Aus Kammern und Verbänden

Verbrechen aus zarter Hand

"Frauen morden zu 90 Prozent mit Gift", begann Dr. Erika Eikermann ihren Vortrag vor 60 ostfriesischen Apothekern und PTA in der PTA-Schule Leer. Die Kölner Pharmaziehistorikerin fesselte die Zuhörer mit spektakulären Giftmordfällen von der Antike bis in unsere Zeit.


Medea, die Urmutter aller Giftmischerinnen in der griechischen Mythologie, inspirierte die Römerin Agrippina, ihren Gatten Kaiser Claudius mit einem Eisenhut-Extrakt (Wirkstoff Aconitin) umzubringen. Das ermöglichte die Inthronisierung ihres Sohnes Nero aus früherer Ehe. Der bekanntermaßen grausame Kaiser ließ Agrippina später umbringen – seine Form der "Dankbarkeit".

Arsen – König der Gifte

Seit der Renaissance war Arsen (genauer: Arsenik = Arsentrioxid) jahrhundertelang das populärste Gift. Mit ihm tötete die Berliner Geheimrätin Sophie Ursinus, bestens durchdacht und ausgeführt, nacheinander ihren Ehemann, dann den Geliebten und die Erbtante; Arsen hatte auch den Beinamen "Erbschaftspulver".

Die schwungvolle Referentin schilderte die Verbrechen der Gesche Gottfried als einen Höhepunkt weiblicher Giftmord-Kriminalistik. Gottfried hatte mehr als 30 Personen in ihrer Umgebung wahllos, aber raffiniert vergiftet. Das Geständnis der biederen Hausfrau erschütterte damals die Stadt. An ihre öffentliche Hinrichtung auf dem Bremer Marktplatz im Jahr 1831 erinnert noch heute "Gesches Spuckstein" vor dem Rathaus.

Nachdem der Engländer James Marsh 1836 eine Methode entwickelt hatte, Arsen im Körpergewebe eindeutig nachzuweisen, blühten die Giftpflanzen wieder auf. Ihre Wirkstoffe Nicotin, Atropin, Morphin und der Klassiker Aconitin waren die zarten Waffen mordlustiger Frauen; auch Strychnin, das sie wegen seines bitteren Geschmacks ins noch bitterer schmeckende Bier mischten.

Auch KCl kann töten

Neue Substanzen wie Zyankali, E 605 und das thalliumhaltige Rattengift Zelio® wurden erst einmal auf ihre "Tauglichkeit" getestet, oft an Hunden. Bei Erfolg wurden sie in Eierlikör, Marmorkuchen oder Pudding verabreicht. Auf das Applikationsmedium kam es an!

Erika Eikermann schloss ihre Ausführungen mit dem "Todesengel von Wuppertal", einer Krankenschwester, die ihre Patienten in Serie mit Kaliumchlorid-Infusionen tötete. Dosis sola facit venenum!


Gerhard Janssen und Raphaela Weber



DAZ 2011, Nr. 9, S. 90

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