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Entfernt sich die ABDA von der Basis?

Peter Ditzel

Schon wenige Wochen nach dem Inkrafttreten des AMNOG zeigt sich: Die Auswirkungen des Gesetzes auf die Apotheken sind dramatisch. Der höhere Zwangsabschlag von 2,05 Euro für die Krankenkassen und die Rabatt- und Konditionenkürzungen des Großhandels hinterlassen ihre Spuren. Die unausgegorene Änderung der Packungsgrößenverordnung sorgt für Chaos und erhebliche Mehrarbeit in den Apotheken. Zum Glück nehmen Patienten so gut wie nicht die Mehrkostenregelung in Anspruch, für die es derzeit noch keine verbindliche Handlungsanweisung gibt – das totale Durcheinander wäre perfekt.

Es regt sich Unmut bei Apothekerinnen und Apothekern, Verzweiflung und Frust. Wie soll es denn in Zukunft weitergehen mit der Pharmazie, mit der Arzneiversorgung durch die öffentliche Apotheke? Kennen Sie dazu ein Statement unserer Berufsvertretung ABDA? Mir ist nichts zu Ohren gekommen. Die ABDA scheint abgetaucht zu sein, ist mit intrapersonellen Problemen beschäftigt und überlegt, ob sie nun das Nachbargrundstück kaufen und einen Neubau errichten soll oder nicht. Und während man so hin und her überlegt, setzt draußen so nach und nach das Apothekensterben ein.

Vermehrt denken Apotheken nun darüber nach, ihr Heil verstärkt in kaufmännischen Konzepten zu suchen – irgendwo muss das Geld zum Überleben herkommen. Wenn die Politik die Apotheker von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt hat, wenn Apotheker seit über sieben Jahren mit 8,10 Euro pro Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels abzüglich jetzt 2,05 Euro Kassenzwangsrabatt auskommen müssen, obwohl eine Apotheke davon nicht mehr leben kann, hätte sie nicht ein Zubrot aus dem OTCGeschäft – dann versteht man aufkeimende Überlegungen, ob sich der Apotheker nicht stärker als bisher dem Markt von Waren und Dienstleistungen mit Gesundheitsbezug widmen soll, um hier Erträge zu erwirtschaften. Solche Überlegungen brachte unlängst der Apothekerverband Westfalen-Lippe ins Spiel. Er stellte die Frage "Heilberufler oder Kaufmann?" auf den Prüfstand. Für eine Zukunft, so der Verband, müssen Apotheker beides sein können. Und berufsständische Vertretungen sind aufgefordert, heißt es weiter, den Apothekern dieses zu ermöglichen und zu erleichtern (lesen Sie dazu auch unser Interview). Denn der Apotheker kann seinen hohen Leistungsstandard als Heilberufler nur dann halten und ausbauen, wenn seine heilberufliche Leistung bei der Versorgung mit Arzneimitteln angemessen honoriert wird. Im Verbandspapier heißt es dazu wörtlich "Wir sollten uns dabei davor hüten, einen ethischen Anspruch zu formulieren, der, wie man bei den Ärzten sehen kann, im Rahmen einer pauschalierten Vergütung auf Dauer nicht zu halten ist."

Andere Töne bei der ABDA. In einem Brief an die Mitglieder des Gesamtvorstandes der ABDA schreibt der Präsident am 4. Februar 2011: "Ohne der Diskussion im Gesamtvorstand vorgreifen zu wollen, befürwortet der Geschäftsführende Vorstand eine Fortsetzung der konsequent heilberuflichen Positionierung der Apothekerschaft." Und er wird noch deutlicher: "Ein solches Bekenntnis hat Folgen. Wenn wir Apotheker Heilberufler sind, dann müssen wir über Beschränkungen der kaufmännischen Komponente sprechen, dann treten wir für höhere Qualitätsanforderungen und deren Kontrolle ein, dann müssen wir uns von profitgetriebenen Exzessen einzelner Kollegen distanzieren."

Im Klartext: Jetzt, wo vielen Apotheken das Wasser langsam bis zum Hals steht, wo Apotheken sehen müssen, irgendwie über die Runden zu kommen, die Tariferhöhungen für die Gehälter verkraften müssen, mehr an die Krankenkassen zahlen müssen und weniger an Großhandelsrabatt bekommen, gibt die ABDA die Richtung vor: mehr Heilberuf, weniger Kaufmann, höhere Qualitätsanforderungen und die Beschränkung der kaufmännischen Komponente. Wie viel Idealismus und Selbstaufgabe muss man besitzen, um diesen Weg euphorisch mitzugehen?

Es wird höchste Zeit, offen und nicht nur intern eine Grundsatzdiskussion darüber zu führen, ob vor dem Hintergrund von AMNOG und Co. die Zukunft wirklich pharmazeutisch entschieden wird – auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen. Alle wollen den Heilberuf Apotheker, aber keiner will dafür bezahlen. Wie lange geht das noch gut? Und wenn man den Heilberuf will: Hätte man den Apotheker nicht schon längst und mit viel mehr Nachdruck und Energie als Heilberuf in der Öffentlichkeit aktiv positionieren müssen? Nur die Worthülse auszurufen, "die Zukunft wird pharmazeutisch entschieden", dies aber nicht in die Tat umzusetzen und breit zu kommunizieren und gleichzeitig den wirtschaftlichen Boden für die heilberuflichen Tätigkeiten zu entziehen, muss scheitern.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 6, S. 3

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