DAZ aktuell

Gemeinsamkeiten und Sonderwünsche

BERLIN (ks). Nicht nur die ABDA war aufgefordert, zum Entwurf für die Novelle der Apothekenbetriebsordnung eine Stellungnahme abzugeben. Auch eine Reihe kleinerer Verbände nutzten die Gelegenheit, dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ihre Haltung zu den angedachten Neuerungen mitzuteilen. Wir haben einige Stellungnahmen – soweit die Organisationen sie zur Verfügung stellten – für Sie zusammengefasst. In einem Punkt besteht große Einigkeit: Alle sagen "Nein" zu Privilegierungen für Filialapotheken und dem damit verbundenen Abschied von der Vollapotheke.

BVDAK für den Erhalt der Vollapotheke

Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen e.V. – BVDAK – hat von seiner ersten Einschätzung zum Referentenentwurf deutlich Abstand genommen. Zunächst hatte der Verbandsvorsitzende Dr. Stefan Hartmann die Lockerungen der Vorschriften für Filialapotheken beim Nacht- und Notdienst sowie bei der Erstellung von Rezepturen positiv und als eine der Wirklichkeit entsprechende Weiterentwicklung gesehen. Nun spricht sich der Verband in seiner Stellungnahme an das BMG dafür aus, dass Filialapotheken grundsätzlich Vollapotheken bleiben – eine Gleichstellung mit Zweigapotheken, wie sie der Referentenentwurf vorsieht, lehnt er ab. Konkret fordert er, dass die Flächen von Filialapotheken denen von Hauptapotheken entsprechen müssen. Auch müssten Filialen ebenso wie Hauptapotheken über ein Labor verfügen. "Eine Ungleichbehandlung von Haupt- und Filialapotheken muss vermieden werden", heißt es dazu in der Stellungnahme. Was den Notdienst im Filialverbund betrifft, so will der Verband die Entscheidung über die Bündelung des Notdienstes nicht den Inhaber des Verbundes entscheiden lassen. Vielmehr müsse im begründeten Einzelfall die jeweilige Landesapothekerkammer eine Ausnahmegenehmigung erteilen.

Angesprochen werden in der BVDAK-Stellungnahme auch die bislang ungeregelten Pick-up-Stellen: Wenn es dabei bleiben sollte, dass das BMG ein Verbot für nicht umsetzbar hält, müssten alle Pick-up-Stellen und Rezeptsammelstellen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden, heißt es im Kommentar zu Rezeptsammelstellen. Der Patient müsse dort die Möglichkeit haben, zwischen der Belieferung einer Versandapotheke und einer Präsenzapotheke vor Ort wählen zu können.

Hinsichtlich der geplanten QMS-Pflicht für verblisternde, Parenteralia und Zytostatika herstellende Apotheken spricht sich der BVDAK "aufgrund der besonderen Komplexität der Herstellungsprozesse" für den Nachweis eines Qualitätsmanagementsystems mit Zertifizierung aus. Darüber hinaus hat der Verband eine Reihe weiterer Forderungen. So müsse beispielsweise klargestellt werden, dass pharmazeutische Tätigkeiten auch in Zukunft nur durch pharmazeutisches Personal ausgeführt werden dürfen oder dass für Defekturen keine anderen Standards gelten als für Rezepturen. Für wissenschaftliche Mittel und Laborgeräte soll die Bundesapothekerkammer nach Auffassung des BVDAK Empfehlungen erarbeiten.

VDPP: Nähe ist entscheidend, nicht Besitzverhältnis

Der Verein Demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) begrüßt in seiner Stellungnahme das formulierte Ziel, die Arzneimittelsicherheit und die Versorgung zu verbessern. Die angedachten Privilegierungen für Filialapotheken lehnt auch er als nicht sachgerecht ab. Aus Sicht der Patientenversorgung gebe es keinen sachlichen Grund dafür, nahe beieinander liegenden Apotheken mit verschiedenen Inhabern eine "Zentralisierung" des Notdienstes zu verweigern, diese aber einem Filialverbund zu gestatten, argumentiert der Verband. Zudem müsse auch im Notdienst eine Apotheke grundsätzlich in der Lage sein, Rezepturen herzustellen. Bei der "partiellen Zentralisierung von Apothekenaufgaben" dürfe aus Sicht der Versorgungssicherheit ausschließlich die Entfernung der Apotheken voneinander eine Rolle spielen, so der VDPP, nicht aber die Besitzverhältnisse. Außerdem sollte solcherlei Zentralisierung allein auf freiwilliger Einigung von Apothekern einer Region basieren und nicht als Wettbewerbsinstrument eingesetzt werden.

Auf Zuspruch des VDPP trifft dagegen vor allem die geplante Betonung der Information und Beratung – sie sind nach dem Verständnis des Vereins zentral für eine patientenorientierte Arzneimittelversorgung. Mit der Regelung, dass auch anderes pharmazeutisches Personal nach schriftlicher Festlegung des Apothekenleiters diese Aufgaben wahrnehmen kann, werde der Berufspraxis Rechnung getragen. Der Verein befürwortet weiterhin, dass die Beratungspflicht auf den Botendienst ausgeweitet werden soll, wenn zuvor keine Beratung in der Apotheke stattgefunden hat. Jedoch müsse es auch möglich sein, die Beratung nicht allein im Zusammenhang mit der Auslieferung, sondern auch durch einen persönlichen – und zu dokumentierenden – Anruf nachzuholen. Darüber hinaus sei diese Beratungspflicht unbedingt auch den Regelungen zum Versandhandel hinzuzufügen. Eine notwendige Maßnahme ist aus Sicht des Verbandes zudem, dass die Vertraulichkeit bei der Beratung gesichert wird – etwa durch farbliche Kennzeichnung oder bauliche Maßnahmen. Positiv sieht der VDPP auch die geplante Formulierung, dass in der Offizin der Eindruck einer Apotheke zu wahren ist. Dies sei von großer Bedeutung für die Wahrnehmung des Arzneimittels als besonderes Gut. Nötig sei eine klare Abgrenzung zur Drogerie. Dabei müsse auch eine stärkere Regulierung über Art und Umfang des Nebensortiments geprüft werden – Verstöße sollen dem Verein zufolge als Ordnungswidrigkeit formuliert werden. Begrüßt wird überdies die Einführung eines verbindlichen zertifizierten Qualitätsmanagementsystems mit angemessenen Übergangsfristen. Darüber hinaus befürwortet er eine Ausweitung der QMS-Pflicht auf alle Arbeitsbereiche in allen Apotheken, um eine einheitliche Qualitätssicherung zu gewährleisten.

Zudem fordert der VDPP den Verordnungsgeber auf, eine deutliche Regelung zur Abgabe und insbesondere dem Freiverkauf von Arzneimitteln an Kinder und Jugendliche zu erlassen. Lediglich in § 17 Abs. 8 ApBetrO gebe es einen Hinweis zum Verhalten des pharmazeutischen Personals bei Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch – auch bei Kindern und Jugendlichen. In eine künftige Regelung sollten laut VDPP die Kriterien gemäß dem "Merkblatt für die Abgabe von Arzneimitteln an Kinder" der ABDA eingearbeitet werden.

Und zu guter Letzt fordert der VDPP: "Soweit durch unsere Forderungen den Apotheken neue Verpflichtungen auferlegt werden, sind diese bei der Honorierung entsprechend zu berücksichtigen."

BVKA: Klinik- und Heimversorgung im Blick

Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) schließt sich in seiner Stellungnahme grundsätzlich der ABDA an. Er beleuchtet jedoch einige Aspekte des Verordnungsentwurfs, die unmittelbare Auswirkungen auf die Klinik- und Heimversorgung haben. Dabei findet er einige Regelungen begrüßenswert: Beispielsweise jene, nach der einerseits Räume, die ausschließlich der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern oder Heimbewohnern dienen, vom Erfordernis der Raumeinheit ausgenommen sind, andererseits aber die Anmietung von Lagerraum innerhalb des zu versorgenden Krankenhauses oder Heimes unzulässig bleibt.

Zu kurz greife der Entwurf allerdings, wenn er – beschränkt auf den neu definierten Bereich der Defekturarzneimittel – ein an industriellen Maßstäben orientiertes Qualitätsmanagementsystem fordert. Vielmehr seien alle pharmazeutischen Tätigkeiten in das QM-System der Apotheke einzubeziehen, dieses müsse sich jedoch an den besonderen Anforderungen des Apothekenbetriebs orientieren. Die Herstellung in der Apotheke sei insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass hier sorgfältig ausgebildetes Fachpersonal unter Aufsicht eines Apothekers in der Herstellung von Einzelanfertigungen, die zum sofortigen Gebrauch durch einen bestimmten vorgegebenen Patienten bestimmt sind, tätig wird. Insofern müssen hier andere – nicht geringere – Anforderungen als im industriellen Bereich definiert werden, so der Verband.

Auch die unterschiedliche Behandlung des patientenindividuellen Stellens und Neuverblisterns als Rezeptur bzw. Defektur greift aus Sicht des BVKA zu kurz. Insbesondere reduzierten die im Entwurf vorgesehenen Regelungen die Anforderungen an das Neuverblistern auf die weitgehende Übernahme der für die industrielle Herstellung von Fertigarzneimitteln geltenden Anforderungen. Hier plädiert der Verband dafür, Stellen und Neuverblistern ausdrücklich auf die patientenindividuelle Konfektionierung von Teilmengen aus Fertigarzneimitteln zu beziehen. Diese werde mit dem Ziel vorgenommen, dem Patienten die Einhaltung der ärztlichen Therapieempfehlungen im Hinblick auf Dosierung und Einnahmezeitpunkt zu erleichtern.

Präzisere Vorgaben fordert der BVKA zudem für die Auslagerung von pharmazeutischen Tätigkeiten auf andere Betriebe. In dem neuen § 11a des ApBetrO-RefE heißt es, dass über die Vergabe von Tätigkeiten im Auftrag – "insbesondere zur Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln" – ein schriftlicher Vertrag geschlossen werden muss. Der BVKA will noch deutlicher herausstellen, dass die Auslagerung nur in ausdrücklich erlaubten Ausnahmefällen zulässig ist und Anforderungen an die Auftragsvergabe formulieren. Verbesserungsbedarf sieht der Verband zudem bei den spezifischen Pflichten der Leiter von Krankenhausapotheken und krankenhausversorgenden Apotheken.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) wollte seine Stellungnahme nicht öffentlich machen. Auch bei der Apothekengewerkschaft Adexa behielt man sie lieber für sich, zeigte sich aber bereit, auf Fragen zu antworten. Im Hinblick auf die geplanten Filialapotheken-Lockerungen ist Adexa ebenfalls ganz auf einer Linie mit der ABDA.

Gesonderte Stellungnahme des AVWL

Auch einige Apothekerverbände und -kammern meldeten sich anlässlich des Ablaufs der Stellungnahmefrist eigenständig zu Wort. Eine eigene – auf einen Punkt beschränkte – Stellungnahme gab der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) ab. Ihm widerstrebt, was die ABDA zu den angedachten Änderungen beim Waren- und Dienstleistungsangebot zu sagen hat – auch wenn er sich darüber hinaus "in vollem Umfang der Stellungnahme der ABDA" anschließt. Die im Referentenentwurf vorgenommenen Definitionen der Begriffe der "apothekenüblichen Waren" und "apothekenüblichen Dienstleistungen" sind der ABDA zu weit gefasst: Sie moniert etwa die ausdrückliche Aufnahme von Mitteln zur Körperpflege ohne erforderlichen Gesundheitsbezug ins Sortiment der apothekenüblichen Waren. Damit werde das Nebensortiment nahezu auf den kompletten Drogeriemarktbedarf und damit "uferlos" erweitert. Aus Sicht des AVWL gewährleisten die Definitionen des BMG dagegen "einen hinreichend zukunftsoffenen Rechtsrahmen, um das Leistungsangebot der Apotheken durch die Übernahme neuer heilberuflicher Aufgaben und neue Handlungsfelder, die zur Gesundheitskompetenz der Apotheke passen, weiterzuentwickeln." Die Definitionen entsprächen den Beschlüssen des Deutschen Apothekertages 2011, die als höchstes Organ der ABDA über die berufspolitische Willensbildung des Berufsstandes verbindlich entscheide. Der AVWL weiter: "Eine wie auch immer gefasste engere Definition wäre nicht nur ein Rückschritt gegenüber dem Status quo, sondern auch eine Absage an die Übernahme neuer heilberuflicher Aufgaben und an die Nutzung der Gesundheitskompetenz der Apotheke in Handlungsfeldern jenseits des gesetzlichen Versorgungsauftrages." Konsequent wäre es aus Sicht des Verbandes, wenn die Apothekenbetriebsordnung für das Angebot an apothekenüblichen Waren und Dienstleistungen einheitlich einen mittelbaren oder unmittelbaren Gesundheitsbezug voraussetze, von weitergehenden Einschränkungen jedoch Abstand nehme. So gebe es auch den nötigen Raum für mögliche Spezialisierungen der Apotheken.

Berliner gegen "Pseudo-Apotheken"

Die Apothekerkammer Berlin und der Berliner Apotheker-Verein bezogen in einer gemeinsamen Pressemitteilung klar Position gegen die "Apotheke light" und befanden sich damit ebenfalls klar auf ABDA-Linie. Die vorgesehenen geringeren Anforderungen an Räume, Dienstbereitschaft und Rezepturherstellung in Filialapotheken gingen zulasten der Patienten, warnte Kammerpräsident Dr. Christian Belgardt. Für Dr. Rainer Bienfait, Vorsitzender des Berliner Apotheker-Vereins, drängt sich die Frage auf, welche Interessen das Bundesgesundheitsministerium mit diesem Plan bedient: die der Patienten oder die von Konzernen? "Der Entwurf für eine neue Apothekenbetriebsordnung stellt die Weichen hin zu Pseudo-Apotheken, die in Wirklichkeit nur billig zu betreibende Abgabestellen mit eingeschränkten Leistungen sind. Die Versorgung der Patienten bleibt auf der Strecke, der Wettbewerb unter den Apotheken wird verzerrt", so Bienfait. Im Extremfall blieben von den knapp 21.500 Betriebsstätten nur noch 5375 Voll apotheken mit Notdienst und Rezeptur übrig, warnen Kammer und Verein. Das Netz der Notdienst-Apotheken bekäme so große Löcher, dass die Versorgung im Notdienst völlig zusammenbrechen würde. Der Vize-Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins, Dr. Andreas Dehne, sprach von einem "skandalösen" Vorgehen des BMG: "Die angebliche Entbürokratisierung und Entlastung der Apotheken entpuppt sich bei näherer Betrachtung als listiger Angriff auf die Grundlagen des Apothekenwesens".



DAZ 2011, Nr. 47, S. 26

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