Aus Kammern und Verbänden

"… die Leber zu stärcken …"

Aus der Geschichte pflanzlicher Lebertherapeutika

Einige Pflanzen dienten jahrhundertelang als Lebertherapeutika, wovon auch ihre volkstümlichen Pflanzennamen wie Leberklee, Leberkraut, Leberblümchen, Lebermoos, Leberdistel und Leberraute zeugen. Teils bereichern sie noch heute den offizinellen Arzneischatz, teils sind sie obsolet und werden höchstens volks medizinisch genutzt. Auf einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft am 8. Dezember in Berlin berich tete darüber die Marburger Pharmaziehistorikerin und Apothekerin PD Dr. Sabine Anagnostou anhand ausgewählter Beispiele.
Schöllkraut im Kreutterbuch des Pierandrea Mattioli (Ausgabe 1611). Kolorierter Holzschnitt.

Eine seit der Antike bis zur Gegenwart gebräuchliche Heilpflanze zur Behandlung von Leberleiden ist das Schöllkraut (Chelidonium majus). Es steht heute in zahlreichen Kombinationspräparaten zur Behandlung von krampfartigen Schmerzen des Gastrointestinaltrakts und der Gallenwege zur Verfügung.

Als exotische Droge fand die dem altindischen Arzneischatz entstammende Gelbwurz (Curcuma longa) vermutlich durch Vermittlung der Araber Eingang in die europäische Heilkunde. Von den frühneuzeitlichen Kräuterbuchautoren als Arznei gegen Leberleiden und Gelbsucht gerühmt, war sie auch in zahlreichen Landespharmakopöen vertreten, bis sie im Laufe des 19. Jh. obsolet wurde. An ihrer Stelle trat im ersten Drittel des 20. Jh. die Javanische Gelbwurz (Curcuma xanthorrhiza) in das Blickfeld der Pharmazeuten. Heute werden beide Spezies aufgrund ihrer choleretischen und cholezystokinetischen Wirkung für die Behandlung von Leber-Galle- und Magen-Darm-Beschwerden empfohlen.

Auf eine "nur" fünfhundertjäh rige Tradition blickt die Mariendistel (Silybum marianum) zurück. Die Kräuterbuchautoren des 16. Jh. empfahlen sie zur Behandlung von Lebererkrankungen und Gelbsucht. Leonhart Fuchs betonte gar ihre Wirkung gegen Gifte. Als Arzneidroge dienten vorwiegend die Samen. Im 18. Jh. verlor die Marien distel zwar an Bedeutung, doch im 20. Jh. isolierte man das Flavonolignan-Gemisch Silymarin, das heute wegen seiner hepatoprotektiven und antiproliferativen Wirkung als Adjuvans bei Lebererkrankungen dient. Jüngst konnte sogar eine antivirale Wirksamkeit nachgewiesen werden. Silybinin wird als Antidot bei Knollenblätterpilzvergiftung verabreicht.

Nur lückenhaft bekannt ist die heilkundliche Tradition der Artischocke (Cynara scolymus), die wohl bei den Arabern beginnt. In Europa wurde die Artischocke erst im 16. Jh. von Hieronymus Bock zur Behandlung von Lebererkrankungen und Gelbsucht empfohlen – Indikationen, die sich bis ins 18. Jh. hielten, danach aber kaum mehr Beachtung fanden. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurden Artischockenblätter als Choleretikum wiederentdeckt. Entsprechende Präparate sind bei dyspeptischen Beschwerden, die auf zu geringem Gallenfluss beruhen, indiziert.

Das Leberblümchen (Hepatica nobilis) verdankt seinen Namen den dreilappigen Blättern, die an die Leber erinnern und es als Lebertherapeutikum empfahlen (Signaturenlehre). Schon der mittelalterliche Gart der Gesund heit (1485) lobte das Kraut als Arznei gegen Lebererkrankungen und Gelbsucht; die Kräuterbuchautoren des 16. Jh. stimmten dem zu. Im 19. Jh. wurde das Leberblümchen obsolet. Nur die Volksmedizin sieht es heute noch als adjuvantes Heilmittel gegen Leber- und Galleleiden an. Mitunter kommt es auch in der Homöopathie zur Anwendung.

Anagnostou resümierte, dass frühere Anwendungen von Heilpflanzen Hinweise auf eine Wirksamkeit bei bestimmten Indikationen geben und somit zu wissenschaftlichen Studien anregen können. Diese könnten dann sogar zur Entwicklung neuer Phytopharmaka führen.


Quellen: Autorreferat und

Anagnostou S. Pflanzliche Lebertherapeutika – von Leberblümchen und Geelwurtz. Pharm Ztg 2011;156(2):58 – 65.


cae



DAZ 2012, Nr. 1, S. 89

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