholkonsum und zahlreiche weitere Parameter verglichen. Zu den erfassten Arzneimitteln zählten u. a. Zolpidem, Temazepam, Zaleplon, Benzodiazepine, Barbiturate und sedierende Antihistaminika.

Selbst bei einer Einnahme von Schlafmitteln an weniger als 18 Tagen im Jahr lag das Risiko in den kommenden zweieinhalb Jahren zu sterben um das 3,5-Fache höher als in der Kontrollgruppe. Mit der Häufigkeit der Schmerzmittel-Einnahme stieg auch das Sterberisiko der Probanden, so Kripke und Kollegen weiter. Bei einer Verschreibung von Schlafmitteln an 18 bis 132 Tagen im Jahr habe sich das Risiko zu sterben bereits vervierfacht und bei der Einnahme von Schlafmitteln an mehr als 132 Tagen im Jahr sogar verfünffacht. Dabei war laut Aussage der Forscher kein wesentlicher Unterschied zwischen den verschiedenen berücksichtigten Schlafmitteln zu beobachten. Selbst die modernen, angeblich besonders verträglichen Präparate wiesen ein deutlich erhöhtes Sterberisiko der Probanden auf. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung erhöhte sich um bis zu 35% bei den Patienten, die Schlafmittel zu sich nahmen.

Eine Kausalität zeigen die Ergebnisse jedoch nicht, zumal Schlafstörungen ein Symptom vieler schwerer Erkrankungen sind, räumen auch die Wissenschaftler ein. Auch war die Gruppe der Patienten, die Schlafmittel erhielten, mit relativem Risiko wesentlich häufiger chronisch krank und multimorbider als die Kontrollgruppe ohne zusätzliche Schlafmittel-Applikation. Trotz der beunruhigenden Ergebnisse sollte die mangelnde Aussagekraft zu Ursache und Wirkung einer retrospektiven Kohortenstudie beachtet werden. Dennoch "werfen die Ergebnisse wichtige Bedenken und Fragen über die Sicherheit von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten auf", so ein Kommentar der Fachzeitschrift zur Studie.


Quelle
Kripke, D.F.; et al.: Hypnotics‘ association with mortality or cancer: a matched cohort study. BMJ Open 2012; 2: doi:10.1136/ bmjopen-2012-000850; Online-Veröffentlichung vom 27. Februar 2012.



Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2012, Nr. 10, S. 54

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