DAZ aktuell

Arzneimittel sollen schneller zum Patienten kommen

EU-Transparenzrichtlinie wird überarbeitet

BERLIN/BRÜSSEL (ks). Die EU-Kommission will dafür sorgen, dass Arzneimittel in Europa schneller für die Patienten verfügbar sind. Während in Deutschland neue Arzneimittel und Generika umgehend nach ihrer Zulassung auf den Markt kommen, können in anderen EU-Staaten zuweilen Monate vergehen. Da jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden kann, ob er nach der Zulassung noch weitere Bewertungen vornehmen will, um die Erstattungsfrage zu klären, lässt sich hier auf europäischer Ebene nur bedingt eingreifen. Die EU kann aber die Grundlagen dafür schaffen, dass die Verfahren transparent ablaufen, um mögliche Handelshemmnisse zu unterbinden. Hierzu hat sie bereits im Jahr 1989 eine Transparenzrichtlinie für Arzneimittel beschlossen – diese soll nun aktualisiert werden.

Am 1. März hat die Europäische Kommission einen Vorschlag vorgelegt, wie die Entscheidungsverfahren für die Preisfestsetzung und Kostenerstattung von Arzneimitteln in den Mitgliedstaaten verschlankt und verkürzt werden können. Künftig sollen diese Entscheidungen bei innovativen Arzneimitteln in der Regel innerhalb von 120 Tagen getroffen werden. Dabei geht es um Fälle, in denen über den Preis zu entscheiden ist, bevor das Arzneimittel auf den Markt kommt. Hierzulande ist dies – auch nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – gerade nicht der Fall. Vielmehr ist das Arzneimittel schon vor der Entscheidung über den Erstattungsbetrag mit einem bestimmten Preis verfügbar. Im Fall von Generika will die Kommission die Frist gar von 180 auf 30 Tage verkürzen. Auch dies wird auf Deutschland keine praktische Auswirkungen haben. Die Generikaindustrie begrüßt die geplanten Änderungen jedoch mit Blick auf andere Länder. So blockieren beispielsweise in Portugal Patentstreitigkeiten den Markteintritt von mehreren Hundert generischen Substanzen. Nicht zuletzt schlägt die Kommission strenge Durchsetzungsmaßnahmen vor, die greifen sollen, wenn die Entscheidungsfristen von den Mitgliedstaaten überschritten werden.

Die neue Richtlinie soll ihre Vorgängerin aus dem Jahr 1989 ersetzen. Diese werde der erhöhten Komplexität der Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungsverfahren in den Mitgliedstaaten nicht mehr gerecht, so die Kommission. Antonio Tajani, Vizepräsident der Europäischen Kommission und zuständig für Industrie und Unternehmertum betonte: "Wir brauchen zügigere Entscheidungen über die Preisfestsetzung und Kostenerstattung von Arzneimitteln, damit der Markt dynamisch bleibt und sie für die Bürgerinnen und Bürger rascher erhältlich sind." Der Vorschlag werde für erhebliche Einsparungen bei den öffentlichen Gesundheitsausgaben sorgen und den Pharmaunternehmen zugleich ein berechenbareres und transparenteres Geschäftsumfeld bieten.

EU-Parlamentarier Liese will noch weiter gehen

Der Europaabgeordnete Dr. Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Christdemokraten im EU-Parlament, begrüßte die Vorschläge grundsätzlich: "Die bestehende Richtlinie wurde seit rund 20 Jahren nicht geändert, sodass eine Anpassung an den heutigen Arzneimittelmarkt sinnvoll und richtig ist, da sich inzwischen manche Faktoren grundlegend geändert haben." So seien die Kosten der Mitgliedstaaten für die Erstattung von Arzneimitteln in den vergangenen zwei Jahrzehnten dramatisch gestiegen – in der Folge hätten die Mitgliedstaaten komplexere Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungssysteme konzipiert.

Langfristig fordert Liese allerdings auch eine Harmonisierung der Arzneimittelpreise in der EU. Die gegenwärtige Situation sei "weder gerechtfertigt noch sozial". So lägen die Preise für die Behandlung mit lebensnotwendigen Medikamenten in Deutschland teilweise um 70 Prozent höher als in anderen Ländern. Die gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland finanzierten mit ihren Beiträgen somit "niedrige Arzneimittelpreise auch für Millionäre auch in anderen Ländern", so Liese. Durch eine Harmonisierung würde letztendlich auch die Pharmaindustrie entlastet, erklärt der EU-Parlamentarier weiter. Denn derzeit benötigten die Firmen ganze Stäbe von Mitarbeitern, um die unterschiedlichen Preisregulierungssysteme in den 27 Mitgliedstaaten zu verstehen und zu bearbeiten. "Diese Leute sollten im Sinne der Patienten aber besser in Forschung und Entwicklung arbeiten".



DAZ 2012, Nr. 10, S. 43

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