Gesundheitspolitik

Format gezeigt

Natürlich sind nicht alle Wünsche erfüllt, und es bleiben Ungereimtheiten – z. B. bei den abstrus niedrigen Kostenschätzungen und bei den Anforderungen an Rezeptur und Defektur. Aber mit seinem nachgebesserten Entwurf der neuen Apothekenbetriebsordnung, der am 1. Februar das Kabinett passiert hat, auch mit seinen Klarstellungen im AZ-Interview hat Gesundheitsminister Bahr politisches Format gezeigt. Er hat getan, was Politiker meist meiden wie der Teufel das Weihwasser: Er hat sich korrigiert, hat Argumente erneut abgewogen und nicht stur durchgeboxt, was zunächst Beschlusslage war. Wichtigster Schritt: Die Abkehr von der Privilegierung der Filialverbünde, in deren Gefolge zwangsläufig viele Schmalspurapotheken entstanden wären. Dass er diese Zwangsläufigkeit mit all ihren Folgen zunächst nicht erkannt hat, verwundert. "Kiosk-Apotheken" habe das BMG jedenfalls nie gewollt, versichert Bahr. Er habe sich überzeugen lassen, dass die vom BMG ursprünglich vorgesehenen "Erleichterungen" für Filialen von anderen (SPD und Grünen) dazu genutzt werden könnten, das gesamte System in Richtung Ketten zu ändern. Auch deshalb sei er umgeschwenkt.

Bemerkenswert deutlich hat sich Bahr im DAZ.online-Interview auch zu den Pflichten von Versandapotheken geäußert: "Auch die Versandapotheke muss alle Rechte und Pflichten erfüllen. Wir wollen keine Rosinenpickerei." Einverstanden. Dann muss die präzisierte Verpflichtung zur aktiven Information und Beratung (§ 20) über die Vor-Ort-Apotheken hinaus, allenfalls leicht adaptiert, auch auf Versandapotheken übertragen werden. Durch "Nachfrage" soll künftig der individuelle Beratungsbedarf ermittelt werden. Die Versandapotheke kann das – telefonisch. Wenn die Vor-Ort-Apotheke ihren Boten schickt und der Patient zuvor in der Apotheke noch nicht beraten wurde, wird demnach ebenfalls genügen, dass pharmazeutisches Personal "in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslieferung" telefonisch mit dem Patienten Kontakt aufnimmt (§ 17 Abs. 2); es muss sich nicht – was im Vergleich zum Postversand auch aberwitzig wäre – Apotheker oder PTA selbst auf den Weg machen.

Machen wir uns nichts vor: Die Anforderungen an Apotheken steigen – nun gut. Aber erneut steigen auch die Kosten. Die Honorierung von Rezepturen ist schon länger ein Witz. Mit den neuen Dokumentationspflichten wird sie unerträglich. Auch die 8,10 Euro pro Packung, seit 2004 unverändert, reichen hinten und vorn nicht mehr. Wer will, dass die neue ApBetrO wirklich gelebt werden kann, muss hier nachbessern.


Klaus G. Brauer



AZ 2012, Nr. 6, S. 1

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