Gesundheitspolitik

Das Problemkind

Als der frühere Celesio-Chef Oesterle im Jahr 2007 DocMorris kaufte, war das ein Coup, der Schlagzeilen machte. Oesterle hoffte auf den Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Er wollte mit DocMorris einen Fuß in der Tür haben, wenn in Deutschland die Ketten kommen. Viele Gehe-Kunden waren seinerzeit "not amused" über diesen Schachzug, aber darüber setzte sich der Celesio-Chef hinweg. Wie diese Story ausging, wissen wir.

Keine Ketten, einige Gehe-Kunden gingen, Oesterle ist weg. Und die Versandapotheke in den Niederlanden arbeitet vor sich hin und macht den gleichnamigen DocMorris-Franchiseapotheken des Celesio-Konzerns Konkurrenz. Die derzeit laufende Kooperation zwischen der DocMorris-Versandapotheke und dem Lebensmittelhändler Rewe ist nur ein Beispiel dafür.

Der Nachfolger Oesterles, der ehemalige Beiersdorf-Manager Markus Pinger, erkannte dieses Dilemma. Gleich nach Antritt seines neuen Arbeitsplatzes im Herbst des vergangenen Jahres zog er einen Schlussstrich unter die Ära Oesterle. Ihm war klar, dass die niederländische Versandapotheke ein Problem darstellt. "Es ist schon ungewöhnlich, dass man mit der eigenen Kundschaft so im Clinch liegt", waren seine Worte. Und er versprach, das Konfliktfeld DocMorris bis Ende 2012 zu lösen.

Jetzt scheint Bewegung in dieses Vorhaben zu kommen. Vor Kurzem fand ein Geheimtreffen zwischen Pinger und dem Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbands statt, Thema u. a. DocMorris. Schon im Vorfeld dieses Gesprächs kam der Rat aus Apothekerkreisen an Pinger, das Versandgeschäft aufzugeben und nur noch die Kooperation weiterzubetreiben. Realistisch? Kann man ein Unternehmen im Wert eines dreistelligen Millionenbetrags einfach so aufgeben und abschreiben? Man wird es auch nicht einfach so verkaufen können. Denn im Interesse der Apotheker, der eigenen Kundschaft von Celesio, dürfte es nicht unbedeutend sein, wer als neuer Eigner von DocMorris ins Geschäft einsteigen würde – das Versandgeschäft könnte durch andere Eigentümer aggressiv ausgebaut werden, zum Schaden der bestehenden Franchise-Kooperation. Sogar die Idee, dass die Apotheker selbst DocMorris übernehmen, spukte durch die Szene, was aber dem Vernehmen nach sofort verworfen wurde. Abgesehen vom Kaufpreis – wie hätte man einen solchen Deal handeln sollen?

So wird es spannend bleiben, wie Pinger mit seinem Problemkind umgehen wird. Vielleicht wissen wir bald mehr dazu.


Peter Ditzel



AZ 2012, Nr. 13, S. 1

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