Arzneimittel und Therapie

"Opiate/Opioide sind problematischer als COX-Hemmer"

Die Diskussion, wie Gelenk- und Muskelschmerzen gefahrlos behandelt werden können, hält an. Zwei wesentliche Arbeiten der letzten Wochen bringen Klarheit, aber auch Unruhe in die Diskussion.
Prof. Dr. Dr. Kay Brune

Zunächst erschien eine weitere retrospektive Analyse der Epidemiologengruppe um Jüni (Schweiz [1]).

Hexenjagd auf Coxibe kann beendet werden

Nach der Analyse aller zugängigen, aus kontrollierten Studien stammenden Sicherheitsdaten zu den gängigen Cyclooxygenasehemmern (Celecoxib, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen und Rofecoxib) zeigte sich, dass nicht nur Valdecoxib und Rofecoxib, sondern alle Cyclooxygenasehemmer je nach Dosis und Dauer der Einnahme, vielleicht auch je nach Patientenkollektiv (Indikationsgruppe), mit Herzinfarkten und Schlaganfällen einhergehen. Jüni kommt einige Jahre, nachdem er das kardiovaskuläre Risiko besonders bei Rofecoxib verorten wollte (einem selektiven Cyclooxygenasehemmer) nun zu der Einsicht, die andere von Anfang an vertreten haben:

Alle Cyclooxygenasehemmer sind problematisch!

Die Hexenjagd auf die Coxibe kann zunächst einmal abgeblasen werden.

Gesundheitsrisiko geht von Opioiden/Opiaten aus

Die Arbeit der Jüni-Gruppe wird durch eine wichtige Analyse des bekannten Bostoner Epidemiologen Daniel Solomon [2] ergänzt und erweitert (s. Abb). In einer umfangreichen Analyse älterer Patienten untersuchte er die Frage, welche Analgetikagruppe – selektive und nicht-selektive Cyclooxygenasehemmer oder Opiate/Opioide – bei älteren Menschen mit Gelenkbeschwerden das geringere Übel darstellen. Die wichtigsten Ergebnisse seiner Analyse sind in der leicht modifizierten Abbildung aus der Publikation dargestellt: Es zeigt sich, dass das größere Gesundheitsrisiko von den Opiaten/Opioiden ausgeht und nicht von den Cyclooxygenasehemmern. Darüber hinaus ergeben die Untersuchungen von Solomon et al., dass ein numerischer Vorteil der selektiven Hemmer vorhanden, aber statistisch nicht sicherbar ist. Neu ist außerdem, dass offensichtlich auch Opiate und Opioide nicht nur mit einem erhöhten Frakturrisiko einhergehen, sondern auch kardiovaskuläre Probleme aufwerfen.

Sicherheit von Coxiben, nicht selektiven nicht-steroidalen Antirheumatika (nsNSAIDs) und Opioiden. Kaplan-Meier-Kurven zur kumulativen Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen, gastrointestinalen Blutungen, Frakturen, Notwendigkeit einer Hospitalisierung aufgrund von Nebenwirkungen, Ereignissen mit tödlichem Ausgang und Gesamtmortalität. Die Unterschiede zwischen Opioiden und nsNSAIDs in a, c, d und f sind signifikant (p 0.01) [nach 2].

Dass Opiate und Opioide auch bei muskuloskelettalen Schmerzen schlecht wirken, war seit Langem bekannt. Dass Opiate und Opioide das Frakturrisiko aufgrund von Stürzen erhöhen, ebenfalls. Dass aber im direkten Vergleich Opiate und Opioide bei muskuloskelettalen Schmerzen mehr Probleme aufweisen als die im öffentlichen Ansehen besonders gering geachteten Cyclooxygenasehemmer, ist doch eine neue und wichtige Erkenntnis. Sie sollte auch im Zusammenhang mit der epidemieartig zunehmenden Verschreibung von Opioiden und den damit verbundenen Todesfällen zur Kenntnis genommen werden [3].

P.S. In welchem Umfang Paracetamol zur Toxizität aller untersuchter Wirkstoffe beigetragen hat, bleibt in beiden Analysen ungeklärt. Es fehlten leider die Angaben über die umfangreiche (rezeptfreie) Komedikation.

Zum Weiterlesen


Opioide: Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unter Codein?

DAZ 2011, Nr. 1, S. 43


Literatur

[1] Trelle S, Reichenbach S, Wandel S, Hildebrand P, Tschannen B, Villiger PM, et al. Cardiovascular safety of non-steroidal anti-inflammatory drugs: network meta-analysis. BMJ 2011;342:c7086.

[2] Solomon DH, Rassen JA, Glynn RJ, Garneau K, Levin R, Lee J, et al. The comparative safety of opioids for nonmalignant pain in older adults. Arch Intern Med 2010;170(22):1979 – 86.

[3] Okie S. A flood of opioids, a rising tide of deaths. N Engl J Med 2010;363(21):1981 – 5.


Prof. Dr. med. Dr. h.c. Kay Brune, Doerenkamp Professor, FAU Erlangen-Nürnberg, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Fahrstr. 17, 91054 Erlangen



DAZ 2011, Nr. 5, S. 38

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