Management

So zeigen Sie Gesprächskompetenz

Sie-Orientierung: Sympathie wecken und Vertrauen aufbauen

Müssen der Apotheker und seine Mitarbeiter heutzutage überhaupt noch auf die Bedeutung der Sie-Orientierung hingewiesen werden? Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, sich strikt auf die Kundenwelt zu fokussieren. Allerdings: Bei der Umsetzung hapert es zuweilen.

Dabei muss die Vernachlässigung der Sie-Orientierung gar keine böse Absicht oder Folge der Inkompetenz sein, sich auf den Kunden konzentrieren zu können. Im Gegenteil: Der Apotheker ist beispielsweise von einem Produkt derart begeistert, dass er es in den höchsten Tönen lobt, sich von seiner Begeisterung mitreißen lässt, fast schon ein Selbstgespräch führt – und konsequent den Ich-Standpunkt einnimmt. Im schlimmsten Fall fühlt sich der Kunde zu Tode getextet und schlichtweg vom Apotheker-Ego überrumpelt.

Hinzu kommt: Viele Apotheker verlassen sich darauf, dass es ihnen schon irgendwie gelingt, den Kunden sprachlich in den Vordergrund zu rücken. Doch vor allem in den heißen Gesprächsphasen kehren sie zurück zu dem Wort, das in der Kommunikation allzu oft den Spitzenplatz einnimmt – zu dem Wörtchen "ich".

Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es um eine Preisverhandlung geht oder wenn der Apotheker es mit einem "schwierigen" Kunden zu tun hat. Im Eifer des Gefechts vergisst er, den Kunden in den Mittelpunkt des Gesprächs zu stellen und geht auch sprachlich auf Konfrontations- oder Verteidigungskurs. "Wie ich Ihnen eben doch schon gesagt habe ..." oder "Nun hören Sie mir doch einmal zu ..." – gerade wenn Besonnenheit notwendig wäre, verfällt der Apotheker in das Ich-Sprachmuster. Und dann ist es kaum möglich, das Gespräch so aufzubauen, dass sich alles um den Kunden und seine Erwartungen und Wünsche dreht.

Die Konsequenz: Das Team und der Apotheker müssen es trainieren, den Sie-Standpunkt einzunehmen, selbst in brenzligen Situationen. Wer dies als überzogen bezeichnet, vergisst, dass der natürliche Egoismus ein starker Trieb ist und sich bei den meisten Menschen in einer ich-zentrierten Haltung und Sprache niederschlägt. Und dem sollte das Team entgegenwirken.

Sprachmuster analysieren

Zunächst einmal prüft der Apotheker, wie anfällig er für das Ich-Sprachmuster ist. Wenn er ihm bereits in der normalen Kommunikation, auch in der privaten, sehr oft folgt, droht die Gefahr, dass dies in schwierigen und komplexen Gesprächssituationen erst recht so ist. Darum: Der Apotheker sollte sich selbst beobachten – oder besser: abhören. Dazu zeichnet er seine Telefonate auf.

Eine weitere Option: Die Mitglieder des Apothekenteams machen sich gegenseitig auf den allzu ausufernden Gebrauch dieses Sprachmusters aufmerksam. Dazu muss der Apotheker in einem Meeting erläutern, worum es ihm geht: Um die Sensibilisierung dafür, auch sprachlich in die Vorstellungswelt des Kunden einzutauchen. Überdies kann der Apotheker im Privatbereich nachfragen, wie es um seine Fähigkeit steht, den Sie-Standpunkt einzunehmen.

Redeanteil reduzieren

Nach der Analyse steht fest, ob und in welchem Ausmaß die Sie-Orientierung eingeübt werden muss. Dabei sollten Apotheker und Team einige Regeln beachten: Der Redeanteil des Kunden muss den des Gesprächspartners eindeutig überwiegen. Dies erreicht der Apotheker, indem er viele Fragen stellt, am besten offene Fragen, also Fragen, auf die der Kunde nicht einfach mit einem Ja oder Nein antwortet kann, sondern mit einem ausführlicheren Feedback.

Wer selbst redet, erfährt nicht viel vom anderen – und erst recht nichts Neues. Der Grundsatz lautet: Lieber eine Frage zu viel stellen als zu wenig, lieber eine Frage wiederholen als in einen Monolog verfallen.

Übrigens: Im Privatbereich kommunizieren wir in der Regel freier und nutzen das Wörtchen "Ich" hemmungsloser. Wem es in der privaten Kommunikation gelingt, den Sie-Standpunkt durchzuhalten, hat die Feuerprobe fürs Kundengespräch bestanden.

Ich-Formulierungen gegen Sie-Sätze austauschen

Nun tauscht der Apotheker seine Ich-Formulierungen konsequent gegen Sie-Formulierungen aus. Natürlich genügt es nicht, einfach einige Wörter zu vermeiden und andere verstärkt zu nutzen. Entscheidend ist die Fähigkeit des Apothekers, eine andere Weltsicht einzunehmen. "Wenn es überhaupt ein Geheimnis für den Erfolg gibt, so besteht es darin, die Dinge ebenso von der Warte des anderen aus zu betrachten wie von der eigenen" – so Henry Ford.

Darum untersucht der Apotheker, welche Ich-Sätze er in den verschiedenen Phasen des Kundengesprächs häufig verwendet. Wenn er dazu neigt, die Begrüßung einzuleiten mit: "Ich begrüße Sie recht herzlich, und ich möchte mit Ihnen ..." überlegt er sich eine entsprechende Sie-Formulierung. Gerade für den Gesprächsbeginn ist es aus Sicht des Apothekers sehr sinnvoll, die Kommunikationskompetenz zu nutzen, um das Vertrauen des Kunden zu gewinnen.

Im weiteren Gesprächsverlauf wird es immer schwieriger, den Sie-Standpunkt konsequent einzuhalten, weil die Äußerungen immer weniger planbar werden. Trotzdem sollte der Apotheker:

  • seinen etablierten Ich-Sprachmustern auf die Schliche kommen,
  • entsprechende Sätze im Sie-Standpunkt formulieren und
  • deren Gebrauch trainieren, so dass sie ihm im Kundendialog automatisch zur Verfügung stehen.

Sympathiepunkte sammeln

Noch mehr Schlagkraft gewinnen die Sie-Formulierungen, wenn der Apotheker sie auf den jeweiligen Kundentypus abstimmt: Beim visuellen Typ baut er dann etwa Anmerkungen ein wie "Sie sehen hier …" oder "Stellen Sie sich bitte einmal vor …"

Zum Sie-zentrierten sprachlichen Einfühlungsvermögen gehört überdies, die Sprachmelodie und den Sprachrhythmus zu spiegeln: Bei einem Kunden, der sehr langsam spricht und dezidiert betont, sollte sich der Apotheker dessen Sprachduktus so weit wie möglich anpassen.

Zudem gibt es Schlüsselwörter, die nicht bei allen, aber den meisten Menschen positive Assoziationen hervorrufen, etwa "Zeit gewinnen" oder "Geld sparen". In der Kombination mit Sie-Formulierungen wirken diese Pluswörter sehr überzeugend. Weitere Sympathiepunkte sammelt der Apotheker, indem er:

  • den Kunden möglichst häufig mit seinem Namen anspricht. Denn der Name ist das Lieblingswort der meisten Menschen.

  • den Kunden lobt: "Gut, dass Sie das ansprechen" oder "Dass Sie dabei skeptisch sind, ist nur allzu verständlich."

  • sich vor dem Gespräch verdeutlicht: "Dieser Kunde, mit dem ich hier und heute einen Dialog führe, ist in den nächsten Minuten für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben."

Sie-Orientierung im Mitarbeiterdialog

Darf der Apotheker nun überhaupt nicht mehr "ich" sagen? "Sie werden wegen der offenen Frage morgen angerufen" – dieses gestelzte Behörden-Deutsch ist schrecklich. Da ist das "Ich rufe Sie morgen an" erlaubt. Mit anderen Worten: Es geht nicht um die vollkommene Ich-Eliminierung. In der Sprache sollte sich jedoch die kundenorientierte Haltung des Apothekers spiegeln. Und das leisten der Sie-Standpunkt und auch das Gemeinsamkeit stiftende "Wir".

Der Apotheker kann die konsequente Sie-Orientierung außerdem in seinen Mitarbeitergesprächen anwenden. So verdeutlicht er nicht nur, dass bei ihm der Mitarbeiter im Mittelpunkt steht. Überdies steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter dieses Kommunikationsmuster in ihr Sprachverhalten integrieren – der Apotheker wirkt als Vorbild – und schließlich für ihre Kundengespräche übernehmen.


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2012, Nr. 12, S. 6

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