Gesundheitspolitik

Länder: Definition des "Apothekerberufs" nicht mehr zeitgemäß

Bundesratsausschüsse geben Empfehlungen zur AMG-Novelle ab

Berlin (ks/jz). Im Zuge der anstehenden Novellierung des Arzneimittelrechts kommen aus den Ländern einige Ideen, die Apotheken betreffen. So sollte nicht nur der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten werden – auch die Definition des Apothekerberufs müsse den heutigen Verhältnissen angepasst werden. Dies empfehlen die vier am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Bundesratsausschüsse der Länderkammer. Am 30. März wird sich das Plenum des Bundesrats mit dem "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften" beschäftigen.

Die AMG-Novelle soll insbesondere die europäischen Vorgaben zu Pharmakovigilanz und zum Schutz vor gefälschten Arzneimitteln umsetzen. Die hierzu von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen werden grundsätzlich begrüßt, heißt es seitens der vier Bundesratsausschüsse – des federführenden Gesundheitsausschusses sowie den Ausschüssen für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, Finanzen und Wirtschaft. Sie sind allerdings der Auffassung, dass der Gesetzentwurf im weiteren Verfahren noch an einigen Stellen ergänzt werden sollte.

Beispielsweise sollte die Bundesapothekerordnung aktualisiert werden: In § 2 Abs. 3 BApO wird die Ausübung des Apothekerberufs beschrieben als "Ausübung einer pharmazeutischen Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln unter der Berufsbezeichnung ‚Apotheker‘ oder ‚Apothekerin‘." Diese aus dem Jahr 1989 stammende Empfehlung entspreche nicht mehr den heutigen Anforderungen an den Apothekerberuf, heißt es in der Ausschuss-Empfehlung. "Das wesentliche Merkmal pharmazeutischer Tätigkeit, nämlich der unabdingbare Bezug zum Arzneimittel als Gut besonderer Art, wird nicht ausreichend deutlich", so die Begründung. Die apothekerliche Verantwortung als Arzneimittelexperte und freier Heilberufler werde schon länger nicht mehr ausschließlich in der öffentlichen Apotheke wahrgenommen. Apotheker sicherten vielmehr auch außerhalb der öffentlichen Apotheke in verschiedensten Funktionen – in Behörden, im öffentlichen Gesundheitswesen sowie in der Herstellung, Zulassung, Prüfung und Überwachung von Arzneimitteln und Medizinprodukten – die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und förderten so eine rationale und sichere Pharmakotherapie. Für die neue Definition empfehlen die Ausschüsse eine Orientierung an der Pharmakovigilanzrichtlinie 2010/84/EU vom 15. Dezember 2010 – diese beschreibe die Rolle des heutigen Apothekers.

Weiterhin empfehlen die Ausschüsse, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten. Dies versteht sich als Reaktion auf die Schwierigkeiten, das eigentlich beabsichtigte Pick-up-Verbot einzuführen (siehe hierzu bereits DAZ 12/2012, S. 18). Allerdings ist kaum zu erwarten, dass sich diese Empfehlung durchsetzen wird. Schon 2008 hatten Bayern und Sachsen versucht, das Rx-Versandverbot über den Bundesrat wieder aufleben zu lassen – erfolglos.

Heimversorgung ohne Vertrag sanktionieren

Zudem plädieren die Ländervertreter dafür, die zunächst vorgesehene, im Kabinettsentwurf aber wieder herausgefallene Sanktionierungsmöglichkeit für die Heimversorgung durch Apotheken ohne Vertrag wieder ins Apothekengesetz aufzunehmen. Für fehlende Krankenhausversorgungsverträge besteht eine solche Vorschrift bereits. Auch wenn die Anforderungen an krankenhausversorgende und heimversorgende Apotheken bezüglich der Genehmigung durchaus unterschiedlich hoch sind, sei der gänzliche Verzicht auf die Sanktionierung ungerechtfertigt, so die Empfehlung.

Rabattverträge: Zweijährige Schonfrist

Auch an die pharmazeutische Industrie denken die Länder. So plädieren sie dafür, eine "künstliche Verlängerung des Patentschutzes durch Rabattverträge" zu verbieten. Die Ausschüsse verweisen darauf, dass es Konstellationen bei Rabattverträgen geben kann, in denen die – eigentlich begrüßenswerte – Intention einer wirtschaftlichen Versorgung verfehlt werde. Dies sei dann der Fall, wenn mit Ablauf eines Patentes neue Wettbewerber auf den Markt treten können, sich der Hersteller des Originalpräparates aber durch das Abschließen von Rabattverträgen kurz vor oder kurz nach Ablauf des Patentschutzes große Teile des Absatzmarktes weiterhin sichert. Diese Praxis verringere die Attraktivität eines Marktsegmentes und reduziere die ökonomischen Anreize für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen bei Generika und Biosimilars, so die Ausschussempfehlung. "Um echten Wettbewerb zu ermöglichen, sollte die künstliche Verlängerung des Patentschutzes durch Rabattverträge verboten sein, indem eine Schonfrist von zwei Jahren eingeführt wird." Problematisch für die Generikahersteller sei vor allem, dass die ausgehandelte Rabatthöhe vertraulich ist. Die Unternehmen wüssten nicht, gegen welchen Preis sie am Markt konkurrieren, sodass eine Abschätzung ihres Gestaltungsspielraums nur eingeschränkt möglich sei. Die Existenz eines Rabattvertrages führe für sich genommen noch nicht zu einer Verfestigung des Marktanteils des Originalherstellers, da Apotheken verpflichtet seien, das günstigste Präparat abzugeben. Ist ein Generikum günstiger als ein rabattiertes Original, soll es den Vorzug erhalten.

Weiterhin erkennen die Ausschüsse keine zwingenden Gründe für eine fundamentale Änderung der Zusammensetzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht. Der Kabinettsentwurf sieht vor, dass die Vertreter der pharmazeutischen Industrie sowie der pharmazeutischen und medizinischen Praxis nur noch ohne Stimmrecht an den Ausschusssitzungen teilnehmen können. Dafür sollen nun auch Sachverständige der Arzneimittelkommissionen der Apotheker, Ärzte und Tierärzte vertreten sein – und zwar mit Stimmrecht. Aus Sicht der Länder verfügen Vertreter der pharmazeutischen Industrie jedoch durchaus über umfangreiche Informationen über Nebenwirkungen. Die Ausschüsse empfehlen aber, den Vertretern der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft ein doppeltes Stimmrecht zuzugestehen. Damit werde eine Stimmrechtsgleichheit aufseiten der Praxis und Lehre herbeigeführt. Zugleich werde der Einfluss der Pharmaindustrie reduziert: Sie hätten dann nur drei von 20 Stimmen – bislang sind es drei von 15.

Nicht zuletzt hadern die Ausschüsse mit den Plänen zur behördlichen Durchsetzung des öffentlich-rechtlichen Bereitstellungsauftrags der Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln. Eine solche soll möglich sein, wenn eine "unmittelbar drohende Gefahr" eines "erheblichen Versorgungsmangels" besteht und es sich um Arzneimittel zur Vorbeugung oder Behandlung "schwerwiegender Erkrankungen" handelt. Der Gesundheitsausschuss lehnt die Änderung grundsätzlich ab, da sie sachlich ungeeignet sei, um behördliche Eingriffe in das wirtschaftliche Handeln der Unternehmen zu legitimieren. Der Wirtschaftsausschuss begrüßt die Maßnahmen hingegen, plädiert aber für eine Präzisierung der genannten unbestimmten Rechtsbegriffe.

Nun wird sich zeigen, wie sich das Plenum des Bundesrates am 30. März zu den Empfehlungen verhält. Der Gesetzentwurf muss zudem noch in den Bundestag. Inkrafttreten soll das Gesetz im Sommer, da Umsetzungsfristen der EU einzuhalten sind.



AZ 2012, Nr. 13, S. 1

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