Rezepturen

Hanfölcreme nach Staehler

In der DAZ-Serie "Rezepturprobleme erkennen und lösen" stellt Apotheker Dr. Gerd Wolf regelmäßig aus seiner Sicht problematische Rezeptur-Beispiele aus der Praxis zur Diskussion und unterbreitet Optimierungsvorschläge. In der DAZ 2010, Nr. 42 hatte er unter dem Titel: "Viele Inhaltsstoffe, viele Probleme" eine Hanfölcreme kritisiert, die auf Verordnung des Münchner Urologen Priv.-Doz. Dr. Michael Staehler von der Apotheke des Klinikums der Universität München angefertigt worden ist. Der Bereichsleiter Herstellung der Apotheke, Dr. Jürgen Babl, und Dr. Staehler haben zusammen mit dem Münchner Dermatologen Prof. Dr. Andreas Wollenberg diese Kritik für eine wissenschaftliche Erwiderung zum Anlass genommen, die wir im Folgenden zusammen mit einer Antwort von Dr. Wolf wiedergeben.
Das Hand-Fuß-Syndrom ist eine gefürchtete Komplikation unter der Therapie mit Multi-Tyrosinkinase-Inhibitoren wie Sunitinib und Sorafenib. Eine Hanfölcreme soll Linderung verschaffen, doch die Rezeptur stößt auf Kritik. Foto: PD Dr. M. Staehler

"Von Geschichten zu wissenschaftlichen Fakten"


Eine wissenschaftliche Erwiderung zum Beitrag von G. Wolf: Viele Inhaltsstoffe – viele Probleme, in DAZ 2010, Nr. 42 von Jürgen Babl (Apotheke des Klinikums der LMU, München), Andreas Wollenberg (Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der LMU, München) und Michael Staehler (Urologische Klinik und Poliklinik, LMU München, Klinikum Großhadern)


Den Artikel "Viele Inhaltsstoffe – viele Probleme" haben wir mit höflichem Interesse gelesen [1]. In diesem Artikel unterstellt der Autor Dr. G. Wolf der Apotheke des Klinikums der Universität München mangelnde Rezepturprüfung auf Instabilität sowie eine Unterdosierung von Wirkstoffen bezüglich einer für die urologische Klinik hergestellten Hanfölcreme zur Prophylaxe Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor (MKI) assoziierter Hand-Fuß-Syndrome (HFS). Mehrere Aspekte des Artikels fordern eine wissenschaftlich fundierte Erwiderung ein:

Historisches

Aus historischer Sicht ist anzumerken, dass der Urologe PD Dr. Staehler bei der regelmäßigen supportiven Anwendung einer von einer Patientin in Eigenversuchen erstellten Hanfölcreme eine deutliche Reduktion des HFS erkannte. Er kam mit der Bitte einer rezepturmäßigen Herstellung auf die Apotheke zu. In einer fachlichen Diskussion über das nicht erkennbare Wirkprinzip, die auch von Apothekenseite zunächst geführt wurde, konnte er glaubhaft deren besondere Wirksamkeit zur Prophylaxe des MKI-induzierten HFS darlegen. Eine Therapieempfehlung mit höherer Evidenz besteht bis heute nicht. Von ärztlicher Seite waren möglichst geringe Veränderungen an der klinisch wirksamen Originalrezeptur gefordert, von Apothekenseite wurden qualitativ notwendige Änderungen durchgeführt und eine reproduzierbare Herstellungsmethode entwickelt. Die von Apothekenseite modifizierte Rezeptur dieser Hanfölcreme wurde schließlich in einer Übersichtsarbeit von Professor Dr. Wollenberg und PD Dr. Staehler im "Hautarzt" als im Klinikalltag wirksame Prophylaxe des MKI-assoziierten HFS veröffentlicht [2].

Mikrobielle Stabilität

Wolf behauptet, die publizierte Rezeptur der Hanfölcreme würde kein Konservierungsmittel enthalten und wäre kontaminationsanfällig. In dem im Hautarzt publizierten Artikel von Wollenberg und Staehler wurden aber die fünf in der Hanfölcreme enthaltenen Konservierungsstoffe, die sich teilweise aus einer Konservierung der eingesetzten Einzelbestandteile ergeben, aufgeführt [2].

Untersuchungen von drei Chargen der Hanfölcreme durch das Max-von-Pettenkofer-Institut der LMU belegen die mikrobielle Stabilität und Unbedenklichkeit der Rezeptur und widerlegen damit die Behauptung von Wolf.

Das Vorhandensein von fünf Konservierungsmitteln ist jedoch aus allergologischer

Sicht als nicht optimal zu bezeichnen. Daher wurden mittlerweile zwei bisher zur Herstellung eingesetzte Fertigarzneimittel konzentrationsäquivalent durch die Rohstoffe Dexpanthenol und Aloe Vera Gel 10-fach konzentriert ersetzt. Die wässrige Phase wurde jetzt nur mit Kaliumsorbat 0,15% konserviert und mit Citronensäure der pH-Wert auf ca. 5 eingestellt, um eine wirksame Sorbinsäurekonzentration zu erreichen [3]. Hierbei ist ein höherer Anteil an Citronensäure nötig, als das sonst übliche Mengenverhältnis 2:1 (Kaliumsorbat/Citronensäure), um den in wässrigen Lösungen schwach basisch reagierenden Emulgator Tego Care PS zu neutralisieren [4].


Abb 1: Hanfölcreme nach 4 Wochen Lagerung ChB.:A20101014-02 (Vergr: 20x3900) Foto: Dr. Jürgen Babl, München

Galenische Stabilität

Wolf behauptet, die publizierte Hanfölcreme sei aufgrund des hohen Öl- und Emulgatoranteils galenisch instabil. Diese Behauptung stützt er auf Empfehlungen des Emulgatorherstellers zur maschinellen O/W-Cremeherstellung und auf eigene, publizierte Untersuchungen zur Instabilität einer Vitamin-B12 -Creme. Die von ihm publizierten Untersuchungen wurden allerdings mit Tego Care 450 (Polyglyceryl-3-Methylglucose-Distearat) durchgeführt und darüber hinaus technologisch nicht korrekt interpretiert [5]. Sowohl die von Wolf kritisierte Vitamin-B12 -Creme als auch die publizierte Hanfölcreme enthalten nämlich einen anderen Emulgator, Tego Care PS (Methylglucose-Sesquistearat, Taxe-Handelsbezeichnung: Emulsan II SP).

Die von Wolf beschriebenen "instabilen Primäremulsionen" sind W/O-Emulsionen, die sich besonders bei höherer Emulgatorkonzentration bilden. Das Verhalten dieser Emulsionen beim Abkühlen wird in der Produktinformation der Emulgatoren und von Wolf gleichlautend beschrieben [4, 5, 6]. Das "Brechen der Emulsion" entspricht der Phasenumkehr, die sich durch deutliche Inhomogenität auszeichnet. Hier muss unter geringer weiterer Zugabe der wässrigen Phase ständig weitergerührt werden, bis die Phasenumkehr abgeschlossen ist und "die Emulsion schlagartig wieder homogen" wird. Wolf selbst bestätigt die "anhaltende" Stabilität der mit dieser Herstellungsmethode produzierten Emulsion [5].

Tego Care PS und Tego Care 450 haben zwar als Zuckertenside ähnliche Eigenschaften, können aber entsprechend schriftlicher Auskunft der Anwendungstechnikabteilung des Emulgatorherstellers nicht ohne Weiteres in Rezepturen ausgetauscht werden [7]. Eigene vergleichende Untersuchungen

bestätigen, dass bei Tego Care 450 die Phasenumkehr erst bei ca. 25% höherem Anteil der wässrigen Phase stattfindet. Instabilitätsvoraussagen, die auf

Beobachtungen mit Tego Care 450 vor der Phasenumkehr (W/O-System) beruhen, können nicht auf Rezepturen mit Tego Care PS nach der Phasenumkehr (O/W-System) übertragen werden und sind unwissenschaftlich.

Bei unserer Herstellungsmethode wird die erwärmte wässrige Phase ohne Aloe-Vera-Gel anteilig in die aufgeschmolzene lipophile Phase (65 °C) eingearbeitet. Die Phasenumkehr ist temperaturabhängig und tritt bei 40 °C nach der Zugabe von ca. 80% der wässrigen Phase auf. Es resultiert eine sehr homogene und stabile Creme mit einem durchschnittlichen Öltröpfchendurchmesser unter 15 μm, wie ein mikroskopisches Bild nach vier Wochen Lagerung zeigt (Abb. 1). Für diese Standardherstellungsmethode sind keine besonderen Geräte nötig – Pistill und Fantaschale reichen aus. Langzeituntersuchungen zur Stabilität liegen aufgrund der rezepturmäßigen Herstellung nicht vor, nach drei Monaten Lagerung treten aber weder mikroskopische noch makroskopische Veränderungen auf. Bislang wurden auch keine Reklamationen bezüglich dieser seit 18 Monaten hergestellten Hanfölcreme in unserem Qualitätsmanagementsystem erfasst, was wir als Hinweis auf die Stabilität unter Praxisbedingungen werten.

Harnstoff-Stabilität – Pufferung

Wolf fordert den Zusatz eines Milchsäure-Natriumlactat-Puffers ein. Das NRF beschreibt eindeutig, das Harnstoff in wässrigen Lösungen bei einem pH-Wert von 5 bis 6 sehr stabil ist [8]. Dieser pH-Wert lag in der publizierten Hanfölcreme vor und wurde als Inprozesskontrolle auch dokumentiert. In unserer inzwischen mit Kaliumsorbat konservierten Rezeptur wird ein pH-Wert von 5 durch die Zugabe von Citronensäure eingestellt. Bei der geringen Harnstoffkonzentration unserer Rezeptur ist folglich der Zusatz eines Milchsäure-Natriumlactat-Puffers nicht notwendig, da die Pufferkapazität der Rezepturbestandteile ausreicht.

Zusatz von Antioxidanzien

Wolf fordert die Zugabe eines Antioxidans. Bei der maschinellen Herstellung von Zuckertensidemulgator-Cremes beschreibt er, dass bei kleinen Ansätzen prozessbedingt größere Mengen Luft eingearbeitet werden [9]. Hier kann der Zusatz eines Antioxidans bei Verarbeitung von Ölen mit ungesättigten Fettsäuren erforderlich sein.

Bei unserer Herstellungsmethode ist der eingearbeitete Luftanteil deutlich geringer und die Zugabe eines Antioxidans entbehrlich. Zudem ist uns keine Empfehlung des NRF bekannt, wonach der Zusatz von Antioxidanzien zu Ölen mit ungesättigten Fettsäuren grundsätzlich bei einer rezepturmäßigen Herstellung mit begrenzter Haltbarkeit und Abpackung in Aluminiumtuben gefordert würde.

Geruchskorrektur

Wolf lehnt die Verwendung von 0,35% Lavendelöl zur Geruchskorrektur ab, obwohl er selbst ausführt, dass Bestandteile getreideartig riechen. Da die Compliance bei Anwendung wohlriechender Externa nach unserer Erfahrung höher ist, wurde das Lavendelöl beibehalten. Kontaktsensibilisierungen auf die Rezeptur sind in unserer Klinik bislang nicht erfasst worden.

HFS nicht gleichbedeutend mit sehr trockener Haut

Wolf bezeichnet die Anwendung einer O/W-Creme zur Behandlung eines HFS als "nahezu Kunstfehler" und führt zur Begründung das Vorliegen einer sehr trockenen Haut an. Dermatologisch und uro-onkologisch ist dies jedoch falsch (vgl. Foto Hand-Fuss-Syndrom). Sowohl klinisch als auch histologisch unterscheidet sich das HFS deutlich von Erkrankungen mit sehr trockener, schuppender Haut wie Ichthyosis vulgaris oder Neurodermitis. Dies wird selbst dem dermatologischen Laien deutlich und ist auch der publizierten Literatur zum Thema zu entnehmen [2, 10, 11].

Optimierungsversuche auf theoretischer Grundlage

Wolf führt in seiner theoretischen Abhandlung aus, dass die publizierte Hanfölcreme keine Wirksamkeit haben könne, da alle Wirkstoffe deutlich unterdosiert seien.

In seiner optimierten Rezeptur erhöht er genau diese Wirkstoffe, die bisher keine Wirkung zeigen konnten, auf Einzelsubstanz-Normdosen. Literaturrecherchen zur Wirksamkeit dieser Wirkstoffe bei TKI-induziertem HFS fehlen vollständig. Dieses Vorgehen entbehrt einer rationalen Grundlage und ist wissenschaftlich abzulehnen.

Die Anwendung von Arzneimitteln, die Dexpanthenol oder Fluidlecithin in Normdosen enthalten, findet sich nicht einmal in Internetforen als Therapieoption für das MKI-induzierte HFS. Harnstoff wird in Empfehlungen zur Prophylaxe des HFS als Keratolytikum 20 – 40%ig aufgeführt [10, 11]. Diese hohen Konzentrationen verursachen aber in der Praxis bei vielen Patienten Schmerzen bei der Anwendung ab Schweregrad 2 des HFS [12].

Harnstoffkonzentrationen über 1,6% sind bereits hyperton [8].

Die "optimierte" Creme-Rezeptur von Wolf ergibt auch nach maschineller, vom Hersteller empfohlener Herstellungsmethode nur eine schlecht trocknende Lotion, die speziell zur Anwendung auf Händen und Füßen nicht geeignet erscheint.

Osmolarität der Rezeptur

Während die wässrige Phase der publizierten Hanfölcreme eine Osmolarität von 245 mOsm aufweist und somit leicht hypoton ist, zeigt die wässrige Phase der durch Wolf "optimierten" Creme mit allen Wirkstofferhöhungen und dem Propylenglycol eine Osmolarität von 5220 mOsm [13]. Nach Verdunsten des Wasseranteils auf der Haut dürfte die Osmolarität weiter deutlich ansteigen. Für Propylenglycolkonzentrationen ab 20%, die in der wässrigen Phase der von Wolf "optimierten" Rezeptur vorliegen, können Hautreizungserscheinungen auftreten, die dann die Symptomatik aggravieren würden [14]. Als mögliche Ursache des HFS wird unter anderem eine Schädigung der Hautkapillaren diskutiert [10]. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die hohe Propylenglycolkonzentration bzw. die hohe Osmolarität der wässrigen Phase nach Beeinträchtigung der Barrierefunktion der Haut die Kapillaren weiter schädigt und Schmerzen verursacht. Sollte die geringe Osmolarität eine wesentliche Eigenschaft unserer Hanfölcreme sein, wäre diese nicht mehr vorhanden.

Optimierungsversuche sollten eine Nutzen-Risiko-Abwägung einschließen, insbesondere da bei HFS Grad 3 die onkologische Therapie häufig reduziert oder ausgesetzt werden muss.

Klinische Wirksamkeit

Die Häufigkeit des schweren MKI-induzierten HFS (Grad 3) liegt nach Literaturangaben bei 5 bis 13% [10, 11]. Seit Einführung der prophylaktischen Anwendung der publizierten Hanfölcreme in der Urologischen Poliklinik ist diese unter 2% gesunken, ohne das sich das grundlegende Management der Patienten anderweitig verändert hätte [12].

Zusammenfassung und Ausblick

Theoretische Ausführungen zur freien und standardisierten Rezeptur sind grundsätzlich sinnvoll und können im direkten Kontakt zwischen Apotheker und Arzt segensreich sein. So ist beispielsweise das pharmazeutische Laboratorium des NRF und dessen Publikationen eine geschätzte, häufig nachgefragte Quelle pharmazeutischen Wissens auch für klinisch tätige Ärzte. Die Apotheke des Klinkums der Universität München arbeitet seit knapp zwei Jahren mit dem Herstellungs-Qualitätssicherungs-Programm CIWOS-KA® in dem für jede Rezeptur eine Herstellungsvorschrift angelegt, diese mit Literatur verlinkt und über ein Second-look-Verfahren durch einen zweiten Apotheker geprüft wird. Bei einer Publikation in einem wissenschaftlichen Fachjournal wie der Deutschen Apotheker Zeitung sollten theoretische Ausführungen von einer fundierten wissenschaftlichen Prüfung begleitet werden.

Aktuelle Rezeptur der Hanfölcreme

Aufgrund der dargelegten Änderung bei der Konservierung lautet die aktuell hergestellte Rezeptur der Hanfölcreme nach Staehler wie folgt:

Hanföl 30,0 g

Wachs, gebleicht 4,0 g

Sheabutter 4,0 g

Emulsan II 10,0 g

Fluidlecithin CM 0,8 g

Dexpanthenol 0,8 g

Harnstoff 0,4 g

Aloe-vera-Gel 10-fach konz. 0,2 g

Lavendelöl 0,35 g

Kaliumsorbat 0,075 g

Zitronensäure 0,150 g

Wasser, gereinigt ad 100 g


Korrespondenzadresse
Dr. Jürgen Babl, Apotheke,
Klinikum der Universität München,
Marchioninistraße 15, 81377 München,
Juergen.Babl@med.uni-muenchen.de


Literatur

[1] Wolf G: Viele Inhaltsstoffe – viele Probleme. Dtsch Apoth Ztg 2010, 150 (42): 62 – 66

[2] Wollenberg A, Staehler M, Eames T: Kutane Nebenwirkungen der Multikinaseinhibitoren Sorafenib und Sunitinib. Hautarzt 2010 61: 662 – 667

[3] NRF, Rezepturhinweise: Konservierung wasserhaltiger Rezepturen 08/2009

[4] Evonik Goldschmidt GmbH, Tego Care PS Produktinformation. D 04/99

[5] Wolf G: Vitamin-B12 -Creme: Rezepturprobleme und ihre Lösung. Dtsch Apoth Ztg 2009; 149(45): 54 – 58

[6] Evonik Goldschmidt GmbH, Tego Care 450 Produktinformation. D 04/99

[7] Evonik Goldschmidt GmbH, Technical Service Manager Personal Care, Consumer Specialties. Antwort auf Anfrage zur Austauschbarkeit von Tego Care 450 und Tego Care PS in Rezepturen. 11/ 2010.

[8] NRF, Rezepturhinweise: Harnstoff 07/2010

[9] Wolf G, Süverkrüp R: Rezepturen – Probleme erkennen, lösen vermeiden, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2007, S. 177

[10] Lacouture M, Reilly L, Gerami P , Guitart J: Hand foot skin reaction in cancer patients treated with the multikinase inhibitors sorafenib and sunitinib. Annals of Oncology, 2008 19: 1955 – 1961

[11] Anderson R, Jatoi A, Robert C, Wood L, Keating K, Lacouture M: Search for Evidence-Based Approaches for the Prevention and Palliation of Hand– Foot Skin Reaction (HFSR) Caused by the Multikinase Inhibitors (MKIs). Oncologist 2009;14: 291– 302

[12] Dr. Staehler, OA der Urologische Klinik und Poliklinik der Universität München, Persönliche Mitteilung, 2010

[13] Bestimmt mit dem Semi-Micro-Osmomimeter, Knauer in einer 1:10 Verdünnung der reinen wässrigen Phase und extrapoliert.

[14] NRF, Rezepturhinweise: Propylenglycol 11/2006

"Zwei grundsätzlich verschiedene Standpunkte"

Antwort von Gerd Wolf auf die wissenschaftliche Erwiderung


Vielen Dank für die ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Rezepturvorschlag, zu der ich wiederum einige Anmerkungen anbringen möchte. Es lag mir fern, der Apotheke des Klinikums der Universität München eine "mangelnde Rezepturprüfung" zu unterstellen, zumal die Apotheke nur nach ärztlicher Verschreibung von Dr. Staehler gehandelt hat.

Verarbeitung

Die Babl et al. vorliegende schriftliche Aussage der Fa. Evonik-Goldschmidt, dass Tego Care PS und Tego Care 450 nicht austauschbar seien, kann ich nicht bestätigen. Mir hatte die Firma bestätigt, dass diese beiden Zuckertensid-Emulgatoren ähnlich seien und deshalb ausgetauscht werden könnten. Dafür sprechen auch die im Wortlaut nahezu gleichlautenden Verarbeitungshinweise. Die von Babl et al. beschriebenen Zwischenemulsionen in der Abkühlphase treffen auf meine Herstellungsweise nicht zu, da ich stets der Herstellerempfehlung gefolgt bin, die heiße Öl- und Wasserphase ohne Rühren (!) zusammengegeben habe und dann zunächst mit einem dem Ultra-Turrax vergleichbaren Gerät (ESGE-Biohomogenizer®) und später mit dem Dreiwalzenstuhl homogenisiert habe.

Die Inhomogenität der Vitamin-B12 -Creme trat im Übrigen nicht in der Abkühlphase, sondern erst bei Erreichen von Raumtemperatur auf. Hier wurden meine Beschreibungen offenbar nicht richtig interpretiert. Erst nach Reduktion der Emulgatormenge und der Avocado-Öl-Menge und Änderung der Konsistenzgeber traten keine Stabilitätsprobleme mehr auf. Dies wurde mir inzwischen von der Fa. Mavena bestätigt und hat dazu geführt, dass zur Stabilisierung herstellerseits vorübergehend ein zweiter Emulgator hinzugefügt wurde. Ich muss daher den Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit zurückweisen.

Mir bleibt unverständlich, warum Babl et al. von den Herstellerempfehlungen abgewichen sind. Nach meinen über 15 Jahre langen Erfahrungen mit dem Zuckertensid Tego Care 450 kann eine stabile Emulsion ohne den Einsatz schnell drehender Rührgeräte – damit meine ich auf keinen Fall Unguator und Topitec – nicht erzielt werden. Angesichts meiner langen praktischen Erfahrungen mit den Emulgatoren muss ich auch der Aussage widersprechen, meine Kommentare seien rein theoretische Ausführungen. Ich stelle seit Jahren für eine kleine Kosmetik-Firma (www.quivia.de), die von einem Arzt für Allgemeinmedizin geleitet wird, regelmäßig Zuckertensid-Cremes her.

Unverständlich ist mir auch, dass die Herstellerempfehlungen bezüglich der Konzentration des Emulgators Tego Care PS (über das Dreifache), der Konsistenzgeber und der viel zu hohen Menge an Fettphase von Babl et al. nicht beherzigt wurden. Denn je geringer ein O/W-Emulgator konzentriert ist, umso weniger Irritationen sind auf der Haut zu erwarten.

Harnstoff-Stabilität

Das Stabilitätsoptimum von Harnstoff in wasserhaltigen Zubereitungen liegt bei pH 6,2. Um basische Zersetzungsprodukte abzufangen, sollte ein schwach saurer Puffer eingesetzt werden. Da die Zersetzungsprodukte die weitere Zersetzung des Harnstoffs katalytisch fördern, sollte auch bei einer geringen Menge Harnstoff ein Puffer hinzugegeben werden, wie dies auch bei NRF-Monographien praktiziert wird. Das Konservierungsmittel-Gemisch von Kaliumsorbat und Citronensäure besitzt dagegen keine Pufferkapazität.

Antioxidanzien

Auch durch den "normalen" Zutritt von Sauerstoff können mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie z. B. im Hanföl oxidiert werden. Da im NRF keine so empfindlichen Öle verwendet werden, erübrigen sich dort entsprechende Schutzmaßnahmen, beim sehr oxidationsanfälligen Tretinoin wird dagegen in jeder Monographie der Zusatz von BHT verlangt. Die von Vorlieferanten gelieferten Nachtkerzensamen-Öl- oder Borretsch-Öl-Chargen sind stabilisiert und unter Stickstoff abgefüllt worden. Entsprechend sollte auch Hanf-Öl mit BHT oder alpha-Tocopherol stabilisiert werden.

Geruchskorrektur

Ein getreideartiger oder nussartiger Geruch sollte nicht unbedingt Anlass für eine Korrektur mit ätherischen Ölen sein, vor allem angesichts einer empfindlichen Haut mit einer gestörten Barrierestruktur. Hier sollten alle möglichen Noxen ausgeschlossen werden.

Unterdosierung

Die von mir empfohlene Dexpanthenol-Konzentration entspricht den einschlägigen NRF-Rezepturen. Auch beim Harnstoff bin ich den Empfehlungen des NRF und von Gloor [Dermatologische Externatherapie, Springer Verlag 2000], bei Letzterem in Kombination mit 5% Glycerin, gefolgt. Allerdings kann Harnstoff einen "Stinging"-Effekt auf verletzter und kindlicher Haut auslösen und sollte daher erst nach einer Abheilung der betroffenen Stelle angewendet werden. Offen sehe ich die Frage, warum die unterdosierten Wirkstoffe überhaupt eingesetzt wurden, wenn in der Literatur keine Hinweise auf Wirksamkeit zu finden sind.

Osmolarität

Das Thema "Osmolarität" von hydrophilen Cremes wird in der Literatur kontrovers diskutiert, doch auch hier wird die geringe Osmolarität der Original-Rezeptur nicht zweifelsfrei als Wirkprinzip für die Hanföl-Creme angenommen. Hinsichtlich der "Hautreizerscheinungen" durch Propylenglycol war mir die korrekte Konzentrationsangabe wichtig. Es ist wohl unbestritten, dass sich bei einer Menge von 20% bezogen auf die Gesamtmenge einer Zubereitung Sensibilisierungen entwickeln können. Dies trifft jedoch nicht auf 20% von der jeweiligen Wassermenge zu.

Als Ergebnis weiterer Optimierungen schlage ich die nachfolgende Rezeptur für die Hanf-Öl-Creme vor:

Tego® Care 4503,0 g

Glycerolmonostearat 603,5 g

Cetylalkohol1,5 g

Sheabutter4,0 g

Hanf-Öl23,0 g

DL-α-Tocopherol0,1 g

oder

BHT0,05 g

d-Panthenol 50%10,0 g

Glycerin5,0 g

Harnstoff5,0 g

Acid. lact.1,0 g

Natr. lact. 50%4,0 g

Propylenglycol3,9 g

Aqua dest.ad 100,0 g


Durch den Austausch der Konsistenzgeber wurde die Streichfähigkeit optimiert.

Eine weitere Optimierung könnte darauf zielen, das "fettige Gefühl" der Creme zu verbessern, indem ein Teil des Hanf-Öls gegen Eutanol® G und Miglyol® 840 ausgetauscht wird.

In der Diskussion über die Hanföl-Creme werden offenbar zwei grundsätzlich verschiedene Standpunkte eingenommen, die in zwei unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Herstellung von zunächst unbekannten Rezepturen begründet liegen.

Die eine Seite geht davon aus, eine Rezeptur zunächst so herzustellen, wie sie im Original vorliegt, und dann zu schauen, ob sie homogen und stabil ist (Prinzip: trial and error).

Die andere Seite prüft zunächst die unbekannte Rezeptur daraufhin, ob in der Literatur irgendwelche Parallelen oder wie in diesem Fall bei Rohstoff-Lieferanten Rahmen-Formulierungen mit entsprechenden Hilfsstoffen wie hier den Zuckertensid-Emulgatoren existieren, und stellt sie dann auf der Basis dieser Informationen her (Prinzip: erst Literatur-Recherche, dann Herstellung gemäß Literatur-Quelle).

Der Leser möge selbst entscheiden, welche Herangehensweise für ihn am ehesten vertretbar erscheint.


Autor
Dr. rer. nat. Gerd Wolf
Fachapotheker für Offizinpharmazie,
Robert-Koch-Apotheke,
Fauviller Ring 1, 53501 Grafschaft – Ringen



DAZ 2011, Nr. 7, S. 74

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