Arzneimittel und Therapie

Erster TransthyretinStabilisator Tafamidis

Tafamidis (vorgesehener Handelsname Vyndaqel®) ist jetzt nach einer Information der Firma Pfizer in der EU für die Behandlung der familiären Amyloid-Polyneuropathie vom Transthyretin-Typ (TTR-FAP) bei erwachsenen Patienten mit symptomatischer Polyneuropathie im Stadium 1 zugelassen worden. Tafamidis ist das erste Orphan Drug, das für diese seltene Erkrankung eingesetzt werden soll.
Tafamidis

Trans thyretin dient im Blut als Transportprotein für Schilddrüsenhormone. Tafamidis ist ein neuartiger spezifischer Transthyretin-Stabilisator, der in der EU zur Behandlung der Transthyretin-Amyloidose bei erwachsenen Patienten mit symptomatischer Polyneuropathie im Stadium 1 indiziert ist, um die Einschränkung der peripheren neurologischen Funktionsfähigkeit zu verzögern. Die familiäre Amyloid-Polyneuropathie vom Transthyretin-Typ (TTR-FAP) ist eine seltene, progrediente und tödlich verlaufende neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit rund 8000 Menschen betroffen sind. Gehäuft tritt sie in Portugal und Schweden auf. Die Erkrankung entsteht durch Mutationen im Transthyretin (TTR)-Gen. Diese führen dazu, dass instabiles Trans thyretin gebildet wird, das sich zu Amyloidfibrillen ansammelt. Amyloidfibrillen können sich in unterschiedlichen Organen ablagern, zum Beispiel in Nerven, Nieren oder im Herzen, und dort die normale Organfunktion beeinträchtigen.

Die Lebensqualität von Patienten ist aufgrund der auftretenden Symptome deutlich vermindert. Zu diesen Symptomen zählen die Polyneuropathie (Sensibilitätsstörungen, Schmerzen und Schwäche in den unteren Gliedmaßen) sowie eine schwere Störung des autonomen Nervensystems, die sich häufig in Form von Erektionsstörungen, abwechselnden Episoden von Diarrhö und Obstipation, unbeabsichtigter Gewichtsreduktion, orthostatischer Hypotonie, Harninkontinenz, Harnverhalt und verzögerter Magenentleerung äußert. Bei Fortschreiten der Erkrankung verlieren die Betroffenen in vielen Fällen die Gehfähigkeit und sind auf den Rollstuhl angewiesen und können nicht mehr für sich selbst sorgen. In der Regel tritt TTR-FAP meist im jungen Erwachsenenalter (zwischen 30 und 40 Jahren) auf. Anschließend schreitet die Erkrankung langsam fort; das Endstadium ist nach durchschnittlich etwa zehn Jahren erreicht.

Spezifischer Transthyretin-Stabilisator

Tafamidis ist das erste und derzeit einzige zugelassene Arzneimittel, das ein Fortschreiten peripherer neurologischer Störungen bei diesen Patienten verzögern kann. Es wirkt als spezifischer Transthyretin-Stabilisator und soll verhindern, dass die falsch gefalteten Proteine entstehen und es infolgedessen zu Amyloidablagerungen kommt, die eine Neurodegeneration und eine Verminderung der neurologischen Funktionsfähigkeit bewirken. In der zulassungsrelevanten Studie wurde die Stabilisierung von Transthyretin bei 98% der Patienten unter Einnahme von Tafamidis und bei keinem Patienten unter Einnahme von Placebo nach 18 Monaten in vitro gezeigt. Dabei handelte es sich um eine 18-monatige, multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie zur Beurteilung der Sicherheit und der Wirksamkeit von 20 mg Tafamidis einmal täglich. Untersucht wurden 128 Patienten mit einer Amyloid-Polyneuropathie vom TTR-Typ und einer V30MMutation, die sich überwiegend im Stadium 1 befanden. Als primäre Ergebnisparameter wurden der NIS-LL (Neuropathy Impairment Score – Lower Limbs, eine Beurteilung der neurologischen Untersuchung der unteren Gliedmaßen durch den Arzt) sowie eine vom Patienten vorgenommene Beurteilung der Gesamtlebensqualität gemäß Norfolk QOL-DN (Norfolk Quality of Life – Diabetic Neuropathy) herangezogen. Weitere Ergebnisparameter umfassten kombinierte Scores der Funktion der großen und der kleinen Nervenfasern sowie Beurteilungen des Ernährungszustands gemäß modifiziertem Body Mass Index.

Nach 18-monatiger Behandlung waren in der Tafamidis-Gruppe mehr Patienten, bei denen anhand des NIS-LL eine geringere Verschlechterung der neurologischen Funktion festgestellt wurde, als in der Placebogruppe. Bezüglich der sekundären Endpunkte wurde gezeigt, dass die Patienten in der Tafamidis-Gruppe eine geringere Verschlechterung der neurologischen Funktion und einen verbesserten Ernährungszustand aufwiesen als die Patienten in der Placebogruppe. Die Stabilisierung von Transthyretin wurde bei 98% der Patienten unter Einnahme von Tafamidis und bei keinem Patienten unter Einnahme von Placebo nach 18 Monaten beobachtet.

Gastrointestinale Nebenwirkungen und Infekte

In einer zwölfmonatigen unverblindeten Erweiterungsstudie zur 18-monatigen placebokontrollierten Studie wurde die langfristige Wirkung von Tafamidis beurteilt. Dabei gab es nur eine Behandlungsgruppe: Alle Patienten erhielten Tafamidis. Die Studienteilnehmer wurden unter Berücksichtigung der Behandlungssequenz ausgewertet, die sie in den Studien erhalten hatten (Tafamidis-Tafamidis oder Placebo-Tafamidis). In der Erweiterungsstudie wiesen die Patienten in den zwölf Behandlungsmonaten eine vergleichbare Veränderung des NIS-LL auf wie die Patienten, die in der vorangegangenen doppelblinden 18-monatigen Studie randomisiert der Behandlung mit Tafamidis zugewiesen worden waren. Als unerwünschte Wirkungen von Tafamidis wurden insbesondere Diarrhö, Schmerzen im Oberbauch sowie Harnwegs- und Vaginalinfektionen beobachtet.

Die Herstellerfirma Pfizer erwartet nach eigenen Angaben, dass das Präparat in Kürze in einigen europäischen Ländern für den klinischen Einsatz zur Verfügung stehen wird.


hel



DAZ 2011, Nr. 47, S. 62

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