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Primadonna hinterlässt Ruine

BERLIN (lk). 15 Jahre lang galt sie als einflussreichste Lobbyistin in Bonn und Berlin. Formte viele Gesundheitsreformen mit Charme und Geschick. Jetzt musste Cornelia Yzer beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ihren Stuhl räumen – das erste Personalopfer des AMNOG. Aber es gibt auch andere Gründe: Der ehemaligen CDU-Abgeordneten werden intern Versäumnisse und Ungeschicklichkeiten in der Verbandsführung vorgehalten.
Wechsel auf eigenen Wunsch? Der Abgang von Cornelia Yzer beim vfa dürfte nicht ganz freiwillig gewesen sein. Foto: vfa

Auf den ersten Eindruck klingt die Info wie eine gewöhnliche Personalie: Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), kehrt der Lobbyvereinigung der pharmazeutischen Industrie zum 1. Juni 2011 den Rücken, "um sich einer neuen beruflichen Aufgabe zu stellen". 15 Jahren sind eine lange Zeit. Es wäre nicht das erste Mal, dass es eine ehrgeizige Person zu neuen Herausforderungen treibt.

Auch das offizielle Pressestatement klingt nach Normalität: "Nach 15 arbeitsintensiven und spannenden Jahren in einer Branche, deren Arbeit wie kaum eine andere unmittelbar den Menschen hilft, will ich mich nun einer neuen Herausforderung stellen", teilte die 49-Jährige am 10. Februar mit. "Eine so lange Zeit diesen bedeutenden Wirtschaftsverband geleitet zu haben, erfüllt mich ebenso mit Dankbarkeit wie das große Vertrauen, das mir der Verband und seine Mitgliedsfirmen stets entgegengebracht haben. Gleichzeitig freue ich mich nun darauf, mich einer neuen beruflichen Aufgabe zu widmen." So weit so gut.

Lauscht man aber einmal hinter die Kulissen, zeigen sich rasch Risse in der offiziellen Kosmetik. Statt Lob hagelt es Kritik. Wie in delikaten Personalien üblich, will sich niemand öffentlich zu den Vorwürfen bekennen. Aber übereinstimmend bilden sich mehrere Kritikfelder heraus: Yzer werden schwere Fehleinschätzungen und taktische Fehler im Zusammenhang mit dem AMNOG vorgeworfen. "Primadonnenhaft" habe sie zudem den vfa geführt und ihre Kontakte zur wichtigen EU-Ebene schleifen lassen.

So heißt es in der Branche, Yzer habe noch kurz vor Bekanntgabe des für die Arzneimittelhersteller schmerzhaften Preismoratoriums und der Aufstockung der Zwangsrabatte im vfa-Vorstand Entwarnung gegeben. Doch statt der versprochenen goldenen Zeiten zimmerte Gesundheitsminister Philipp Rösler das radikalste Spargesetz aller Zeiten für die Hersteller. Sie habe die Lage völlig falsch eingeschätzt und den FDP-Versprechen geglaubt. "Das war ein brutaler Bruch. Yzer galt immer als eine, die es einschätzen konnte. Ihr Rückzug ist nur konsequent und keine Überraschung", heißt es.

Wenig Fortune bewies die ansonsten medienwirksame Interessenvertreterin auch bei ihren TV-Auftritten. Beim TV-Talk bei Anne Will vermochte sie ebensowenig mit klaren Argumenten für die Anliegen der forschenden Arzneimittelhersteller zu überzeugen wie bei TV-Interviews zum AMNOG.

Angelastet wird der Ex-vfa-Chefin zudem, dass sie ausgerechnet in der heißen Phase der Gesetzgebung Steffen Wahler, den Leiter des wichtigen Geschäftsbereichs "Gesundheitsökonomie", "abgemeiert" und durch einen politisch unerfahrenen Nachfolger ersetzt habe. Der vfa sei intern eine "ziemliche Ruine", heißt es. Yzers ehemaliger Büroleiter Bork Bretthauer wechselte inzwischen zur Lobby-Konkurrenz Progenerika. Ebensfalls ein Indiz für die schlechte Stimmung beim vfa. Auch mit Dr. Ulrich Vorderwülbecke, vfa-Geschäftsführer für Marktordnung/Gesundheitssystem, überwarf sich Yzer bis hin zu rechtlichen Auseinandersetzungen.

"Wer nicht für sie ist, ist gegen sie", wird der ehemaligen Staatssekretärin der Regierung Helmut Kohl ausgeprägtes Freund-Feind-Denken nachgesagt. Mehr noch: Ausgerechnet die vierköpfige vfa-Abteilung für Nutzenbewertung sei unbesetzt gewesen, als das Rösler-Ministerium den Arzneimittelherstellern im letzten Sommer die Daumenschrauben bei der Preisgestaltung angezogen habe.

Jetzt zieht es Cornelia Yzer nach Spiegel-Online-Informationen zum europäischen Pharmaverband EFPIA. Ob der Wechsel von Berlin nach Brüssel ein Karrieresprung ist, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Andere sehen darin eher eine Maßnahme zur Familienzusammenführung.



DAZ 2011, Nr. 7, S. 22

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