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Macht auf euch aufmerksam, Apotheker!

Ein emotionaler Jahresrück- und -ausblick eines homo oeconomicus
Foto: Kaapke
Andreas Kaapke

Keine Frage, man muss kein Branchenkenner sein, um rasch erfassen zu können, dass das Jahr 2011 sicher als eines der schlechteren in die Annalen des deutschen Apothekenwesens eingeht. Dies ist zweifelsfrei dem Umstand zuzuschreiben, dass das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene AMNOG die betriebswirtschaftliche Situation der Apotheken in der Regel verschlechtert hat. Zudem hat das Gesetz auch dazu geführt, dass in erster Linie kaufmännische Themen in den Mittelpunkt gerückt wurden, was dem Naturwissenschaftler und Freiberufler Apotheker nicht wirklich recht sein kann. Zugleich wird aber auch deutlich, dass die AMNOG-Diskussion wichtige andere Themen überdeckt, überlagert, mithin gar verdrängt hat, was zwar operativ nachvollziehbar ist, unter strategischen Gesichtspunkten aber als fahrlässig angesehen werden muss.

Was war generell zu beobachten? Ein Jahr lang wurde alle Konzentration darauf gerichtet, wie schrecklich die Situation ist bzw. wie schrecklich, dass sie herbeigeführt wurde. Waren vor der Gesetzeseinführung mit gleicher Intensität und Leidenschaft die Kämpfe gefochten worden oder wartete man auch bei diesem Gesetz wieder ab, bis man sich vollmundig die Wunden lecken konnte? Beim deutschen Apothekertag 2011 waren in dieser Deutlichkeit erstmals Töne zu vernehmen, man müsse sich der 8,10 Euro als Pauschalvergütung annehmen. Warum so spät, warum erst jetzt? Die Vergütung der Apotheken in der heute vorzufindenden Form wurde mit dem GMG 2004 eingeführt. Dort ist in aller Kürze wiedergegeben verankert, dass sich der Fixbetrag von damals 8,10 Euro alle zwei Jahre an die konkrete betriebswirtschaftliche Situation anpassen muss. Will also eine Apotheke keine verschlechterte Situation vorfinden, wäre zumindest der Inflationsausgleich vonnöten gewesen. Man hätte aber zumindest den gerne auch für andere Gebührenanpassungen verwendeten Lebenshaltungsindex für die Apothekerinnen und Apotheker annehmen dürfen, der rund zehn Punkte Erhöhung in dieser Zeitperiode erbracht hätte. Schlägt man demnach kurz gerechnet auf die 8,10 Euro wenigstens 81 Cent auf, wäre man schon bei knapp 9,00 Euro. Nimmt man eine jährliche Inflationsrate von zwei Prozent an, läge der heutige Wert bei rund 9,30 Euro.

Das Ärztehonorar hat sich in der besagten Zeit zwischen 2004 bis 2011 deutlich verbessert, also an anderer Stelle scheint es kein Problem zu geben, die Realitäten in der Vergütung widerzuspiegeln. Deshalb muss ein Wert zwischen 8,90 und 9,30 Euro auch die Verhandlungsbasis für die Vergütung von Apotheken sein. Dann ist auch ein Abschlag von 2,05 Euro, ungeachtet dessen, ob die tatsächlich richtige betriebswirtschaftliche Referenz die oftmals angegebenen 1,75 Euro oder die eigentlich gültigen 2,30 Euro sind, nicht das entscheidende Problem.

Hier zeigt sich ein zweiter Ansatzpunkt für die Apotheken. Ist es überhaupt gerechtfertigt, dass gesetzliche Krankenkassen einen Rabatt – nichts anderes ist der Abschlag – von in etwa 25 Prozent auf den eigentlich für eine Leistung ausgehandelten Preis erhalten? Für was eigentlich? Dafür, dass sie Apotheken des Betrugs bezichtigen, die Verwaltungskosten in Apotheken künstlich aufblähen, selbst nicht sparen können und durch Rabattverträge Gesundheitspolitik und auch aktive Gesundheitsberatung anbieten, was ihnen nicht zusteht? Auch hier hat die Politik versagt, wenn sie es zulässt, dass sich Krankenkassen als "Rambos" gerieren, eine Aufgabe, die ihnen weder zusteht noch gut zu Gesicht steht.

Aber all diese Diskussionen haben wieder dazu beigetragen, dass die Apotheken in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nicht besser dastehen, sondern tendenziell schlechter. Warum eigentlich? Man hat das Gefühl, dass eher schlechte als gute Stimmung verbreitet wird, dass eher über das gesprochen wird, was wegbricht, als über das, was geleistet wird.

Für 2012 kommt die zweite Phase des AMNOG auf alle zu. Der Großhandel wird nochmals in die Verhandlung einsteigen, wenn er dies nicht schon getan hat, was legitim ist. Auch er muss sehen, wie er rentabel wirtschaftet. Dies muss fair und nachvollziehbar vollzogen werden, alles andere muss Gegenstand einer offenen Verhandlung sein.

Und die Standesvertretung muss sich auf zwei Dinge konzentrieren: auf die Durchsetzung einer höheren Basisvergütung und auf die Schärfung eines positiven Images der Apotheken. Nur wenn dies gelingt, kann die Apotheke als Betriebsform für die Abgabe von Arzneimitteln nennenswert überleben. Die Kunden und Bürger, damit die Wähler, müssen flächendeckend die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln durch Apotheken fordern und wollen. Dazu muss man ihnen immer wieder erklären, was der substanzielle Unterschied zu anderen Betriebsformen ist, welche Vorteile sich aus der Nutzung der Apotheke ergeben und welche Nachteile mit dem Nichtnutzen der Apotheke einhergehen. Indem immer nur gesagt wird, wie schlecht die anderen sind, wirkt man alt und verbraucht, wird man als Bewahrer und nicht als Innovator wahrgenommen. Dazu muss jeder Cent aus den Etats der Standesvertretungen eingesetzt werden, nur so kann man gewinnen.

Eine alte Fußballerweisheit besagt, dass die Tore im Angriff geschossen werden. Wer immer nur Tore des Gegners zu verhindern versucht, spielt maximal unentschieden, gewinnen kann er nicht. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft war in den letzten Jahren ob ihres Offensivfußballs erfolgreich und attraktiv. Dass man hinten auch mal einen reinbekommen hat, war ärgerlich, aber verschmerzbar. Lieber ein sattes 4:3 als ein moralinsaures 0:0 oder gar ein bigottes 0:1. Auf die Situation von Ärzten ist man durch Streiks aufmerksam geworden, bei Fluglotsen, Eisenbahnern und Piloten nicht minder. Wann streiken Apotheker, wann geben sie ihre vornehme Zurückhaltung auf, wann gehen sie auf die Barrikaden und lassen sich nicht weiter am Nasenring durch eine von Pseudosparplänen getriebenen Politik durch die Arena führen? Warum rebelliert man nicht, wenn aus der budgetären Unterversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung plötzlich ein satter Überschuss wird, weit über den vermeintlichen Einsparungen bei Großhandel und Apotheken hinaus? Wehrt euch, Apotheker! Hierzu bedarf es einer konzertierten Aktion. Es reicht auch nicht mehr, auszurufen, unsere Verbands- und unsere Kammervertreter sind zu schwach, das ist maximal die halbe Wahrheit. Ein Verband ist so schwach wie seine Mitglieder. Macht auf euch aufmerksam, Apotheker, dann wird in der öffentlichen Wahrnehmung aus 2012 vielleicht das Jahr der Apotheke. Das mag ein frommer Wunsch sein, aber nur wer Berge versetzen will, versetzt sie auch.


Andreas Kaapke

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



DAZ 2011, Nr. 51-52, S. 28

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