Wirtschaft

Die "Kippenpause" ist keine "zulässige" Unterbrechung

Der Gang zum Klo ist Standard – Zigarette paffen nicht immer

(bü). Es ist noch nicht lange her, dass der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft forderte, Raucherpausen in Betrieben komplett abzuschaffen – ob bezahlt oder "ausgestempelt" in Anspruch genommen. Nun ist der Rauch etwas verzogen – und der Blick wird frei für den bereits glimmenden Streit. So haben Deutschlands Richter entschieden – eine Auswahl:

Beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ging es um einen Beschäftigten einer Stadtverwaltung, der seinen Anspruch auf einen Raucherraum und Zigarettenpausen geltend machte. Der Mitarbeiter erntete jedoch für seine Kritik an den Regelungen des Nichtraucherschutzes kein Verständnis. Mit seiner Meinung, dass eine Zigarettenpause eine "zulässige Arbeitsunterbrechung" sei, blieb er allein. Denn dazu zählten nur Tätigkeiten wie der Gang zur Toilette, der Kaffee im Büro oder auch das kurze private Gespräch auf dem Flur. Das Gericht erklärte ferner, dass das Verbot der Zigarettenpause keineswegs einseitig raucherunfreundlich sei, sondern vielmehr eine Frage der Gleichbehandlung. Denn es werde ja auch von Nichtrauchern während der Kernarbeitszeit die Anwesenheit im Büro verlangt. Dazu genüge es nicht, "dass sich der Beamte oder Angestellte irgendwo auf dem Gelände des Verwaltungsgebäudes befindet". (OVG NRW, 1 A 812/08)

In einem anderen Fall ist ein Angestellter dabei ertappt worden, dass er seinen Arbeitsplatz über einen Zeitraum von zwei Monaten für insgesamt mehr als vier Stunden "zum Rauchen und Kaffee trinken" verlassen hat, ohne das Zeiterfassungssystem zu bedienen. Sein Arbeitgeber sah darin einen "erheblichen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten" und kündigte dem Mann fristlos. Das Landesarbeitsgericht Hamm hielt die Entlassung jedoch für unverhältnismäßig, da es zuvor keine Abmahnung gegeben habe. Weil diese "gelbe Karte" fehlte, behielt der Sachbearbeiter seinen Job. Hätte der Arbeitgeber diese rechtzeitig gezogen, so wäre der Mitarbeiter gewarnt – und in der Lage gewesen, sein Verhalten zu ändern. (LAG Hamm, 8 Sa 1854/10)

Vergleichbar ein Fall aus Rheinland-Pfalz: Auch dort machte ein Arbeitnehmer ausgiebige Raucherpausen. Hier kam der Arbeitgeber teilweise auf zwei Stunden am Tag, die der Mitarbeiter vor der Tür stehend an Arbeitszeit "verpaffte" – was ihm die Kündigung brachte. Zwar sah das Landesarbeitsgericht in Mainz eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Jedoch sei auch diese Kündigung unverhältnismäßig, wenn der Chef im Grunde kurze Raucherpausen genehmigt hatte und er künftig den Mitarbeiter verpflichten könne, "aus- und einzustempeln". Selbst die wegen der exzessiven Raucherpause ausgesprochene Abmahnung dürfe im Wiederholungsfall nicht zur Entlassung führen, weil sie als Reaktion überzogen sei. Hier kam hinzu, dass der Beschäftigte bereits mehr als 50 Jahre alt war und langjährig angestellt, so dass er "es schwer haben" werde, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. (LAG Rheinland-Pfalz, 10 Sa 562/09)

In Gaststätten ...

… geht es, die Arbeitnehmer betreffend, um dieselben Probleme. Hier kommt aber hinzu, dass die Gäste quasi "vor sich selbst" geschützt werden sollen. Während die Debatte über Eckkneipe, Rauchersalon und Speisegaststätte weitestgehend "verglüht" ist, standen zuletzt meist "offene" Gaststätten (zum Beispiel solche, in einem Einkaufscenter) auf dem Prüfstein.

So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass für eine Gaststätte, die in einem Innenhof eines Einkaufszentrums liegt, das Rauchverbot zu gelten haben. Sei die Gaststätte vom Einkaufszentrum baulich abgegrenzt und umschlossen, so greife nicht die Möglichkeit, den Bereich als Frei- oder Außenbereich zu deklarieren. Auch hier müssten Personen "vor der unfreiwilligen Beeinträchtigung durch Rauch in geschlossenen Räumen geschützt werden". Zwar sei das Rauchen in einem Einkaufszentrum nicht generell durch das Gesundheitsschutzgesetz verboten (weil hier meist schon durch das private Hausrecht der Geschäfteinhaber für saubere Luft gesorgt wird). Bei einer Gaststätte in einem solchen Zentrum gelte aber anderes, zumal sich dort Besucher länger aufhielten und erfahrungsgemäß mehr rauchten. (Bayerischer VGH, 22 CS 1992/11)

Anders das Verwaltungsgericht Köln. Das ist der Meinung, dass in einem offenen Café auf der Lauffläche eines Einkaufszentrums geraucht werden dürfe – vorausgesetzt, der Betreiber halte bestimmte Bedingungen ein. So dürfe er beispielsweise keine Speisen anbieten und Minderjährigen keinen Zutritt gewähren. Außerdem müsse er seinen Betrieb als Rauchergaststätte deklarieren. Einen separaten Raum für die rauchenden Gäste brauche er auf einer solchen Lauffläche nicht einzurichten. Denn das Gesetz regele den Schutz für Nichtraucher in Einkaufszentren nicht – auch dann nicht, wenn sich das Café wie hier mitten in einem geschlossenen Raum (dem Center) befindet. Das Nichtrauchergesetz setzte nicht voraus, dass die "Gastfläche in einem abgeschlossenen Raum" sein müsse. (VwG Köln, 7 K 593/09)



AZ 2012, Nr. 10, S. 5

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