Management

Auch heikle Situationen souverän meistern

Nicht immer läuft mit Kunden und Patienten alles glatt. Doch wer auf knifflige Momente vorbereitet ist, reagiert besonnener.

Es gibt Situationen, die verlaufen äußerst unglücklich. Und obwohl sich keiner im Team einer Schuld bewusst ist und auch niemand einen Fehler gemacht hat, sind Kunde und Mitarbeiter unzufrieden. Zum Beispiel in Fällen wie diesen:

Ein neuer Patient kommt in die Apotheke. Er hat ein Rezept für die nur noch einmal vorrätige Packung Thrombosespritzen. Noch bevor die Mitarbeiterin sie nachbestellen kann, erscheint die äußerst betreuungsintensive Stammkundin, die seit drei Wochen neben ihren üblichen Medikamenten nun auch diese Spritzen benötigt. Jeder der anwesenden Kollegen weiß nun, was jetzt kommt: Weder mag die Dame einsehen, dass man dem "schnelleren" Kunden das Medikament nicht vorenthalten kann, wenn es nicht ausdrücklich vorbestellt und für einen anderen Patienten zurückgelegt wurde, noch lässt sie sich mit dem Angebot beruhigen, ihr die Spritzen um 18 Uhr nach Hause zu liefern. Zwar willigt sie am Ende schließlich doch noch ein – der Unmut bleibt jedoch auf beiden Seiten.

Auf alles gefasst

Konfliktträchtige Situationen wie diese lassen sich zwar nie ganz vermeiden. Sie lassen sich aber entschärfen, wenn Apothekenleiter und Mitarbeiter entsprechend vorbereitet sind. Auch gibt es Vorbeugemaßnahmen, die natürlich in hektischen Momenten leicht vernachlässigt werden: Dazu gehört beispielsweise, die Kundin in solchen Fällen zu fragen, wie lange sie diese Spritzen denn voraussichtlich benötigt und ihr von vornherein anzubieten, diese für sie zu reservieren – beziehungsweise ihr vorzuschlagen, dass sie vor Abholung kurz anruft, ob das Produkt auch wirklich für sie bereit steht.

Vorsicht, Rechtfertigungsfalle!

Ist die unangenehme Situation bereits eingetroffen, muss das Apothekenteam das Beste daraus machen. Dies ist im Wesentlichen eine Frage der Kommunikation: So gibt es einige typische Fallen, in die die Mitarbeiter auf keinen Fall treten sollten. Eine davon ist die Rechtfertigungsfalle.

Der Grund: Wer sich keiner Schuld bewusst ist, sich ungerecht behandelt fühlt und sogar alles für ihn Mögliche getan hat, ist natürlich wenig begeistert, wenn ihm der Schwarze Peter zugeschoben wird. Und doch gilt es gerade jetzt, die eigenen Emotionen wie Gekränktheit beiseite zu lassen, denn genau sie sind oft die Auslöser für Konflikte.

"Aber das kann ich doch nicht wissen!", "Hätten Sie doch vorher angerufen!", "Da kann doch ich nichts dafür!" etc. sind Rechtfertigungsversuche, die in Kunden- und Patientengesprächen nie fallen sollten. Selbst wenn der Kunde ganz offensichtlich im Unrecht ist, bringt es nichts, ihm das zu sagen: Er sitzt am längeren Hebel und kann jederzeit die Konsequenz ziehen und dieser Apotheke den Rücken kehren.

Nützliche Kommunikations-Strategien

Doch zum Glück gibt es auch eine gute Nachricht, und die lautet: Mit einigen geschickten Kommunikations-Strategien lassen sich viele Konflikte entschärfen oder sogar vermeiden. Die Mitarbeiter müssen sie aber gut kennen, üben und dann natürlich auch immer wieder anwenden. Dabei können Apothekenleiter sogar als Coach agieren und ihnen von Zeit zu Zeit immer wieder Tipps geben. Vor allem bei jungen, noch wenig erfahrenen Mitarbeitern ist diese Vorgehensweise empfehlenswert.

  • Eine ganz einfache Möglichkeit, den Ärger des Kunden abzufedern, ist, ihn ausreden zu lassen. Weder sollte der Mitarbeiter sachlich Stellung beziehen, noch ihm Recht oder Unrecht geben. Stattdessen hört er einfach zu und äußert, wenn der Kunde fertig ist, sein Bedauern: "Ich verstehe, das ist sehr ärgerlich für Sie, wenn Sie extra hierhergekommen sind.", "Natürlich verstehe ich, dass Sie die Spritzen dringend brauchen" etc. Dabei ist es empfehlenswert, vor allem wenn der Kunde länger spricht, so genannte Aufmerksamkeitssignale zu geben. Dazu gehört, ihm den Kopf zuzuwenden und von Zeit zu Zeit "ah", "mmh", "ah ja" oder etwas Ähnliches zu sagen, um ihm zu zeigen, dass man ganz für ihn da ist.

  • Geht es um die sachliche Klärung und Lösung des Konflikts, ist ebenfalls Besonnenheit angebracht. Lieber sollte der Mitarbeiter erst einmal innehalten und durchatmen, bevor er etwas Unüberlegtes und Falsches sagt. Außerdem zeigt sich gerade in heiklen Situationen, dass ein "Wie aus der Pistole geschossenes Antworten" Emotionen hochschaukeln kann und im schlimmsten Fall zum verbalen Schlagabtausch führt. Wer dagegen ruhig bleibt und besonnen reagiert, gibt dem Kunden das Gefühl, die Situation im Griff zu haben und kann sie so tatsächlich wieder entspannen.

  • Überhaupt ist es gerade in emotional aufgeladenen Momenten hilfreich, eher leiser und etwas langsamer als sonst zu sprechen. Das funktioniert bei vielen Menschen gut, und sie werden ebenfalls ruhiger. Gerade wenn noch einige weitere Kunden in der Apotheke sind, möchte man ja so schnell wie möglich, dass sich die Situation wieder entspannt.

  • Grundsätzlich gilt im Umgang mit Kunden immer die Regel, dass sein Verhalten nicht bewertet oder kommentiert werden sollte. Selbst wenn sich jemand ganz offensichtlich daneben benimmt, gilt es diskret darüber hinwegzugehen. Mit etwas Übung können sich auch noch nicht so erfahrene Mitarbeiter spontane Kommentare verkneifen. Sie müssen aber darauf hingewiesen werden. – Dies gilt selbst dann, wenn ein anderer Kunde, der die Szene mitbekommt, seinen eigenen Unmut äußert und sich darüber ärgert, dass er wegen des lästigen Patienten vor ihm länger warten muss. In diesem Fall kann ein einfaches, souveränes Lächeln die eleganteste Lösung sein. Vielleicht noch verbunden mit dem Satz "Das tut mir leid, dass Sie nun länger warten mussten."

Die Gesprächsebene erkennen

Viele Konflikte und schwierige Situationen entstehen auch dadurch, dass die Beteiligten auf unterschiedlichen Gesprächsebenen agieren. Wer sich auf der emotionalen Ebene befindet, ist nicht zugänglich für Sachargumente. Umgekehrt möchte jemand, der sich bereits mit der Lösung eines Problems befasst, nicht noch weiter bedauert werden, sondern endlich zur Sache kommen.

Gute Mitarbeiter erkennen, auf welcher Ebene sich der Kunde gerade befindet und holen ihn dort ab. Hat sich der Kunde "ausgejammert" ist er meist dazu bereit, gemeinsam eine Lösung zu finden. Als erstes sollte ihn der Mitarbeiter fragen, wie er sich eine Lösung vorstellt, was er sich denn gerne wünscht. Hilft das nicht weiter, sollte er einen Vorschlag machen – beziehungsweise Alternativen anbieten, aus denen der Kunde wählen kann. Beispiel: "Wenn wir die Spritzen jetzt gleich bestellen, sind sie bis spätestens 16 Uhr da. Möchten Sie nochmal nach 16 Uhr vorbeikommen oder sollen wir Sie anrufen, wenn sie eingetroffen sind? Wenn Sie möchten, können wir sie Ihnen auch nach Hause liefern. Das wäre ab 18 Uhr möglich. Was ist Ihnen denn am liebsten?"

Ein gutes Ende

Jede schwierige Situation sollte nach Möglichkeit gut enden. Auch dazu können die Mitarbeiter einiges beitragen. So ist es beispielsweise sehr wichtig, dass der Kunde sein Gesicht wahren kann und sich nicht hinterher schämt, weil ihm sein Gefühlsausbruch peinlich ist. Eine Möglichkeit ist es, wenn man den Kunden gut kennt, kurz das Thema zu wechseln und einen kleinen Smalltalk zu beginnen. Das hat nichts damit zu tun, andere Kunden warten zu lassen: Höchstens ein, zwei Minuten genügen, um die Situation zu entkrampfen. Und aus einem verärgerten einen entspannten Kunden zu machen, der auch das nächste Mal gerne wieder in seine Stammapotheke geht..


Regina Mittenhuber ist Fachjournalistin und Autorin für Vertrieb und Unternehmensführung in Kevelaer



AZ 2012, Nr. 46, S. 6

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