Gesundheitspolitik

GKV-Polster beträgt 19,5 Milliarden Euro

Arzneimittelausgaben steigen wieder

Berlin (lk/ks). Statt des vor der Sparpolitik für 2011 befürchteten Finanzdesasters sind die Kassen des GKV-Systems nun prall gefüllt: Die gesetzlichen Krankenkassen haben im Jahr 2011 nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums einen Überschuss von rund vier Milliarden Euro erzielt. Bereits Ende 2012 verblieb ihnen ein Überschuss von sechs Milliarden Euro. Darüber hinaus verfügt der Gesundheitsfonds über eine Liquiditätsreserve von 9,5 Milliarden Euro.

"Die von der Bundesregierung in 2010 auf den Weg gebrachten Gesetze, insbesondere das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz und das GKV-Finanzierungsgesetz haben ihre Ausgaben-begrenzenden Ziele erreicht", so das Bundesgesundheitsministerium in einer ersten Wertung der am 7. März vorgelegten Zahlen zur GKV-Finanzentwicklung 2011. Bei einem moderaten Anstieg der Leistungsausgaben von 2,6 Prozent und einem Rückgang der Verwaltungskosten der Krankenkassen von einem Prozent sei im vergangenen Jahr ein Ausgabenzuwachs von 3,9 Milliarden Euro zu verzeichnen gewesen. Dabei standen bei sämtlichen Kassen Einnahmen in Höhe von rund 183,6 Milliarden Euro Ausgaben in Höhe von rund 179,6 Milliarden Euro gegenüber.

Begehrlichkeiten geweckt

Die komfortabel erscheinende Situation der Kassen weckt Begehrlichkeiten. Während Vertreter der Regierungskoalition die Krankenkassen in der Pflicht sehen, ihren Versicherten Prämien auszuschütten, wird von anderer Seite beispielsweise der Ruf nach einer Abschaffung der Praxisgebühr oder einer Streichung der Steuerzuschüsse laut. Die Pharmaindustrie wiederum möchte von den erhöhten Zwangsabschlägen befreit werden. Doch der GKV-Spitzenverband warnt: Die Situation ist nicht so rosig, wie es scheint. Insbesondere verweist der Verband auf die im Januar 2012 wieder deutlich gestiegenen Arzneimittelkosten.

Arzneimittelausgaben steigen im Januar um 5,5%

2011 waren die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen um vier Prozent zurückgegangen. Doch eine Wende zeichnete sich schon im letzten Quartal ab: Hier war bereits wieder ein Plus von 1,2 Prozent zu verzeichnen – nach dem zunächst deutlichen Rückgang von 5,7 Prozent im 1. bis 3. Quartal. Dieser Trend setzt sich offenbar fort: Nach der aktuellen Frühinformation des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) zur Ausgabenentwicklung sind die Ausgaben der GKV für Arzneimittel (ohne Impfstoffe) im Januar 2012 um 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat angestiegen. Dies sei hauptsächlich auf die Strukturkomponente zurückzuführen, so der DAV. Denn die Zahl der eingelösten Rezepte erhöhte sich nur um 0,6 Prozent und die Preise waren nach Angaben des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Januar rückläufig. Die gesetzlichen Abschläge der Apotheken und Hersteller an die Kassen übertrafen leicht das Vorjahresniveau, sodass in etwa das gleiche Einsparvolumen erzielt wurde, so der DAV. Der Verband verweist aber auch darauf, dass die Einsparungen durch Rabattverträge in diesen Zahlen nicht berücksichtigt sind. Im Jahr 2010 hätten sich diese auf 1,3 Milliarden Euro belaufen. Vom 1. bis zum 3. Quartal 2011 seien bisher 1,1 Milliarden Euro gemeldet worden.

Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands ist angesichts dieser DAV-Zahlen eine nüchterne Betrachtung angebracht. Derzeit profitierten die Kassen noch von dem gesetzlich angehobenen "Großkundenrabatt", also dem seit 1. August 2010 von 6 auf 16 Prozent angehobenen Herstellerabschlag für verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Festbetrag. Diese Regelung ende aber am 31. Dezember 2013, gibt der Spitzenverband zu bedenken. Den Optimismus des Ministeriums, dass im Anschluss das neue Instrument der Preisverhandlungen bei patentgeschützten Arzneimitteln greifen wird, kann er offenbar so nicht teilen. Und so wollen die Kassen ihre Überschüsse lieber weiterhin horten.

Prämienausschüttungen Fehlanzeige

Der Vize-Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Johann-Magnus von Stackelberg betonte, dass der Vier-Milliarden-Überschuss den Ausgaben von lediglich acht Tagen entspreche. Er warnte daher davor, nun eine Kürzungsdebatte vom Zaun zu brechen: "Wer nur auf die Zahlen des vergangenen Jahres schaut und auf dieser Grundlage die künftigen Einnahmen kürzt, organisiert das Minus von morgen." Jetzt, wo die finanzielle Situation stabil sei, müssten die Rücklagen für schlechte Zeiten aufgebaut und gesichert werden. "Ich habe großes Verständnis für die Krankenkassen, die auf langfristige Stabilität setzen, statt kurzfristig Prämien auszuschütten", so Stackelberg.

Zu den Kassen, die nicht an Prämienausschüttungen denken, zählt auch die Techniker Krankenkasse (TK). Sie allein hat 2011 einen Überschuss von 962 Millionen Euro erwirtschaftet. Dennoch hält TK-Chef Norbert Klusen die Finanzbedingungen des Gesundheitsfonds für zu unsicher, als dass er Ausschüttungen an die Versicherten gutheißen könnte. Er setzt auf andere Angebote für seine Versicherten, etwa die Übernahme von Kosten von homöopathischen Arzneimitteln.



AZ 2012, Nr. 11, S. 1

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