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"Health Claims" und Fälschungsrichtlinie

BONN (hb). Beim öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung des Integritas-Vereins für lautere Heilmittelwerbung e.V. am 29. November 2011 in Bonn-Bad Godesberg widmeten sich die Vorträge in diesem Jahr dem Stand der Arbeiten an den sogenannten "Health Claims" für Lebensmittel sowie der Umsetzung der europäischen Fälschungsrichtlinie für Arzneimittel.
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Dr. Axel Sander (li.) und Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer gaben bei der Mitgliederversammlung von Integritas einen Überblick über den Stand der Arbeiten an der Health-Claims-Verordnung sowie der Umsetzung der EU-Fälschungsrichtlinie für Arzneimittel.

Der Vorstandsvorsitzende von Integritas, Norbert Pahne, gab zunächst einen kurzen Überblick über die Tätigkeit des Vereins im abgelaufenen Geschäftsjahr und hob dabei zwei Verfahren besonders hervor: In einem Fall war Integritas in Sachen "Störerhaftung" von Verlagen bei wettbewerbswidrigen Anzeigen vor den "Kadi" gezogen. Bedauerlicherweise unterlag Integritas in dem Verfahren jedoch, denn das zuständige LG Düsseldorf stufte die betreffende Anzeige als "ihrer Art nach nicht ungewöhnlich" ein. Auch in einem anderen Verfahren, in dem es um die Anbringung eines Werbeflyers auf der Faltschachtel eines Arzneimittels mit Werbung für ein anderes Arzneimittel ging, unterlag der Verein, denn das Gericht befand, dass das Aufkleben des Flyers nicht als direkte Werbung auf der Umverpackung anzusehen sei. Integritas ist laut Pahne jedoch in die Revision gegangen und erwartet die abschließende Entscheidung im nächsten Jahr.

Herkules-Aufgabe "Health-Claims"

Den Stand der Dinge auf dem Gebiet der europäischen "Health Claims" beleuchtete Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer. Das Thema ist seit Jahren ein "Dauerbrenner" bei Integritas, denn die Mühlen der europäischen Lebensmittelsicherheitsagentur EFSA, die für die Beurteilung der Zulassung solcher Claims zuständig ist, mahlen langsam.

Mit rund 44.000 Anträgen auf gesundheitsbezogene Aussagen für Lebensmittel hatte alles angefangen. Aus diesen wurde durch Aussortieren von Doppelungen etc. zuerst eine konsolidierte Liste von 10.000 Claims erstellt und hernach schließlich im Juli 2011 nach einem, wie Meyer meint, "intransparenten Verfahren" ein Katalog von rund 4600 Claims für die Beurteilung herausgefiltert, davon ca. 1550 für sogenannte "Botanicals". Immerhin 60 Prozent der Vorschläge hat das hierfür bei der EFSA zuständige zwanzigköpfige Panel bereits beurteilt, ca. 25 Prozent (200) davon mit positivem Ausgang. Während die EFSA sich bei klassischen Vitamin- und Mineralstoff-Präparaten offenbar relativ "liberal" zeigt, wird die Messlatte vor allem für pflanzliche Zubereitungen oder einzelne Inhaltsstoffe um einiges höher gelegt. Hier fehlt es dem Ausschuss dem Vernehmen nach im Übrigen an Expertise, die nun erst durch Input von außen beigeholt werden muss.

Abgrenzung zum Arzneimittel

Meyer erwartet bei der Umsetzung der Health-Claims-Verordnung zudem erhebliche "Friktionen" mit dem Arzneimittelrecht, vor allem durch die Verschärfung der Anforderungen im Jahr 2008. Hier wurde festgelegt, für welche Aussagen Humanstudien erforderlich sein sollen. An Beispielen machte Meyer deutlich, wie schmal der Grat in Abgrenzung zum Arzneimittel hier sein kann, und bezeichnete manche diesbezüglichen Diskussionen schlichtweg als "Kaffeesatzleserei". Erschwerend für den Arbeits-Output der EFSA kommt hinzu, dass bei der Einreichung von Anträgen auf die Aufnahme in die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gar nicht geprüft wird, ob es sich bei der betreffenden Zubereitung überhaupt um ein Lebensmittel handelt. So kann es vorkommen, dass ein Health Claim zugelassen wird, das betreffende Präparat jedoch als Lebensmittel gar nicht verkehrsfähig ist, wobei die Einstufung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchaus unterschiedlich ausfallen kann. Als "groteske Beispiele" führte Meyer "Red Rice" und Melatonin an. Darüber hinaus müssen die Bewertungen des Panels bei der Europäischen Kommission noch von einem "Ständigen Ausschuss" beurteilt werden, bevor sie im Wege einer Verordnung in Kraft gesetzt werden können. Auch hier kann es nach Einschätzung Meyers im Einzelfall noch zu Änderungen kommen.

Lange Übergangsfrist für Fälschungsregelungen

Im Juli dieses Jahres ist die europäische Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen in Kraft getreten. Die hiermit verbundenen Maßnahmenpakete schilderte und bewertete Integritas-Vorstandsmitglied Dr. Axel Sander. Die Richtlinie muss bis zum 2. Januar 2013 in nationales Recht umgesetzt werden, was in Deutschland mit der in Kürze zu erwartenden AMG-Novelle geschehen soll. Die Übergangsfrist für die Implementierung im Markt erstreckt sich über sechs Jahre. Bereits innerhalb der nächsten drei Jahre soll die Kommission noch weitere Detailvorschriften zu der Richtlinie erlassen. Diese betreffen zum einen die technischen Spezifikationen für die neu auf den Arzneimitteln aufzubringenden Sicherheits- und Manipulationsmerkmale. Zum anderen muss noch genauer bestimmt werden, welche Kategorien von Arzneimitteln überhaupt fälschungssicher gekennzeichnet werden müssen. Prinzipiell werden hiervon zunächst nur rezeptpflichtige Arzneimittel erfasst – Ausnahmen kommen auf eine "white List". OTC-Arzneimittel sollen demgegenüber nur im Ausnahmefall ("blacklist") zu kennzeichnen sein.

Die "securPharm"-Initiative

Erfahrungswerte für die noch festzulegenden Spezifikationen soll die von den Verbänden ABDA, BAH, BPI, Phagro, Pro Generika und vfa getragene Initiative "securPharm" liefern. Sie betrifft ein gemeinsam entwickeltes Sicherheitssystem, das 2013 in einem Pilot-Projekt getestet werden soll. Hierbei sollen die beteiligten Hersteller die Packungen ausgewählter rezeptpflichtiger Arzneimittel mit einem Data-Matrix-Code ausstatten, der unter anderem eine Packungs-individuelle Seriennummer enthält. Die Nummer wird auch in einer Datenbank gespeichert. Die an dem Pilotversuch teilnehmenden Apotheken werden mit DataMatrix-Scannern ausgestattet, mit denen der Code gelesen werden kann. Mit dem Scannen jedes gekennzeichneten Präparates wird eine geschützte Abfrage im Datenbank-System ausgelöst, die eine Verifizierung des authentischen Präparates wie auch von Fälschungen ermöglicht. Ein Medikament wird also zweimal erfasst: beim Eintritt in und beim Austritt aus der Vertriebs kette (End-to-End-Kontrolle). Zusätzlich soll das securPharm-System auch dem Großhandel die Möglichkeit bieten, die Identität einzelner Packungen zu verifizieren.

Mehr Kontrolle der Distributoren

Neben den Maßnahmen, die sich auf die Kennzeichnung der Arzneimittelpackungen beziehen, sieht die Fälschungsrichtlinie auch eine neue Anzeigepflicht für sogenannte "Arzneimittel-Vermittler" (Broker) sowie weitergehende Anzeigepflichten für Parallelimporteure und Großhändler vor. Außerdem müssen Versandhändler bei der zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaates angezeigt werden, unter anderem zur Aufnahme in eine öffentliche Liste. Daneben soll es auf den Internet-Webseiten ein noch von der Kommission zu kreierendes "gemein sames Logo" geben, aus dem auch ersichtlich sein soll, wo der Versandhändler seinen Sitz hat. Sanders Fazit: "Mehr Sicherheit für die Verbraucher geht nicht."



DAZ 2011, Nr. 49, S. 36

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