Wirtschaft

Rohertrags-Monitor November 2011

Betriebswirtschaftliche Analyse der für das Apothekenhonorar relevanten (Entwicklungs-)Zahlen

Die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) neu gestaltete Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel (Rx-FAM), auch Kombimodell genannt, gilt vom Prinzip her seit Inkrafttreten des GMG (zum 1. Januar 2004) unverändert; sie ist seitdem nicht dynamisiert worden. Die betriebswirtschaftlichen Konsequenzen dieser "Inaktivität der Politik" für die Jahre 2004 bis 2010 für die öffentlichen Apotheken können dem Beitrag "Der Rohertrags-Monitor" (siehe DAZ 2011, Nr. 45) entnommen werden.

Beginnend mit dem Berichtsmonat August 2011 (siehe AZ Nr. 47/11) werden die relevanten (Entwicklungs-)Zahlen – auf der Grundlage der von Insight Health* zur Verfügung gestellten Daten – im Zeitablauf monatlich für die beiden vorangegangenen Jahre und die bisherigen Monate des aktuellen Jahres im Rohertrags-Monitor fortgeschrieben.

Dabei sind für die Honorierung der apothekerlichen Leistung, respektive für den Rohertrag der Apotheken bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln zulasten der GKV, relevant:

  • Zahl der abgegebenen Rx-FAM-Packungen,
  • Apothekeneinkaufswert (Umsatz zu Einstandspreisen) der Rx-FAM,
  • Kassenabschlag (nach § 130 SGB V),
  • Mehrwertsteuersatz.

Damit die Entwicklung im Zeitverlauf möglichst gut nachverfolgt werden kann, wird als Basis für alle verwendeten Kennziffern, so nicht ausdrücklich anders beschrieben, der entsprechende (Monats-)Durchschnitt des Jahres 2004 mit 100% angesetzt.

Mehrwertsteuer-Satz. Im Jahre 2004 wurden Rx-FAM mit einem MwSt.-Satz von 16% belegt. Dieser Satz wurde zum 1. Januar 2007 auf 19% angehoben. Das entspricht einer Erhöhung von 18,75%.

Kassenabschlag (gemäß § 130 SGB V). Der Kassenabschlag ist seit 2004 mehrfach geändert worden (vgl. " Der Rohertrags-Monitor" in DAZ 2011, Nr. 45, S. 75 – 78, Tabelle 3). Die Änderungen erfolgten zum einen aufgrund von – gerichtlich angefochtenen, und bis heute nicht abschließend beschiedenen – Schiedsstellenentscheidungen (für 2009, folgend 2010), ansonsten durch den Gesetzgeber. Der Kassenabschlag ist den Apotheken für 2009 mit 1,75 Euro, für die ersten vier Monate 2010 mit 2,30 Euro, und für die restlichen acht Monate des Jahres 2010 mit 1,75 Euro je Rx-FAM-Packung in Rechnung gestellt, und entsprechend in den Apotheken-Bilanzen verbucht worden. Für das Jahr 2011 beträgt der Kassenabschlag ganzjährig gemäß Gesetzgebung (AMNOG) 2,05 Euro.

Abb. 1: Entwicklung der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in den Monaten Januar 2009 bis November 2011 (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Entwicklung der Zahl der GKV-Rx-FAM-Packungen, November 2011. Mit 51,5 Mio. zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen ist der November absatzmäßig der (bislang) zweitstärkste Monat des Jahres. Das sind gut 1,9 Mio. (oder 3,9%) mehr abgegebene Packungen als im Oktober, und fast 1,1 Mio. (oder 2,1%) mehr Packungen als im November 2010. Damit wurden in den ersten elf Monaten des Berichtsjahres (mit 536,7 Mio. Rx-FAM-Packungen) rund 3,4 Mio. (oder gut 0,6%) mehr Packungen zulasten der GKV abgegeben als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (533,3 Mio. Rx-FAM-Packungen). Folglich ist auch der (packungsbezogene) Rohertragsanteil aus Beratung und Abgabe von Rx-FAM – vor Kassenabschlag – in den ersten elf Monaten 2011 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um gut 0,6% angestiegen. Nach Abzug des Kassenabschlags (von 2,05 Euro je Rx-FAM-Packung in 2011) ist dieser packungsbezogene Rohertragsanteil gegenüber dem Vorjahreszeitraum allerdings um 0,6% gefallen; einer erhöhten (Beratungs-) und Abgabefrequenz stehen im Berichtsjahr also geringere Roherträge gegenüber.

Auf der Basis des Monatsdurchschnitts 2004 (2004 = 100) ist in den ersten elf Monaten 2011 ein Zuwachs bei der Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM von rund 11,2% zu verzeichnen (vgl. Abb. 1). Dies ist – natürlich – auch mit einem entsprechend höheren (Beratungs-) Aufwand (betriebswirtschaftlich betrachtet: Kostenanstieg) in den Apotheken verbunden.

Abb. 2: Entwicklung der Apotheken-Einkaufswerte der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in den Monaten Januar 2009 bis November 2011* (Monatsdurchschnitt 2004 = 100).

Entwicklung des Apotheken-Einkaufswertes bei GKV-Rx-FAM, November 2011. Das Volumen des Apotheken-Einkaufswertes für zulasten der GKV verordnete Rx-FAM ist im November gegenüber dem Vormonat um knapp 2,8% gestiegen. Bezogen auf den Zuwachs bei den abgegebenen Packungen (von 3,9%) wurden im Berichtsmonat also vermehrt günstigere (kleinere, preiswertere) Rx-FAM verordnet als im Oktober. Mögliche Ursachen: Gerade im ersten Quartal eines Monats (hier: Oktober) werden vermehrt "Dauerverordnungen", also Großpackungen verordnet; die Ärzte verschreiben vermehrt Generika.

Und auch im Vergleich zum November 2010 ist das Volumen des Apotheken-Einkaufswertes für zulasten der GKV verordnete Rx-FAM im Berichtsmonat um knapp 2,8% gestiegen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass gemäß Artikel 11b, AMNOG, die Abgabepreise der pharmazeutischen Hersteller (ApU) gegenüber 2010 um 0,85% abgesenkt werden mussten. Da Großhandel und Apotheken diesen Abschlag (Verlust) zu tragen haben, ist das Umsatzvolumen der Hersteller im November 2011 gegenüber dem Vorjahresmonat tatsächlich um mehr als 3,6% gestiegen, bei einem Packungszuwachs von 2,1%.

Das Apotheken-Einkaufsvolumen hat in den ersten elf Monaten des Berichtsjahres gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um gut 1,2% (oder um rund 217 Mio. Euro) zugelegt, und damit – trotz gesetzlich festgelegter Absenkung des ApU um 0,85% – in wesentlich stärkerem Umfang als die Zahl der im selben Zeitraum zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen (0,6% bzw. 3,4 Mio. Packungen). Der durchschnittliche Einkaufswert einer zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packung ist also weiter gestiegen; und das, obwohl der Anteil der Generika am GKV-Gesamtabsatz, packungsbezogen, immer noch zunimmt.

Während bei der Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen in den ersten elf Monaten des Berichtsjahres gegenüber 2004 ein Zuwachs von 11,2% konstatiert werden kann, ist das Einkaufsvolumen im selben Zeitraum annähernd doppelt so schnell, nämlich um 21,1%, angestiegen (s. Abb. 2). Dabei haben die Herstellerrabatte (gemäß § 130a Abs. 1 – 3b und 8 SGB V) nicht Eingang in diese Berechnung gefunden, da die entsprechenden Daten nicht verfügbar sind.

Abb. 3: Betriebshandelsspanne aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM in % des Bruttoumsatzes in den Monaten Januar 2009 bis November 2011* (Vergleich: Jahresdurchschnitt 2004).

Entwicklung des Apotheken-Rohertrages und der Apotheken-Handelsspanne aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM, November 2011. Aufgrund der größeren Zahlen an zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen (von 3,9%) und des damit verbundenen höheren Einkaufsvolumens (von 2,8%) konnte der absolute Rohertrag im November 2011 gegenüber dem Vormonat um 3,7% zulegen. So verbesserte sich auch die Betriebshandelsspanne in % des Bruttoumsatzes von 14,96% im Oktober 2011 um 0,12%-Punkte auf 15,08% im November. Gleichzeitig muss auch konstatiert werden, dass im November 2011 im Vergleich zum Vorjahresmonat, trotz einer Zunahme der Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM-Packungen (von 2,1%) und des zugehörigen Einkaufsvolumens (von 2,8%), der aus diesen Beratungs- und Abgabevorgängen gesetzlich zugestandene, absolute Rohertrag der Apotheken um 2,1% (oder mehr als 4,5 Mio. Euro) zurückgegangen ist. Folglich liegt auch die Betriebshandelsspanne mit 15,08% des Bruttoumsatzes um fast 0,5 Prozentpunkte unter dem Vergleichswert des Vorjahresmonats (mit 15,57%)!

Bezogen auf die ersten elf Monate des Berichtsjahres hat sich der absolute Rohertragsverlust sogar auf 16,1 Mio. Euro summiert, trotz einer Zunahme der zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM von 3,4 Mio. Packungen. Auch Folge des gesetzlich erhöhten Kassenabschlags von 2,05 Euro je Rx-FAM-Packung. Und damit fiel auch die Handelsspanne für die ersten elf Monate des Jahres 2011 auf einen erneuten Allzeit-Tiefstand von 15,19% des Bruttoumsatzes.

Fazit: In den Apotheken wird der Aufwand (an Beratungsintensität, -umfang und -kosten) – nicht zuletzt aufgrund leicht gestiegener Packungszahlen und der vermehrten Verpflichtung zur Abgabe von rabattbegünstigten Rx-FAM zulasten der GKV – größer. Der Rohertrag in Prozenten des Bruttoumsatzes (mehr noch, selbst der absolute Rohertrag) nimmt immer weiter ab. Im ersten Jahr der Umstellung, 2004, lag er noch bei 17,91%. Verantwortung für diese unsägliche Entwicklung trägt der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber mit seiner andauernden "Inaktivität". Dabei wäre die Politik gemäß § 78 Abs. 2 AMG an sich längst gefordert, den Festzuschlag (von 8,10 Euro) endlich entsprechend anzupassen, zu erhöhen.


Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Unternehmensberater, langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e.V., Essen, E-Mail: uwe.huesgen@web.de


*Insight Health ist ein führender Informationsdienstleister im Gesundheitsmarkt mit einem breiten Portfolio datenbasierter Services zur Markt- und Versorgungsforschung. Der Erfolg von Insight Health liegt in der Bereitstellung individueller Lösungen für die pharmazeutische Industrie, Krankenversicherungen, Ärztevereinigungen, wissenschaftliche Institute, Behörden, Politik und weitere Entscheider im Gesundheitsmarkt. Weitere Informationen über Insight Health finden Sie unter www.insight-health.de.



AZ 2012, Nr. 1-2, S. 2

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