Gesundheitspolitik

Becker: Ab 2010 war alles abgestellt

ABDA diskutiert Daten-Vorwürfe – Wolf verlangt Aufklärung – Datenhandel vor Gericht

Berlin (lk). Große Unruhe und Unbehagen in der Apothekerschaft haben die Vorwürfe gegen die Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken (VSA) und deren Beteiligungsfirma GFD (Gesellschaft für Datenverarbeitung) über Verstöße gegen den Datenschutz im Umgang mit sensiblen Rezeptdaten ausgelöst. In der Sitzung des ABDA-Gesamtvorstandes am 15. Februar wurde darüber ausführlich diskutiert. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf forderte lückenlose Aufklärung. Es müsse reiner Tisch gemacht werden, verlangte Wolf.

Aus Sicht einiger Landesorganisationen sind die erhobenen Vorwürfe des unrechtmäßigen Umgangs mit sensiblen Rezeptdaten noch nicht zur Zufriedenheit aufgeklärt. Am Rande der Sitzung des Spitzengremiums des Deutschen Apothekerverbands (DAV) am 14. Februar haben sich die ebenfalls an der GFD beteiligten Apothekerverbände Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen zu separaten Beratungen getroffen.

Die VSA hatte letzte Woche Montag in einer ersten Erklärung nach der Veröffentlichung der Vorwürfe im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" die dort geschilderten Sachverhalte zurückgewiesen. "Wir stellen insbesondere klar, dass die GFD keine personenbezogenen Daten von Versicherten weitergegeben hat und damit der Versichertendatenschutz zu jeder Zeit voll gewährleistet war", hieß es.

Auf jeden Fall wird sich in den nächsten Wochen das Landgericht Hamburg mit dem Sachverhalt befassen. Gegen einen früheren Mitarbeiter hat die GFD in einem Eilverfahren dort eine Unterlassungserklärung erwirkt. Der Betroffene verweigert jedoch die Unterschrift und will die Angelegenheit nun im Hauptsacheverfahren klären lassen.

Indessen hat auf AZ-Anfrage der mit 27,7 Prozent an der GFD beteiligte LAV Baden-Württemberg Stellung zu den Vorwürfen bezogen: Danach gibt es aus Sicht des LAV spätestens seit dem Jahr 2010 keinen Zweifel mehr am korrekten Umgang mit sensiblen Rezeptdaten durch die GFD. "Die Berichterstattung ist sehr vergangenheitsbezogen und thematisiert zum großen Teil Sachverhalte, die unserer Kenntnis nach bereits seit 2010 abgestellt worden sind", so der DAV-Vorsitzende Fritz Becker in seiner Eigenschaft als LAV-Präsident. Zugleich forderte er aber alle an der Datenverarbeitung beteiligten Firmen auf, die im Raum stehenden Vorwürfe zu widerlegen und gegebenenfalls eine erneute Prüfung der Handhabung vorzunehmen. Dies lässt den Schluss zu, dass auch aus Sicht des LAV nicht alle Zweifel beseitigt sind. In Bezug auf die im "Spiegel" erhobenen Zweifel am rechtmäßigen Umgang mit Daten und deren Verarbeitung setze der LAV deshalb auf unbedingte Transparenz, heißt es. Becker: "Nach den uns vorliegenden Informationen wird korrekt gearbeitet. Wir fordern dementsprechend sowohl die GFD, als auch die mit ihr zusammenarbeitenden oder verbundenen Unternehmen auf, den erhobenen Vorwürfen entgegenzutreten und sie nachweislich zu entkräften." Wenn nötig, müsse der Datenfluss bei der GFD und bei mit ihr in Geschäftsbeziehung stehenden anderen Unternehmen neuerlich überprüft werden. "Die Sicherheit der sensiblen Daten erfordert, dass hier durch Transparenz das Vertrauen wieder hergestellt wird", so Becker.

Das Transparenzversprechen hat nicht nur für den LAV Baden-Württemberg aber seine Grenzen. Auf AZ-Anfrage waren auch die Apothekerverbände Bayern und Sachsen sowie die VSA nicht bereit, Auskunft über die von der GFD ausgeschütteten Gewinnabführungen zu geben. Der LAV Baden-Württemberg erklärte nur, dass finanzielle Erwägungen keinen Einfluss auf die Beteiligung des LAV an der GFD gehabt und haushalterisch so gut wie keine Rolle gespielt hätten. Nach AZ-Informationen hat die GFD in den letzten Jahren mindestens zwei Mal einen Gewinn von circa einer Million Euro ausgewiesen.

Weiter erläutert der LAV: Vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren sukzessive verschärften Auslegung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch Aufsichtsbehörden und Gerichte sei es bereits ab 2009 zu einer kritischen Neubewertung ausgewählter Teilprozesse gekommen. Die GFD habe hierbei auch Kontakt zur zuständigen bayerischen Aufsichtsbehörde für den Datenschutz gesucht und nach Treffen und Schriftwechsel ein neues Modell für die Verarbeitung der Daten erarbeitet und vorgestellt. Hierzu sei als Trustcenter eine neue Gesellschaft gegründet worden, die "technisch, organisatorisch und rechtlich getrennt von der GFD die Daten von den Rechenzentren verschlüsselt erhält und Studien im Auftrag der GFD auf der Grundlage allein dieser verschlüsselten Daten erstellt". Die Gesellschafter der GFD und mit ihnen der LAV Baden-Württemberg gingen davon aus, "dass spätestens mit der Einrichtung des Trustcenters alles abgestellt worden sei, was möglicherweise zu beanstanden gewesen wäre", so die Erklärung weiter. Die GFD habe keine personenbezogenen Daten von Versicherten weitergegeben; sämtliche Daten seien lediglich zur Erstellung von Studien und im internen Arbeitsverhältnis verwendet worden. Auch die Studienmodelle wurden jeweils auf datenschutzrechtliche Anforderungen hin überprüft. Becker: "Es ist für den LAV immer von allerhöchster Priorität und darum Grundvoraussetzung für seine Beteiligung gewesen, dass datenschutzrechtliche Vorgaben strengstens eingehalten werden."

Der LAV Baden-Württemberg ist seit 1998 GFD-Gesellschafter. In erster Linie, so der Verband, um Zugriff auf anonymisierte Daten für Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen zu erhalten und seinen Anforderungen als standespolitische Interessenvertretung gerecht zu werden.



AZ 2012, Nr. 8, S. 1

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