Wirtschaft

PKV blickt auf erfolgreiches 2011

Fast neun Millionen Bundesbürger sind privat krankenversichert

(leo). Auf ein nach ihrer Einschätzung "erfolgreiches Jahr 2011" blickt die private Krankenversicherung (PKV) im 206 Seiten starken Rechenschaftsbericht ihres Verbandes zurück: "Es gibt heute so viele Privatversicherte wie nie zuvor – insgesamt bestehen rund 31 Millionen private Voll- und Zusatzversicherungen in Deutschland. Der Marktanteil der privat Versicherten wächst ständig weiter. 11,3 Prozent aller Bürger sind privat krankenvollversichert." Ihre Zahl bei den 43 ordentlichen Mitgliedsunternehmen – davon 19 Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und 24 Aktiengesellschaften – hat sich 2011 um ein knappes Prozent auf 8,98 Millionen Personen erhöht. Mehr als 48 Prozent der Vollversicherten sind beihilfeberechtigt.

Ein Wachstum um 2,5 Prozent verzeichnete die PKV auch bei den Zusatzversicherungen, die regelmäßig nur von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgeschlossen werden. Schuld an dieser Entwicklung sind insbesondere Einschnitte in den Leistungskatalog der GKV und damit einhergehende Diskussionen über Leistungskürzungen. Aber auch Kooperationen zwischen gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungsunternehmen haben für viele Versicherte den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung erleichtert. Es kam im vergangenen Jahr zu 541.500 neuen Verträgen, so dass zum Jahresende 2011 insgesamt 22,51 Millionen Zusatzversicherungen bestanden. Über eine Auslandsreise-Krankenversicherung verfügten 24,5 Millionen Personen und damit 52.600 weniger als im Jahr zuvor. Dieser Versicherungsform misst die PKV, gemessen an den Beitragseinnahmen (355 Millionen Euro), nur geringe Relevanz bei.

Privat pflegeversichert waren zum Jahresende 9,67 Millionen Menschen (+ 0,8 Prozent). In der Pflegezusatzversicherung stieg die Zahl der Verträge um 10,8 Prozent auf 1,88 Millionen. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung sehen die privaten Versicherer hier noch großen Nachholbedarf. Vielleicht deshalb zeigte sich die PKV von der in Gang gekommenen Reform der Pflegeversicherung enttäuscht. Die Bundesregierung habe sich entgegen den ursprünglichen Plänen ihrer Koalitionsvereinbarung leider nicht zu einer großen Lösung mit einer verpflichtenden ergänzenden Pflegeversicherung durchringen können. Die stattdessen geplante steuerliche Förderung der freiwilligen privaten Vorsorge für den Pflegefall könne gleichwohl ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung werden. Ein ergänzender Kapitalstock für die Pflegeversicherung sei außerhalb des staatlichen Einflussbereichs anzulegen; denn nur dann seien die Geldreserven als privates Eigentum verfassungsrechtlich geschützt und könnten nicht von der Politik für andere aktuelle Zwecke aufgebraucht werden, wie die Diskussionen um die "Finanzpolster" in der GKV und auch in der gesetzlichen Rentenversicherung in jüngster Zeit allzu deutlich gemacht hätten.

Einnahmen und Ausgaben

Die Beitragseinnahmen beliefen sich 2011 auf 25,2 Milliarden Euro in der Krankenvoll- und 2,11 Milliarden Euro in der Pflegeversicherung. Wesentlich geringer waren die Versicherungsleistungen: Sie lagen bei 22,01 Milliarden bzw. 745 Millionen Euro. Dies bedeutet bei den Einnahmen eine Zunahme von 1,13 Milliarden bzw. zehn Millionen Euro. Die Ausgaben stiegen um 795 bzw. 45 Millionen Euro. In den einzelnen Bereichen verlief die Entwicklung der Versicherungsleistungen unterschiedlich: So nahmen die ambulanten Leistungen (Arzt- bzw. Heilpraktikerbehandlung, Arznei- und Verbandmittel, Heil- und Hilfsmittel) um 0,8 Prozent ab. Dagegen stiegen die Zahnleistungen (Zahnbehandlung, Zahnersatz, Kieferorthopädie) um 7,3 Prozent und die stationären Leistungen (allgemeine Krankenhausleistungen, Wahlleistung Chefarzt bzw. Unterkunft sowie Ersatz-Krankenhaustagegeld) um 6,5 Prozent an. Knapp 82 Prozent der Vollversicherten haben einen Versicherungsschutz gewählt, der die Unterbringung im Zwei- oder Einbettzimmer und eine Chefarztbehandlung im Krankenhaus beinhaltet.

Im brancheneinheitlich, gesetzlich eingeführten Basistarif waren im vergangenen Jahr 26.100 Personen und damit 5100 mehr als ein Jahr zuvor versichert. Dabei gilt für die PKV ein Kontrahierungszwang, also die Verpflichtung zum Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrages – dies insbesondere für Personen ohne Krankenversicherungsschutz, die der PKV zuzuordnen sind. Risikozuschläge dürfen dabei nicht erhoben werden. Bei 9600 Personen erfolgt eine Halbierung des Beitrages wegen Hilfebedürftigkeit. Dem Standardtarif, dessen Leistungen denen der GKV vergleichbar sind und dessen Beitrag auf den Höchstbeitrag der GKV (knapp 600 Euro monatlich in diesem Jahr) begrenzt ist, gehörten 41.800 Personen an.

Sorgen bereitet der PKV die wachsende Zahl von Nichtzahlern, ausgelöst durch die seit 2009 geltende Pflicht zur Krankenversicherung und den Wegfall des Kündigungsrechts auch bei Beitragsverzug. Ende 2011 verzeichnete allein die PKV über 140.000 Nichtzahler. Der Beitragsausfall beträgt inzwischen über 500 Millionen Euro. Um hier zu einer gerechten Lösung zu kommen, hat der Verband einen "Nichtzahler-Tarif" vorgeschlagen, der auf der Leistungsseite identisch mit dem heutigen Niveau bei ruhendem Versicherungsverhältnis wegen Nichtzahlung der Prämie wäre.

Gestiegene Alterungsrückstellungen

Eine Zahl im Rechenschaftsbericht lässt aufhorchen: Bis Ende 2011 stiegen die Alterungsrückstellungen in der PKV auf 146 Milliarden Euro und in der privaten Pflegeversicherung auf 24 Milliarden Euro. Die Zuführung im vergangenen Jahr belief sich auf 10,53 bzw. 1,47 Milliarden Euro. Dies sind 7,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die PKV gibt sich zuversichtlich, dass ihr nachhaltiges Prinzip der Kapitaldeckung auch in Zeiten der Banken- und Europakrise stabil funktioniert.

Während die Abschlussaufwendungen der PKV im vergangenen Jahr bei 2,8 Milliarden Euro (+ 5,3 Prozent gegenüber 2010) lagen, stiegen die Verwaltungsaufwendungen um 45 auf 860 Millionen Euro (+ 5,5 Prozent). Positiv sieht der PKV-Verband die Neuregelungen für Provisionszahlungen, die der Gesetzgeber im Herbst 2011 beschlossen hat, die sich nun in der Praxis bewähren müssten, nämlich die fünfjährige Stornohaftungszeit und die grundsätzliche Deckelung der Abschlussprovisionen auf neun Monatsbeiträge. Durch eine Begrenzung der Vermittlungsprovisionen sollen im Interesse des Verbraucherschutzes Übertreibungen wirksam verhindert werden.

Im Rahmen ihrer Beteiligung an der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) finanziert die PKV seit dem vergangenen Jahr für Menschen mit Migrationshintergrund ein Beratungsangebot der UPD in türkischer und russischer Sprache und sieht darin einen wichtigen Schritt hin zu einer patientenorientierten Gesundheitsversorgung, nicht zuletzt auch, um Sprachbarrieren und andere Hindernisse im deutschen Gesundheitswesen überwinden zu helfen.

Dank an Systemwettbewerb

Ein überraschendes Bekenntnis zum deutschen Gesundheitswesen, das auch Probleme erkennen lässt, mit denen sich die PKV mehr und mehr konfrontiert sieht, legen PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach und PKV-Vorsitzender Reinhold Schulte mit den Worten ab: "Unsere insgesamt sehr gute Gesundheitsversorgung, um die wir weltweit beneidet werden, verdanken wir nicht zuletzt dem Systemwettbewerb von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Das Zwei-Säulen-System aus GKV und PKV stellt eine hohe medizinische Versorgungsqualität für alle Bürger sicher. Wir haben im internationalen Vergleich die kürzesten Wartezeiten und den besten Zugang zu Fachärzten. Diesen bewährten Wettbewerb der Systeme infrage zu stellen, wäre nicht nur überflüssig, sondern äußerst riskant."



AZ 2012, Nr. 29, S. 4

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