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Die "Gelegenheiten" sehen

Peter Ditzel

Jeder Jahresanfang wird – beruflich und privat – von Hoffnungen und Befürchtungen begleitet. Bleiben wir bei der beruflichen Betrachtung. Was wird das neue Jahr für die Apotheke bringen?

Keine Frage, die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung wird in den nächsten Wochen das dominierende Thema sein. Bereits nächste Woche soll der Gesetzesentwurf dem Kabinett vorgelegt werden. Ob und inwieweit allerdings die von den Verbänden vorgebrachten Änderungswünsche eingearbeitet wurden, ist offen. Und damit ist noch ungewiss, ob das Ministerium die Bedenken der Apotheken gegen eine Apotheke light ernst genommen und entsprechende Passagen geändert hat oder ob wir in Deutschland geradewegs auf eine Apothekenlandschaft mit zwei Klassen von Apotheken zusteuern: die Vollapotheken mit allen Rechten und Pflichten und die Kioskapotheken, ohne Nachtdienst, ohne Rezeptur, ohne Labor und mit kleinerer Grundfläche. Das könnte Nachteile für die Bevölkerung bedeuten: schlechtere Möglichkeiten der Rezeptbelieferung, mehrmaliges Aufsuchen der Apotheken, weitere Wege im Nachtdienst. Der Grund, warum das Ministerium die Apotheke light ins Spiel gebracht hat, erschließt sich nicht, es sei denn, man vermutet damit einen beabsichtigten Strukturwandel im Apothekenwesen.

Mit dem Jahreswechsel noch längst nicht vom Tisch sind die Querelen um Retaxierungen von Rezepten durch die Krankenkassen. Hier wird es vorrangige Aufgabe der Apothekerverbände sein, auf eine Änderung der Lieferverträge mit den Kassen zu drängen, damit nicht wegen Nichtigkeiten und kleinsten Formfehlern Retaxierungen auf Null möglich sind. Überhaupt sollte juristisch überprüft werden, ob Nullretaxierungen, gleich aus welchem Grund, haltbar sind. Eine gelieferte Ware überhaupt nicht zu bezahlen, nur weil Formalien nicht eingehalten wurden, gibt es in keiner Branche.

Gespannt sein darf man in diesem Jahr auch, ob die apothekerliche Vergütung von 8,10 Euro die längst überfällige Anpassung nach oben erfährt. Bei anhaltender Inflation, bei weiter steigenden Energiepreisen und bereits gestiegenen Personalkosten kann und darf es nicht sein, dass das Apothekerhonorar auf dem Niveau von 2004 eingefroren bleibt. In diese Forderung muss endlich Bewegung kommen. Vielleicht realisieren auch Politiker schon bald, dass Apotheken nicht die Kostentreiber im Gesundheitswesen sind. Dazu passen Berechnungen einer Unternehmensberatung, die Anfang dieser Woche bekannt wurden, wonach Verwaltungs- und Bürokratiekosten der Krankenkassen weitaus höher liegen als offiziell angegeben. Dem Bericht zufolge könnte sich der Krankenkassenbeitrag von derzeit 15,5 auf 14,2 Prozent senken lassen allein durch schlankere Verwaltungsstrukturen.

Doch abseits dieser Probleme, Unwägbarkeiten und Ärgernisse, mit denen wir es 2012 zu tun haben werden, gibt es auch Bereiche, in die wir uns verstärkt einbringen können und sollten, Beispiel Selbstmedikation. Nach wie vor ist der Trend ungebrochen: Fast jeder zweite Patient geht bei leichten Erkrankungen direkt in die Apotheke statt zum Arzt, wie eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zeigt. Die Menschen schätzen nach wie vor den unkomplizierten Zugang zu einem Heilberuf, die leichte Erreichbarkeit einer Apotheke, die fachkundige Beratung und die rasche Linderung ihrer kleinen Beschwerden. Trotz dieser positiven Einschätzung vonseiten der Bevölkerung stagnierten Umsatz und Menge bei OTC-Arzneimitteln, Dies bedeutet aber auch, dass hier noch Potenzial vorhanden ist, Potenzial, das der Apotheker erkennen und ausbauen sollte.

Immerhin, ab Januar dürfen Krankenkassen ihren Versicherten auch die Übernahme bestimmter nicht rezeptpflichtiger Arzneimittel als Satzungsleistung anbieten – das am 1. Januar in Kraft getretene Versorgungsstrukturgesetz macht dies möglich. Die Techniker Krankenkasse bezahlt ihren Versicherten beispielsweise Präparate der Alternativmedizin und Phytotherapie. Der Arzt stellt ein Privat- oder Grünes Rezept aus, das der TK-Versicherte dann zusammen mit der Apothekenquittung zur Erstattung einreichen kann. Man darf gespannt sein, ob dies die Versicherten wahrnehmen, und wie andere Krankenkassen mit diesem Wettbewerbsinstrument umgehen werden. Möglicherweise kann dadurch der arztgestützten Selbstmedikation auf die Sprünge geholfen werden.

Auch das lässt hoffen: Das Image der Apotheke und das Vertrauen in den Apotheker ist nach wie vor sehr gut. Das zeigten umfassende Studien im vergangenen Jahr. 86 Prozent der Bundesbürger haben ein "sehr hohes" oder "ziemlich hohes" Vertrauen in den pharmazeutischen Berufsstand. Mit diesen Imagewerten liegen die deutschen Apothekerinnen und Apotheker über dem europäischen Durchschnitt.

Also, lassen wir uns durch Krisen nicht entmutigen. John F. Kennedy sagte: "Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit". In diesem Sinne: Alles Gute für 2012 – und schauen Sie auf die Gelegenheiten. Die Redaktion von DAZ, AZ und DAZ.online werden Sie dabei unterstützen, die Gelegenheiten zu sehen. Und unser kleines "Facelifting" der DAZ möge Ihnen gefallen und die Beschäftigung mit der DAZ für Sie noch angenehmer machen.


Peter Ditzel



DAZ 2012, Nr. 1, S. 3

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