Gesundheitspolitik

OTC in der Freiwahl weiterhin verboten

Leipzig (jz). Die Selbstbedienung bei apothekenpflichtigen Arzneimitteln bleibt verboten – sie dürfen auch künftig nur hinter dem HV-Tisch dargeboten werden. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht und erklärte, das Verbot von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in der Freiwahl sei verfassungsgemäß. (Urt. vom 18. Oktober 2012, Az.: 3 C 25.11)

Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor – in einer Mitteilung des Gerichts wurden jedoch einige Erwägungen der Richter angeführt. Der selbstständige Apotheker aus dem nordrhein-westfälischen Düren hatte im Jahr 2003 rund 150 apothekenpflichtige Arzneimittel in verschiedenen Darreichungsformen in seiner Apotheke zur Selbstbedienung angeboten. Nachdem ihm dies vom Landkreis Düren untersagt worden war, ging er noch im selben Jahr gerichtlich dagegen vor. Er ist der Auffassung, das Verbot in § 17 Abs. 3 Apothekenbetriebsordnung verstoße gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung und sei daher verfassungswidrig. Außerdem sei das Verbot seit Zulassung des Versandhandels hinfällig. Doch sowohl seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Aachen als auch die daraufhin beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegte Berufung blieben erfolglos.

Selbstbedienungsverbot verhältnismäßig

Auch seine Revision wurde nun vom BVerwG zurückgewiesen. "Das Selbstbedienungsverbot für apothekenpflichtige Medikamente ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig", befanden die Richter. Es diene dazu, eine unkontrollierte Arzneimittelabgabe zu verhindern und sicherzustellen, dass der Kunde sachgerecht informiert und beraten werde. So werde das Risiko, dass ein ungeeignetes Medikament zur Anwendung komme oder ein an sich geeignetes Präparat fehlerhaft angewandt werde, minimiert.

Nach Auffassung der Richter handelt es sich bei dem Verbot um vom Gesetzgeber rechtmäßig geschaffene Rahmenbedingungen, die "die Beratungsfunktion des Apothekers stärken und das Zustandekommen eines Beratungsgesprächs fördern" sollen. Bei der Selbstbedienung gebe es "faktische Beratungshindernisse": Durch das Selbstbedienungsverbot wird sichergestellt, dass der Kunde zunächst vom Apotheker oder pharmazeutischen Personal beraten wird – denn Kunden seien nach einer getroffenen Kaufentscheidung für eine nachträgliche Beratung wenig empfänglich.

Keine Ungleichbehandlung gegenüber Versandhandel

Der Apotheker hatte seine Klage außerdem damit begründet, dass es im Hinblick auf den inzwischen zugelassenen Versandhandel mit Arzneimitteln keinen sachlichen Grund mehr dafür gebe, die Angebotsform der Selbstbedienung außer für Rx-Arzneimittel auch für rezeptfreie apothekenpflichtige Arzneimittel zu verbieten. Das Verbot von OTC in der Freiwahl stelle daher einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar.

Das beurteilten die Richter jedoch anders: Die gesetzliche Zulassung des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ändere daran nichts. Die Reglementierung des Versandhandels ziele darauf ab, Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. Sowohl beim Kauf in der Apotheke als auch beim Arzneimittelversand müsse der Apotheker seiner Kontrollpflicht nachkommen – eine Selbstbedienung finde auch beim Versandhandel nicht statt. Zudem mache die Tatsache, dass der Gesetzgeber besondere Regelungen zur Beratung durch pharmazeutisches Personal geschaffen habe, ebenfalls deutlich, dass dieser Aspekt für ihn auch beim Versandhandel von großer Bedeutung sei.

Reaktionen

Das Vorgehen des klagenden Apothekers hatte bei einigen Apothekern Unverständnis ausgelöst. So kommentierte ein Leser auf DAZ.online, der Kollege ruiniere mit seiner Klage "das letzte Vertrauen in unseren ‚Stand‘ und das Bild in der Bevölkerung". Ein weiterer bedauerte, dass der Kollege "das Ansehen der Apotheken in der Öffentlichkeit" herabsetze. Andererseits "leben wir in einem Rechtsstaat", in dem jedermann rechtliche Entscheidungen überprüfen lassen könne. Und letztlich sei es erfreulich, wenn Gerichte – egal welcher Instanz – "die Grundwerte von Apothekern" unterstützten.

Erika Fink, Präsidentin der Bundesapothekerkammer, beurteilte nicht das grundsätzliche Handeln des Apothekers. Sie begrüßte stattdessen die Entscheidung des Gerichts. Diese bestätige, dass die Beratung des Apothekers auch bei rezeptfreien Medikamenten unverzichtbar sei. "Die Entscheidung ist daher eine wichtige Klarstellung im Sinne des Patientenschutzes und der Arzneimittelsicherheit."



AZ 2012, Nr. 43, S. 1

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