Arzneimittel und Therapie

Unter Immunsuppression auf Hautveränderungen achten

Basaliome und Spinaliome sind die häufigsten Formen des "weißen Hautkrebses". Besonders gefährdet sind Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie. Früh erkannt ist eine operative Entfernung möglich. Bei fortgeschrittenen Spinaliomen besteht jedoch die Tendenz zur Metastasierung. Die Datenlage für eine effektive Therapie in diesem Stadium ist dünn.

Spinaliome werden auch als Plattenepithelkarzinome, spinozelluläre Karzinome (SCC) oder Stachelzellkrebs bezeichnet, da sie von den Stachelzellen der Oberhaut ausgehen. Rechtzeitig erkannt, lassen sie sich chirurgisch entfernen, meist ohne weitere Komplikationen. Kritisch sind jedoch fortgeschrittene Stadien. "Hauptproblem des fortgeschrittenen SCC ist die hohe Metastasierungsrate von 12%", betonte Dr. Sylvie Pätzold vom Zentrum der Dermatologie und Venerologie des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt, auf dem diesjährigen Deutschen Hautkrebskongress Mitte September in Weimar. Alte, multimorbide und immunsupprimierte Patienten trifft es am häufigsten. Immunsupprimierte Patienten sind bei der Diagnose jünger, haben meist einen multi lokulären Befall und eine Feldkanzerisierung. Bis zu acht Prozent entwickeln innerhalb der ersten 24 Monate nach der Erstdiagnose Metastasen.

Onkogene Immunsuppressiva

Dr. Claas Ulrich, Berlin, verwies insbesondere auf das hohe Risiko für nicht-melanozytären Hautkrebs nach einer Organtransplantation. Es ist mehr als 20fach erhöht gegenüber einer Kontrollpopulation. Die kumulative Hauttumor-Inzidenz drei Jahre nach der Transplantation liegt bei 7,4%. Dabei hat der Anstieg von Hautkrebs unter Immunsuppressiva im Wesentlichen zwei Gründe: Immunsuppressiva unterdrücken die Immunabwehr und damit auch Repairmechanismen und Apoptose. Und: Einige Immunsuppressiva haben direkte onkogene Eigenschaften. So sensibilisiert etwa Azathioprin die DNA gegenüber UVA und erhöht so das Risiko für Plattenepithelkarzinome der Haut. Auch Calcineurin-Inhibitoren sind direkt und indirekt mit der Hauttumorgenese assoziiert. Cyclosporin verursacht beispielsweise eine dosisabhängige Reduktion der DNA-Reparatur und induziert eine Veränderung der Tumorzellen in Richtung invasiver Phänotypen. "Neue Immunsuppressiva sind deshalb notwendig", so Ulrich.


Photodynamische Therapie

PDT: hoher Stellenwert bei Präkanzerosen der Haut


Präkanzerosen und Frühformen des nicht-melanozytären Hautkrebses lassen sich effektiv und mit gutem kosmetischen Ergebnis mit einer photodynamischen Therapie (PDT) behandeln. Das gilt für die aktinische Keratose bei Feldkanzerisierung sowie für den Morbus Bowen, eine wenig aggressive Form von "weißem Hautkrebs". Aus Sicht von Professor Dr. Percy Lehmann, Wuppertal, ist die photodynamische Therapie auch beim oberflächlichen Basaliom eine Option, bei nodulären Formen allerdings keine Alternative zur Operation. "Da ist die Rezidivrate zu hoch." Ebenfalls geeignet ist die photodynamische Therapie für die Therapie von Dermatosen bei organtransplantierten Patienten. Da sie sehr aggressiv sind, müsse aber auch eine aggressive Form der PDT eingesetzt werden, betonte Lehmann. Gleichzeitig verwies er auf die gute antiinfektiöse Wirkung der photodynamische Therapie, die etwa bei kutaner Leishmaniose genutzt werden könnte. Dies sei allerdings Zukunftsmusik und noch nicht gut dokumentiert.

Switch auf mTOR-Inhibitor

Als Immunsuppressivum mit neuem Wirkmechanismus wird Sotrastaurin untersucht, derzeit in Kombination mit Tacrolimus oder Everolimus. Es handelt sich um einen oral applizierbaren Hemmer mehrerer Proteinkinase-C-Isoformen, der zu einer frühzeitigen Hemmung der T-Zellaktivierung und des NF-kB-Signalwegs führt. Sotrastaurin wies in präklinischen Studien eine hohe immunsuppressive Potenz auf. Bislang gibt es allerdings keine Daten zur Inzidenz von nicht-melanozytärem Hautkrebs unter Sotrastaurin. Auch für das stark immunsuppressiv wirksame Tasocitinib, einen spezifischen Hemmer der Januskinase 3, gibt es dazu keine Daten. Die Januskinase (JAK) phosphoryliert das Protein STAT (signal transducer and activator of transcription), das daraufhin in den Zellkern wandert und die Bildung proinflammatorischer Zytokine anregt. JAK 3 kommt vor allem in hämatopoetischen immunkompetenten Zellen vor. Wird dieses Enzym unterdrückt, kommt es zur Immunsuppression.

Als "spannende Alternative zu üblichen Immunsuppressiva mit Blick auf das Hautkrebsrisiko" bezeichnete Ulrich die Wirkstoffklasse der mTOR-Inhibitoren. Er verwies auf eine Studie, die prospektiv, randomisiert und einfachblind untersuchte, ob der Switch von einer üblichen Immunsuppression auf eine Sirolimus-basierte Immunsuppression bei nierentransplantierten Patienten nützt. Beobachtet wurden die Progression prämaligner Läsionen und das Neuauftreten nicht-melanozytärer Hauttumoren. Innerhalb von sechs Monaten zeichnete sich ein deutlicher Vorteil für den mTor-Inhibitor ab: Etwa 30 Prozent der Patienten, die ihre Immunsuppression beibehielten, verschlechterten sich, 30 Prozent derjenigen, die den "Switch" wagten, verbesserten sich. Bei den übrigen Patienten blieb das Hautbild unverändert. Sein Fazit aus Sicht des Dermatologen: "mTor-Inhibitoren sind für die Immunsuppression unbedingt zu empfehlen."

Cisplatin bei fort geschrittenem SCC

Qualitativ hochwertige Stu dien zur Behandlung fortgeschrittener SCC gibt es kaum. Die Leitlinien des NCCN (National Comprehensive Cancer Network) empfehlen neben der Resektion beim lokal fortgeschrittenen SCC eine adjuvante Radio(chemo) therapie bei perineuralem Wachstum und/oder einer R1/2-Resek tion sowie bei einem Befall mehrerer Lymphknoten oder kapselüberschreitendem Wachstum. Dennoch ist die Prognose schlecht: Auch nach Resektion und Radio(chemo) therapie entwickeln 30% dieser Patienten ein lokoregionäres Rezidiv, 25% Fernmetastasen. "Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei 40%", so Pätzold. Wenig Wissen gibt es auch zur Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen und metastasierten Spinaliomen. Die meisten Daten liegen für Cisplatin-basierte Therapien vor. In einer Phase-II-Studie mit 39 Patienten ließ sich mit einer Kombination aus Cisplatin, Vitamin-A-Säure und Interferon-alpha eine Ein-Jahres-Überlebensrate von 58% und eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von 21% erreichen.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2011, Nr. 50, S. 43

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