Gesundheitspolitik

Kinder als Zielgruppe

Man reibt sich zunächst erstaunt die Augen, wenn man hört, Kinder seien eine denkbare Zielgruppe für Apotheken und überlegt, ob Kinder einen wirklichen und eigenen Bedarf an Arzneimitteln haben bzw. diese einkaufen. Im ersten Fall kann dies sein, so bedauerlich dies auch immer ist, im zweiten Fall darf man die Frage eher verneinen denn bejahen. Aber Kinder sind gerade in jungen Jahren vielfach Begleiter von Erwachsenen, wenn diese einkaufen gehen. Und der Einfluss der Kinder auf die Einkaufsstättenwahl ihrer Eltern, Großeltern, Tanten, Paten usw. hat sich in den vergangenen Jahren eher erhöht denn reduziert. Viele Studien dokumentieren die Bedeutung der Wünsche, Bedürfnisse und Präferenzen von Kindern, bei der Gaststättenwahl, beim Einkaufsort usw.

Kinder entwickeln bedeutsame Präferenzen und tun diese auch kund. Dies muss für Apotheken nicht zwingend relevant sein, kann aber. Wer erinnert sich nicht daran, dass das im Schuhfachgeschäft aufgestellte Karussell ausschlaggebend für die Wahl des entsprechenden Schuhhändlers war, ungeachtet ob das Kind selbst Schuhe wollte oder nur dabei war. Die Metzger und Bäcker haben dies mit unterschiedlichen Angeboten schon lange erkannt, auch andere Branchen legen nach.

Besonders pfiffig kann die Idee der Rewe bezeichnet werden, die die bekannte Sammlerleidenschaft von Deutschen und Kindern zum Anlass genommen hat, Kinder zu locken. Wir alle erinnern uns an die Sammelalben, waren es nun Fische, Pflanzen, Fußballer usw. aus unserer eigenen Kindheit. Als die Rewe im Sommer 2011 ein Sammelalbum für Kinder ausgab, war der Zuspruch hoch. Die dafür notwendigen Bilder konnte man nicht kaufen, sondern erhielt man in Abhängigkeit des Einkaufsbetrags des Warenkorbes. Mein eigenes Patenkind (9) wusste zu berichten, dass es gegenüber den Eltern durchgesetzt hätte, dass jetzt alle Lebensmittel bei Rewe gekauft würden, damit das Album bald voll würde. Die Frage an uns lautete, ob wir nicht auch alles dort kaufen könnten, damit sie schneller an die Bilder kommt. Und die Rückfrage bei den Eltern erbrachte, dass man – nachdem es mehrfach zu Verärgerung bis hin zu Wutausbrüchen des Kindes gekommen war – des lieben Frieden willens die Einkäufe tatsächlich nahezu vollständig verlagert hätte. Das ist Kundenbindung der etwas anderen Art.

Zwar sind die Kinder gar nicht zwingend die zu erreichende Zielgruppe, aber wenn man so will Parallelzielgruppe. Erreicht man die Kinder, erreicht man auch Eltern, Geschwister, Großeltern, Paten und weitere Verwandte, die ggf. angesprochen werden sollen. Und Kinder befeuern zudem Kinder und fungieren somit als Multiplikatoren. Im Sammelfieber entsteht ein regelrechter Wettbewerb, wer schneller die entsprechenden Bilder zusammen hat, und schließlich wecken ganze Tauschbörsen die Begehrlichkeiten, dabei zu sein und dazuzugehören.

Apotheken hatten von jeher einen Fokus auf Kinder. Der Junior mit Papa Moll und auch MediZini standen und stehen für Kindermagazine aus der Apotheke. Der vielfach zitierte Traubenzucker kam dazu. Diese Klassiker sind unverzichtbar.

Wie kann man das aber schon immer vorhandene Angebot (und wir sprechen von Angeboten, die es schon lange gibt) anreichern? Wäre ein Sammelalbum aus der Apotheke denkbar? Gibt es intelligente Anreize, die für die Kinder der Kunden so lohnend sind, dass diese und nur diese Apotheke aufgesucht wird bzw. werden darf? Sammeln und Jagen war und ist ein beliebtes Motiv, alles, was hierzu beiträgt, dürfte erfolgreich sein. Events mit Spannungscharakter können ebenfalls gut sein. Viele Apotheker, die sich gegenüber Kindergärten und Grundschulen engagieren, wissen zu berichten, dass dies die Bindung gerade der Kinder an die Apotheke signifikant erhöht. Im Übrigen gilt dies auch für Bäckereien, die Schulklassen Einblick in die Backstube gewähren und damit echte Neukunden gewinnen.

Ein Hausgerätehändler für weiße Ware aus dem Rheinland bietet einmal pro Monat ein Kinderkochen an. Die Kinder werden von Eltern und Großeltern hingebracht. Diese warten dann im Verkaufsraum bis die ca. ein- bis anderthalbstündige Veranstaltung vorbei ist und schauen sich um. Vielleicht nicht immer am selben Tag aber durchaus auch im Nachgang werden deutliche Umsatzzuwächse generiert, die auf den Event zurückzuführen sind. Natürlich stellt ein Kinderkochen einen Aufwand dar, der sich aber lohnt bzw. lohnen kann, auch dauerhaft.

Kinder zu binden macht also Sinn, dem Ideenreichtum sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die Phantasiewelt, in die sich Kinder gerne und oft begeben, darf dafür Pate stehen. Wenn sie es schaffen, die kinderfreundlichste und für Kinder attraktivste Apotheke in ihrem Einzugsgebiet zu sein und dies auch bleiben können, dürfte dies den Umsatz und den Ertrag nicht nur stabil halten sondern auch steigern helfen. Gebt den Kindern das Kommando; Kinder an die Macht!


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Bera-tungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



AZ 2012, Nr. 20, S. 3

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