Gesundheitspolitik

Ein Hoch auf die Freiberuflichkeit

Minister Bahr beim Deutschen Apothekertag: Den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen

München (ks). Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) scheute die Auseinandersetzung nicht: Er erschien vergangenen Donnerstag zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags in München. In seinem Grußwort vertrat er bekannte Positionen – viel Gegenwind kam ihm dabei nicht entgegen. Der Minister betonte, er wolle die bewährten Strukturen der inhabergeführten Apotheke sowie das Fremd- und Mehrbesitzverbot erhalten. Er verteidigte aber auch die jüngst beschlossene Honoraranpassung. Die 25 Cent mehr mögen aus Sicht der Apotheker nur ein "kleiner Schritt" sein – sie seien jedoch eine wichtige Weichenstellung, sagte Bahr. Schließlich habe eine Regierung seit 2004 überhaupt das erste Mal eine Honoraranpassung vorgenommen.

Bahr startete seine Begrüßungsrede mit einem Blick über die deutschen Grenzen – in Länder, in denen Apotheken möglicherweise noch größere Probleme haben als hier. In Norwegen habe man erhebliche Schwierigkeiten, nachdem man dort Ketten zugelassen hat. In strukturschwachen Regionen müssten diese nun subventioniert werden. In den Niederlanden habe man gerade eine Liberalisierung vorgenommen, in deren Folge jetzt die Arzneimittelpreise verhandelt werden. Dies bedeute einen Verlust von fast 30.000 Euro für jede Apotheke. Auch in Tschechien und Frankreich seien Apotheken von Sparmaßnahmen überzogen, in Griechenland zahlten bekanntlich nicht einmal mehr die Kostenträger.

Keine Angst vorm Apothekensterben

Die deutschen Strukturen dagegen haben sich aus Sicht Bahrs bewährt. Über Drogerien oder Supermärkte könne man die Arzneimittelversorgung keinesfalls besser organisieren. Schließlich seien Arzneimittel eine besondere Ware und es habe gute Gründe, dass sie der Apothekenpflicht unterliegen. Wer das Fremd- und Mehrbesitzverbot infrage stelle – wie etwa Grüne und SPD in ihren Parteitagsbeschlüssen – müsse auch die Konsequenzen benennen. Ein Fall der Verbote, so der Minister, würde dazu führen, dass die Arzneimittelpreisverordnung aufgehoben werden müsse. Am Ende würden lediglich die Gewinne der Großkonzerne vergrößert. Doch gerade der Mittelstand, in dem der Chef noch einen direkten Bezug zu seinen Mitarbeitern hat und persönlich haftet, gerade die Freiberuflichkeit ist für Bahr erhaltenswert.

Was die beschlossene Honorarerhöhung betrifft, so betonte Bahr, dass die schwarz-gelbe Regierung die erste sei, die überhaupt eine Änderung vorgenommen habe. Die 25 Cent seien ein Ausgleich für solche Kosten, die nicht durch Rohertragssteigerungen kompensiert werden. Es müsse durchaus berücksichtigt werden, wenn zehn Prozent mehr Packungen abgegeben wurden. Mit diesen Äußerungen erntete Bahr Kritik aus den hinteren Reihen im Versammlungssaal – dort hatten sich einige Apothekenprotestler eingefunden. Allerdings kamen sie mit ihren Zwischenrufen kaum durch bis zum Minister. Bahr beschwichtigte dennoch: Auch wenn die Apotheker die 25 Cent-Erhöhung nur als kleinen Schritt sähen – in den kommenden Jahren werde man sich hierauf berufen und regelmäßige Anpassungen fordern können. Die nun zu beobachtenden Apothekenschließungen sieht Bahr noch nicht kritisch. Die Arzneimittelversorgung sei jedenfalls nicht gefährdet. Eine staatliche Bedarfsplanung wäre aus Sicht des Ministers das größere Übel.

Bahr räumte auch ein, dass die nun vorgesehene zusätzliche Vergütung für Nacht- und Notdienste nicht kostendeckend sein könne – sie sei aber eine Anerkennung für diese Leistungen. Man müsse sich nun Zeit nehmen, die Details auszuarbeiten. Es gehe darum, solche Apotheken zu begünstigen, die häufig Dienste leisten und aufgrund ihrer Lage nicht häufig in Anspruch genommen werden. Fehlanreize dürften nicht geschaffen werden. Und: Es müsse auch für den Patienten weiterhin einen Unterschied machen, ob er eine Apotheke während ihrer regulären Öffnungszeiten oder im Notdienst in Anspruch nimmt.

Versandhandel und Pick up

Nicht unerwähnt blieb auch der Versandhandel. Hier könne ihm nichts vorgeworfen werden, betonte Bahr. Er wurde 2004 mit den Segen von Rot-Grün und der Union und ohne Beteiligung der FDP eingeführt. Dennoch vertrat Bahr auf vergangenen Apothekertagen, als er noch auf der Oppositionsbank saß, die Auffassung, eine Rolle rückwärts sei beim Versand nicht möglich. Dafür sei er ausgebuht worden, erinnert er sich. Beifall erhielten dagegen Vertreter anderer Parteien, die ein Verbot propagierten. Am Ende habe er Recht behalten. Aber Bahr ist überzeugt, dass der Versandhandel die Apotheke vor Ort auch in Zukunft nicht infrage stellen wird. Die allermeisten Patienten lösten ihre Rezepte noch immer direkt nach dem Arztbesuch in ihrer Apotheke ein. Zudem habe die Koalition dafür gesorgt, dass sich alle Versandapotheken – auch die ausländischen – an die Arzneimittelpreisverordnung halten müssen.

Bei den Pick-up-Stellen würde Bahr gerne vorankommen. Dieser Vertriebsweg sei von der Politik nicht gewollt gewesen. Doch bekanntlich stellen sich das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium bei einem Verbot quer. Man habe deshalb über Alternativen nachgedacht, so Bahr. Etwa daran, Pick-up-Stellen gesetzliche Vorgaben zu machen. Doch das wollten die Apotheker nicht – aus Furcht vor der "Apotheke light". Er habe daraufhin die Länder angeschrieben und gebeten, ihm zu berichten, ob ihnen Probleme im Zusammenhang mit Pick-up-Stellen bekannt seien. Doch bislang habe er keine Rückmeldungen erhalten, so Bahr. Er benötige aber Belege, wolle er mit seinem Anliegen bei den Verfassungsressorts weiterkommen. Dem Minister bleibt als Hoffnung der Eindruck, dass die Pick-up-Stellen von den Patienten ohnehin kaum genutzt werden – "und das ist auch gut so".

Zur Sprache brachte Bahr auch die Rabattverträge. Er kenne den Unmut der Apotheker – auch wenn er den Eindruck habe, manche Verträge seien mittlerweile praktikabler. Er sei jedoch offen für andere Modelle. Ein solches könne etwa der Medikationskatalog, das sogenannte ABDA-KBV-Modell sein. Dieses biete die Chance, dass Ärzte und Apotheker zugunsten von Patienten zusammenarbeiten. Er hoffe, dass ein solches Projekt bald in einer – oder auch mehr – Regionen ausprobiert werde. Sollte sich herausstellen, dass es besser sei als die Rabattverträge und ebenfalls Kosten spare, werde er sich dafür einsetzen, dieses Modell zu implementieren.

Bahr betonte nicht zuletzt erneut seine Dialogbereitschaft: "Man kann in der Sache unterschiedlicher Auffassung sein, aber der Gesprächsfaden darf nicht abreißen". Am Ende waren es keine Buhrufe, die den Minister verabschiedeten.



AZ 2012, Nr. 42, S. 6

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