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Großer Handel

Peter Ditzel

3,15/70 – diese Zahlenkombination wird künftig das Verhältnis zwischen Apotheken und Großhandlungen dominieren. Denn ab 1. Januar 2012 wird die Großhandelsvergütung umgestellt: Der Großhändler erhält auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) als Vergütung für seine Leistung, so das AMNOG, einen Zuschlag von 3,15 Prozent (höchstens jedoch 37,80 Euro) zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent. 3,15/70 wird also die seit einigen Wochen laufenden Verhandlungen und neuen Verträge zwischen Apotheken und ihren Großhändlern dominieren.

Angestoßen hatte diese Umstellung auf eine dem Apothekenhonorar ähnliche Vergütungsform (Fixum und prozentualer Aufschlag) der Großhandel selbst, damals allerdings noch mit einer anderen Zahlenkombination, nämlich einem prozentualen Aufschlag von 3 Prozent und einem Fixzuschlag von 93 Cent. Ausgangspunkt für den Änderungswunsch des Großhandels waren die zunehmenden Direktbestellungen der Apotheken und die nicht mehr kostendeckende Distribution von geringpreisigen Packungen. Die Politik zeigte Verständnis, korrigierte allerdings die Höhe des Fixums nach unten: 70 Cent und 3,15 Prozent pro Packung müssen reichen, beschloss die Politik mit dem AMNOG. Und: Dieses Fixum darf nicht zur Gewährung von Rabatten an die Apotheken eingesetzt werden. Rabatte dürfen nur aus den 3,15 Prozent gewährt werden.

Das hat deutliche Konsequenzen für die Apotheken, wie jetzt jede Apotheke an den stattfindenden oder noch bevorstehenden Gesprächen mit den Großhandelsvertretern feststellen muss. Denn die alten Vereinbarungen über Großhandelskonditionen können nicht mehr fürs neue Jahr gelten. In Zukunft wird nicht mehr der Umsatz, den eine Apotheke mit dem Großhandel macht, für Rabattkonditionen ausschlaggebend sein, sondern die Anzahl der Packungen, die sie bezieht. Doch das wird nur ein Faktor sein beim Konditionenpoker. Der Großhandel wird auch darauf drängen, weitere Parameter auf den Prüfstand zu stellen, beispielsweise die Lieferfrequenz, Liefergebühren oder die Zahlungskonditionen. Hier sollte die Apotheke genau überlegen, was machbar ist. Müssen es wirklich noch fünf Lieferungen täglich vom Großhandel sein? Wird es möglich sein, die Großhandelsrechnungen früher als bisher zu begleichen? Kann mir der Großhandel bei der Frage des Category Managements helfen? Wie kann mir der Großhandel sonst noch entgegenkommen? Quer durch die Reihen aller Großhandlungen war zu vernehmen: Rabatte, wie sie in den vergangenen Jahren aus Wettbewerbsgründen gewährt wurden (also 4 Prozent und zum Teil noch höher), gehören der Vergangenheit an.

Was bei den Gesprächen thematisiert werden kann: die Großhandelsrechnungen, die für viele ein Buch mit sieben Siegeln sind. Die Intransparenz der Großhandelsrechnungen ist bereits legendär. Berater werden für teures Geld beauftragt, die Rechnungen zu durchforsten, um festzustellen, wie hoch denn nun der gewährte Rabatt bisher ist. Großhändler selbst sehen ihre Rechnungen allerdings nicht als intransparent an, allenfalls als kompliziert – es ist ja auch nicht einfach, die ausgehandelten Rabatte so zu platzieren, dass sie nachweislich gewährt werden, aber eben nicht auf alles und nicht überall und nicht für jede Zeile.

Ab Januar also: neue Konditionen, die jede Apotheke treffen werden. Für die eine oder andere Apotheke wird dies deutliche Einschnitte bedeuten. Schon heute wird vorausgesagt, dass sich das schleichende Apothekensterben in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Eine der Hauptursachen – und hier muss die Politik dringend handeln – ist das seit 2004 unverändert gebliebene Apothekenhonorar. 8,10 Euro abzüglich 2,05 Euro Kassenabschlag reichen schon lange nicht mehr aus, um eine Apotheke betriebswirtschaftlich sicher zu führen. Ohne Selbstausbeutung, ohne Rabatte des Großhandels wären heute schon viele Apotheken nicht mehr lebensfähig. Denn eigentlich sollte eine Apotheke wirtschaften können, ohne auf den Rabatt ihres Großhandels angewiesen zu sein. Die Berufspolitik muss alles daransetzen, die Politik davon überzeugen, dass beim Apothekenhonorar größter Handlungsbedarf besteht.

Apotheken könnten die neuen Strukturen aber auch zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, wo weitere Rationalisierungen und mehr Professionalisierung möglich ist. Stichpunkte sind beispielsweise die Öffnungszeiten, der Einsatzplan des Personals, das Warenlager, die Sichtwahlbestückung bis hin zum Nachdenken darüber, ob es sinnvoll sein könnte, sogar den Standort zu wechseln.

Die pharmazeutische Kompetenz gepaart mit Freundlichkeit und Lieferfähigkeit wird auch weiterhin die Basis einer gut gehenden Apotheke sein. Aber angesichts von Einschnitten durch AMNOG-Auswirkungen, Großhandel und Apothekenbetriebsordnung wird es ohne ein Mehr an Betriebswirtschaft kaum noch gehen.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 49, S. 3

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