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Süßholz – mehr als Lakritze

WÜRZBURG (cae). Der "Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" hat das Süßholz zur Arzneipflanze des Jahres 2012 gekürt. Er will damit nicht nur auf das arzneiliche Potenzial dieser altbekannten Arznei- und Gewürzdroge hin weisen, sondern auch auf das Vorbild einer nachhaltigen Wildsammlung, die in vielen Ländern praktiziert wird.
Foto: Studienkreis Würzburg
Wild gesammelt In asiatischen Steppen ist das Süßholz weit verbreitet. Die Wildbestände können daher wirtschaftlich genutzt werden, ohne Raubbau zu betreiben.

Das Europäische Arzneibuch kennt drei Stammpflanzen der Droge Süßholzwurzel (Liquiritiae radix), die außer den Wurzeln auch die Rhizome umfasst: Glycyrrhiza glabra, G. inflata und G. uralensis (Fabaceae).

In Europa spielt die erste Art die größte Rolle; sie ist von Spanien über den nördlichen Mittelmeerraum, Vorderasien und Südrussland bis Zentralasien verbreitet und wurde früher auch in Deutschland angebaut, z. B. in der Umgebung von Bamberg. Die beiden anderen Arten sind in Zentral- und Ostasien heimisch. Hauptanbauländer von Süßholz sind die Türkei, China, Russland, Bulgarien, Italien, Spa nien sowie Südfrankreich, doch wird es in Asien auch in großen Mengen an seinen natürlichen Wuchsorten geerntet ("wild gesammelt"). Die genannten Arten sind etwa ein Meter hohe Stauden, die teilweise verholzen.

Bisher sind 400 verschiedene Inhaltsstoffe der Süßholzwurzel beschrieben worden. Am wichtigsten sind die Triterpensaponine (bis zu 15%) mit dem Hauptbestandteil Glycyrrhizin; es ist ein Gemisch von Kalium- und Calciumsalzen der Glycyrrhizinsäure, die wiederum ein Diglucuronid der β-Glycyrrhetinsäure ist.

Glycyrrhizin besitzt etwa die 50-fache Süßkraft von Saccharose, während das Aglykon nicht süß schmeckt. Das in geringerer Menge enthaltene 24-Hydroxyglycyrrhizin schmeckt sogar fast 100-mal so süß wie Rohrzucker. Als weitere pharmakologisch interessante Inhaltsstoffe im Süßholz sind Flavonoide, Cumarine und Schleimstoffe (Polysaccharide, etwa 10%) zu nennen.

Anwendungen und Wirkungen

Süßholz ist ein altbewährtes Hustenmittel (Expektorans). Nach der Einnahme eines wässrigen Extraktes (Dekokt, Tee) steigt die Schleimhautsekretion an, und infolgedessen kann ein erkäl teter Patient mehr Auswurf abhusten; das Dekokt ist auch ein bewährtes Mittel bei rauer Stimme. Zudem schützt Süßholzextrakt die Magenschleimhaut; der Effekt beruht teilweise auf der antiphlogistischen Wirkung der Glycyrrhizinsäure. Süßholzwurzel ist ein Bestandteil einiger Arzneitees; in dieser Form konsumieren die Deutschen jährlich etwa 100 Tonnen Süßholzwurzel, was etwa 1,2 Gramm pro Person entspricht. Weitaus größere wirtschaftliche Bedeutung hat die Wurzeldroge bei uns als Zutat für die Herstellung von Kräuterlikören, diversen Lebensmitteln und insbesondere von Lakritze; dieses Wort ist von lateinisch "liquiritia" abgeleitet, das wiederum auf das griechische "glykys rhiza", "glykyrrhiza" (süße Wurzel) zurückgeht.

In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehört Süßholz (chin. gan cao) zu den 50 Basiskräutern. Wegen des großen kulturellen Einflusses Chinas auf seine Nachbarländer ist die Wurzel auch in den traditionellen Pharmakopöen Japans, Koreas und Vietnams vertreten; zudem ist sie in der tibetischen Medizin sowie den südasiatischen Heilverfahren Ayurveda und Unani gebräuchlich In Ostasien setzt man den Inhaltsstoff Glycyrrhizinsäure auch bei Hepatitis und Leberzirrhose ein.

Experimentell zeigten Extrakte und einzelne Inhaltsstoffe der Süßholzwurzel erhebliche antivirale Wirkungen sowie Wirkungen als Radikalfänger. Dies gibt Anlass zu der Hoffnung, dass die Süßholzwurzel in Zukunft auch für andere Anwendungsgebiete eingesetzt werden könnte, z. B. bei viralen Infektionen.

"FairWild"-Standard

Obwohl Süßholz sich gut an bauen lässt, wird die Wurzel auch in großem Stil wild gesammelt, d. h. an ihrem natürlichen Wuchs ort geerntet. Das Konzept der "kontrollierten, nachhaltigen Wildsammlung" besagt, dass nur ortsansässige Personen die wilden Nutzpflanzen ernten und dass sie höchstens so viel ernten, wie wieder nachwächst. Dadurch bleibt der ländlichen Bevölkerung zugleich eine wünschenswerte Einkommensquelle erhalten.

Seit Kurzem gibt es den vom World Wide Fund for Nature (WWF) und dem Artenschutzprogramm TRAFFIC (Trade Records Analysis of Flora and Fauna in Commerce) mitentwickelte "FairWild"-Standard. Er stellt eine nachhaltige Wildsammlung unter Erhalt der natürlichen Ressourcen mit fairen Preisen in der Lieferkette bis zum Verbraucher sicher.



DAZ 2011, Nr. 47, S. 54

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