Fachmedien

Freiverkäufliche Arzneimittel – ein Klassiker nicht nur für den Einzelhandel

In völlig überarbeiteter und erweiterter Form präsentiert sich die 7. Neuauflage des Standardwerkes zum Thema freiverkäufliche Arzneimittel. Als ausgewiesenes Handbuch für den Einzelhandel besetzt das Fachbuch seit Jahren einen festen Platz. Wenn es um die Grundlagen und Fragestellungen rund um den Themenkomplex der freiverkäuflichen Arzneimittel geht, ist der Begleiter für die Vorbereitung zum Erwerb der Sachkenntnis im Einzelhandel nicht wegzudenken.

Was wird dem Leser an Neuem geboten?

Das Fachbuch besitzt im Vergleich zur 6. Auflage ein etwas größeres Format und hat auch inhaltlich mit mittlerweile über 400 Seiten an Umfang deutlich zugelegt. Der Aufbau ist dabei gut strukturiert, was schon anhand des Inhaltsverzeichnisses erkennbar wird. Trotz inhaltlichem Zuwachs wirkt der Textkörper gelockert und weniger kompakt und "enggedruckt" als sein Vorgänger. Das Lesen gestaltet sich angenehmer. Fachwissen wird nun von vier statt drei Autoren aufbereitet und inhaltlich in drei Abschnitten (I Erwerb der Sachkenntnis, II Arzneimittelkunde, III rechtliche Grundlagen) dargestellt. Die Strukturierung bleibt damit dem bewährten Konzept der Vorgängerauf-lage treu.

Als neue und sinnvolle Ergänzung findet sich ein Abschnitt zur Vorbereitung auf die Sachkenntnisprüfung mit einem nach Themen sortierten Fragenkatalog von 160 Fragen und Antworten und Kommentaren. Das Buch richtet sich an Personen, welche die Sachkunde-prüfung ablegen wollen, stellt aber auch für die Weiterbildung der Fachprüfer, für den Einsatz in der Offizin oder in der Aufsichtsbehörde für freiverkäufliche Arzneimittel ein hilfreiches Nachschlagwerk zur Auffrischung oder Vertiefung der Kenntnisse dar.

Kenntnis von den wichtigsten 60 Drogen

Teil I umfasst auf ca. 100 Seiten das Kompaktwissen, das für den Erwerb der Sachkenntnis im Einzelhandel für freiverkäufliche Arzneimittel erforderlich ist. Der Lernende wird schrittweise mit dem Grundlagenwissen der sieben Prüfungsgebiete vertraut gemacht, die im §4 der Verordnung über den Nachweis der Sachkenntnis im Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln festgelegt sind. Beginnend mit dem Arzneimittelbegriff und seiner Abgrenzung zu anderen Produktgruppen wird das Sortiment der wichtigsten freiverkäuflichen Arzneimittel (Pflanzen, Chemikalien) anhand von Indikationsgebieten aufgerollt. Als Mindestwissen wird dabei die Kenntnis von den wichtigsten 60 Drogen postuliert, die gemäß einer Sortimentsanalyse überwiegend in Reformhäusern und Verbrauchermärkten angeboten werden. Das Basiswissen der Einzeldrogen wird dabei geordnet nach Indikationsgebieten (z. B. Nierenblasenmittel, Erkältungsmittel) in Kurzmonographien dargestellt. Die vermittelten Grundlagen sind in den Einzeldrogen-Besprechungen auf das Wesentliche beschränkt und gut zu erfassen. Sie dürften aber für Leser ohne pharmazeutische Vorkenntnisse eine echte Herausforderung bedeuten.

Eine gelungene Neuerung stellen die mit einem Dreieck ▶ markierten Hinweistafeln dar, die den Leser regelmäßig im Text auf wichtige, praxisrelevante Informationen aufmerksam machen. Diese Texttafeln sind inhaltlich prägnant und fallen optisch durch einen anders gesetzten Schriftsatz im Text auf.

So wird der Leser z. B. auf wichtige Wechselwirkungen und Einschränkungen bei Johanniskrautpräparaten aufmerksam gemacht, über Unterschiede zwischen Rotem und Weißem Ginseng informiert und darüber, dass Teebaumöl in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen ist. Es wird damit noch einmal verdichtet auf wichtige Details für die Beratung in der Selbstmedikation hingewiesen. Dem um Sachkunde bemühten Leser werden wertvolle praxisnahe Anregungen im Sinne eines Aha-Erlebnisses vermittelt.

Die Hervorhebung berücksichtigt auch wichtige rechtliche Aspekte und deren Konsequenzen bei Nichteinhaltung, z. B. wenn ein Verfalldatum nicht beachtet wird. Auch die Grenzziehung in Bezug auf die Tätigkeiten, die per Ausnahme-Regelung dem Einzelhändler ohne Herstellungserlaubnis nach §13 AMG erlaubt sind, wird verdeutlicht durch den Hinweis, dass sich die Ausnahme nur auf das Umfüllen in unveränderter Form bezieht.

Hoher Anspruch

Auch wenn die Ausführungen zu den sieben Prüfungsgebieten (vgl. §4 der VO über den Nachweis der Sachkunde) in diesem Teil umfangreich sind, ist keines der Kapitel zu breit dargestellt oder gar überflüssig. Im Gegenteil, man wünscht sich das Abprüfen dieser Kenntnisse möglichst konsequent und flächendeckend, denn nur so ist von einer Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen auszugehen. Damit das Personal im Einzelhandel vor Ort die Vorgaben einhalten kann, muss es sie in erster Linie kennen und sicher beherrschen. Am zu Recht hoch angelegten Anspruch, für den das Lehrbuch steht, sind daher keine Abstriche zu machen.

Fertigarzneimittelkunde

Der zweite Teil dieses Buches widmet sich der Fertigarzneimittelkunde. Hier erfolgt für die wichtigsten Anwendungsgebiete (25 werden beschrieben) beginnend mit allgemeinen Erläuterungen eine Besprechung der Arzneimittel und ihrer Wirkungen (wirksame Bestandteile etc.), jeweils abschließend mit einer kleinen Auswahl von Fertigarzneimitteln. Auch Tierarzneimittel werden hier abgehandelt. Das Konzept der Vorgängerausgabe wurde beibehalten und die Abschnitte inhaltlich überarbeitet. Dem Kapitel 11 (Arzneimittelanwendung) würden einige Abbildungen oder Darstellungen als Beispiele für Darreichungsformen zur Auflockerung des Textkörpers gut tun.

Der Autor weist zu Recht darauf hin, dass der Einzelhändler Veränderungen in der Zusammensetzung der wirksamen Bestandteile verfolgen soll und sich vergewissern muss, ob sich bei den im Geschäft vorliegenden Arzneimitteln etwas geändert hat. Er weist darauf hin, dass einige Produkte, die heute als Nahrungsergänzungsmittel u. a. im Handel sind, früher als Arzneimittel eingestuft wurden und wie trickreich die Zweckbestimmung teilweise verschleiert und eine Zuordnung erschwert wird (z. B. durch Entfernung einer medizinischen Auslobung, Weglassen von Konzentrationsangaben etc.). Eine kritische Betrachtung des Etiketts seitens der Einzelhändler ist insbesondere in dem Grenzbereich erforderlich, in dem bereits zahlreiche gerichtlich ausgetragene Abgrenzungsstreitigkeiten stattfanden. Ich verweise auf das Kapitel 36 (Gelenke, Bewegungsapparat), in dem u. a. der Wirkstoff Glucosamin beschrieben wird. Dieses Kapitel hätte man sich in Hinblick auf die bisherigen zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen zu Glucosamin-Produkten etwas ausführlicher gewünscht. Der Grenzwert als Tagesdosis von Glucosamin wurde hier leider nur kurz gestreift. Ein Hinweis auf die Positionierung der EMA (damals noch EMEA) und BfArM zur Abgrenzung Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel hätte man erwähnen können. Bei Überwachungsmaßnahmen führen Produkte aus dieser Kategorie im Einzelhandel, Sportnahrungsgeschäften usw. nach wie vor zu Beanstandungen, oft aufgrund mangelnder (oder vorgeblich nicht vorhandener) Kenntnisse der Einzelhändler.

Rechtliche Grundlagen

Im dritten und letzten Teil werden die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen, resultierend aus dem Arzneimittelgesetz und dem Heilmittelwerbegesetz (die wichtigsten Aspekte) eng am Gesetzestext dargestellt. Das Arzneimittelgesetz wird dabei in seiner Historie, dem Aufbau und Inhalten im Überblick veranschaulicht. Die Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel wird aufgrund der Bedeutung für den Einzelhandel ausführlich abgehandelt. In der 6. Auflage wurde der Text der Anlagen zu der VO lediglich fortlaufend abgedruckt. In der neuen Ausgabe findet der Leser neben der Auflistung (Positivlisten) eine Spalte mit Bemerkungen und Querverweisen auf die Einzelbesprechung der Drogen und Chemischen Stoffe im Textteil I, sowie Hinweisen zu Monographien in Arzneibüchern. Diese Kommentarspalte ist ein hilfreicher Kompass um in der Vielzahl der in den Anlagen genannten Stoffen und Darreichungsformen den Überblick zu behalten unter welchen Bedingungen jeweils eine Substanz freiverkäuflich ist oder nicht.

Der Abschnitt der sich mit den freiverkäuflichen Arzneimitteln beschäftigt, die im Arzneimittelgesetz im §44 Abs. 2 AMG direkt aufgeführt sind wäre in einigen Punkten noch ausführlicher zu wünschen. Zum Thema TCM-Drogen wäre ein eigener Abschnitt mit Darstellung des derzeitigen Sachstandes der Diskussion, der Rechtslage, Übersicht zu vorhandenen und geplanten TCM-Monographien etc. aufgrund der Bedeutung in der Praxis sinnvoll gewesen. Das kann als Leserwunsch für die nächste Aufgabe verbucht werden.

Diesen Teil und das Buch als solches rundet abschließend der bereits erwähnte neue Fragenkatalog ab, mit dem das erworbene Wissen getestet werden kann.

Fazit

Das Buch ist nicht nur für die Zielgruppe der Sachkunde-Prüflinge ein guter Kompass und umfassender Leitfaden, sondern ist auch für die öffentliche Apotheke und in den Inspektoraten, die für die Überwachung vor Ort zuständig sind als Handbuch zu empfehlen.

Die dargestellten Themen und Arzneimittel zur Selbstmedikation sind nicht nur im Einzelhandel, sondern auch in jeder Apotheke Bestandteil der täglichen Praxis. Freude und mehr Kurzweil beim Lesen wäre nur noch durch einige Photos und Abbildungen zu erreichen.

Mit veralteter Literatur zu arbeiten macht wenig Freude – insofern ist ein Austausch oder Neuanschaffung der 7. Auflage sicher eine gute und sinnvolle Investition.


Werner Fresenius, Herbert Niklas und Heinz Schilcher, Freiverkäufliche Arzneimittel, Vorbereitung auf der Sachkenntnisprüfung und Leitfaden für die Praxis im Einzelhandel, 7. überarbeitete und erweiterte Auflage 2010. XV, 420 Seiten, 1 s/w Abbildung, 28,90 Euro (Subskriptionspreis bis 28. Februar 2011: 24,80 Euro). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. ISBN 978-3-8047-2612-3


Dr. Heide Schütt, Apothekerin und Überwachungsbeamtin für die Apotheken- und Arzneimittelaufsicht, Amt für soziale Angelegenheiten, Trier


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DAZ 2011, Nr. 8, S. 108

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