Gesundheitspolitik

Fleischindustrie entdeckt Pharmageschäft

Schweinefleisch-Produzent steigt in Heparin-Herstellung ein

Rheda-Wiedenbrück (ks). Der Fleischfabrikant Tönnies wagt den Schritt in die Pharma-Branche. Er will in Zukunft den Grundstoff für den Blutgerinnungshemmer Heparin in einer eigens dafür errichteten Produktionsstätte herstellen. Mitte 2014 soll es losgehen, kündigte das Unternehmen letzte Woche an. Im Frühjahr 2013 soll der Spatenstich für die "modernste Produktionsstätte für Heparin-Intermediates weltweit" erfolgen.

Clemens Tönnies, Chef des Familienunternehmens: "Unsere Ziele sind klar. Wir investieren jetzt 21 Millionen Euro. Nach dem geplanten Produktionsstart Mitte 2014 wollen wir bei Vollauslastung schon Ende des Jahres rund 30 Prozent der europaweit rückverfolgbaren Heparin-Grundrohstoffe in unserer Fabrik gewinnen."

Tatsächlich ist der Quereinstieg des deutschen Marktführers für verkaufsfertig verpacktes, frisches Fleisch in die Pharmabranche nicht fernliegend: Heparin wird aus dem Darmschleim der Schweine gewonnen. Und Schweine gibt es bei Tönnies in rauen Mengen: 16 Millionen schlachtet die Unternehmensgruppe im Jahr.

Mit im Boot: Berliner Pharmaunternehmen

Die pharmazeutische Expertise hat sich der Fleischriese dazugekauft: Bereits im Mai dieses Jahres hat er sich die Mehrheit am Heparin-Spezialisten Pharma Action GmbH gesichert. Das in Berlin ansässige Unternehmen berät Produzenten bei der Produktion sowie in Verfahrenstechniken zur Heparin-Herstellung, produziert selbst pharmazeutische Wirkstoffe an seinem Produktionsstandort im Innovationspark Berlin-Wuhlheide und handelt weltweit mit Heparin-Wirkstoffen. Pharma Action soll am Standort Berlin-Wuhlheide den in der Tönnies-Fabrik gewonnenen Rohstoff weiter veredeln und dann an die pharmazeutische Industrie vermarkten. Mittelfristig sollen dort laut Tönnies jährlich etwa 10 Tonnen Heparin-Wirkstoff produziert werden.

Der wichtigste Vorteil dieser geschlossenen Lieferkette sei die "hundertprozentige Rückverfolgbarkeit der Herkunft", sagt Erol Thomas Isim, Gründer und Geschäftsführer von Pharma Action. In Arzneimittelkreisen sei dies "ein deutlicher Wettbewerbsvorteil und in naher Zukunft wohl auch Pflicht für die Produktion pharmazeutischer Rohstoffe".

Tönnies setzt also auf Qualität "made in Germany". Bisher erfolgte die Heparin-Produktion vor allem in China – "mit oftmals unklarer Herkunft und daher unklarer Zusammensetzung, Risiken nicht ausgeschlossen", wie das Unternehmen betont.

Tatsächlich hat 2008 entdecktes verunreinigtes, aus China stammendes Heparin für viel Unruhe und generelle Kritik an den kaum überprüfbaren Produktionsstätten von Arzneimitteln und ihren Ausgangsstoffen gesorgt.



AZ 2012, Nr. 49, S. 3

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