Recht

Ärztlicher Kunstfehler: Auch "Nichtstun" kann falsch sein

(bü). Ist eine – aus schwierigen familiären und sozialen Verhältnissen stammende – Schwangere von ihrem Gynäkologen in eine Klinik eingewiesen worden, damit ihr Ungeborenes abgetrieben werden kann, und begründet er das mit einer medizinisch-sozialen Indikation, so darf der Arzt in der Klinik den Eingriff nicht ohne Weiteres verweigern. Weiß er vom behandelnden Arzt, dass die Frau suizidgefährdet ist (sie "wollte lieber sterben, als ein zweites Kind zur Welt bringen"), so muss er der Frau Schmerzensgeld zahlen, wenn sie sich – nach der Abweisung in der Klinik – mit einem Tablettencocktail das Leben nehmen will und erst in letzter Sekunde gerettet werden kann. Das Kammergericht Berlin sprach ihr 4000 Euro zu. (Der Klinikarzt hatte einen Behandlungsfehler begangen, weil eine "ärztlich gebotene Maßnahme unterlassen" worden ist. Dass er selbst keine "psychotische Störung" bei der Frau erkennen konnte, hätte keine Rolle spielen dürfen. Denn allein die Tatsache, dass die Frau durch die familiäre Situation psychisch stark belastet sei, gefährde ihre Gesundheit, wenn sie ein Kind "austragen muss".)


(KG Berlin, 20 U 224/04)



AZ 2012, Nr. 30, S. 6

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