Arzneimittel und Therapie

Fumarsäure halbiert Schubrate

Fumarsäure kann offenbar die Schubrate bei der multiplen Sklerose (MS) annähernd halbieren und auch die MS-typischen Schädigungen des Gehirns deutlich reduzieren. Das ist das Ergebnis einer klinischen Studie, die nach einer Meldung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im Oktober auf dem Fachkongress ECTRIMS in Amsterdam vorgestellt wurde.

Bei der Behandlung der multiplen Sklerose haben sich bisher Interferon beta und Glatirameracetat bewährt, weil sie die Schubrate bei der relapsierend-remittierenden Form der Krankheit eindeutig reduzieren können. Allerdings müssen diese Substanzen regelmäßig gespritzt werden.

Fumarsäure kann dagegen oral appliziert werden. Die natürliche organisch-chemische Substanz kommt in größeren Mengen in Pflanzen, Pilzen und Flechten vor. Namensgeber ist der Gewöhnliche Erdrauch (Fumaria officinalis), der größere Mengen der Säure enthält.

Behandlung der Psoriasis

Noch ist das erfolgreich getestete orale Fumarsäure-Präparat BG-12 nicht für die Behandlung der multiplen Sklerose zugelassen. Das Vorgängerprodukt Fumaderm®, das Fumarsäureester enthält, wird jedoch seit mehreren Jahren in einigen europäischen Ländern zur Behandlung der Psoriasis eingesetzt, was das Verfahren womöglich beschleunigen könnte. Dafür sprächen auch die überzeugenden Daten zur Verträglichkeit und Sicherheit von BG-12, die jetzt mit der DEFINE-Studie (Determination of the Efficacy and safety of oral Fumarate IN rElapsing-remitting MS) vorgestellt werden konnten, sagte Studienleiter Prof. Dr. Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik (St. Josef Hospital) in Bochum.

Halbierung der Schubrate

An der Studie hatten in 28 Ländern 1234 Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose und leichten bis mittelschweren Behinderungen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren teilgenommen. Nach dem Losverfahren erhielten diese Freiwilligen entweder das Fumarsäure-Präparat BG-12 oder Placebo. Nach zwei Jahren hatten Patienten, die BG-12 zweimal täglich einnahmen, 49% weniger Schübe erlitten, und bei dreimaliger Einnahme 50% weniger als mit dem Scheinmedikament. Die Auswertung zeigte auch einen erheblichen Unterschied beim Anteil der Patienten, bei denen ein Schub auftrat: Unter BG-12 waren es 9%, unter Placebo dagegen 15%.

Hautrötungen und GIT-Beschwerden

Im gesamten Studienzeitraum kam es weder zu medikamentenbezogenen Todesfällen oder Krebserkrankungen, noch wurden vermehrt Infektionen beobachtet, wie dies bei drei anderen neu entwickelten Wirkstoffen gegen multiple Sklerose der Fall war. Lediglich die vergleichsweise milden Nebenwirkungen Hautrötungen, Durchfall, Übelkeit und Magenschmerzen waren mit BG-12 häufiger als unter Placebo. Aber auch diese Beschwerden traten vorwiegend in den ersten 30 Behandlungstagen auf und gingen dann zurück.

Schutz der Nervenzellen

Fumarsäure scheint nicht nur eine dämpfende Wirkung auf die überschießende Immunreaktion bei MS zu haben, sondern scheint auch Nervenzellen zu schützen. Darauf deuten Ergebnisse der Magnetresonanztomografie (MRT) hin, die im Rahmen der DEFINE-Studie ebenfalls erhoben wurden und die einen starken Rückgang der MS-typischen Läsionen im Gehirn belegen. Die Zahl neuer Läsionen verringerte sich bei täglich zweimaliger Gabe von BG-12 um 85%, die Gesamtzahl sogenannter Gadolinium-verstärkter Läsionen um bis zu 90%.

Weniger Krankheitsaktivität

Unmittelbar nach dem ECTRIMS- Kongress veröffentlichte die Herstellerfirma von BG-12 (Biogen Idec) auch die Daten der Studie CONFIRM (Comparator and an Oral Fumarate in RRMS), die der US-Neurologe Robert J. Fox, Direktor am Mellen Center für Multiple Sklerose der Cleveland Clinic in Ohio geleitet hat. BG-12 wurde dabei nicht mit Placebo verglichen, sondern mit dem Immunmodulator Glatirameracetat, der zur Behandlung der MS in Europa bereits seit 2001 zugelassen ist. Die Ergebnisse der 1430 Teilnehmer bestätigten laut Fox die Resultate der DEFINE-Studie: "Wir sahen eine robuste Verringerung der Schubrate und der Krankheitsaktivität. Es sieht so aus, als ob BG-12 eine nützliche First-line-Therapie sein könnte."


hel



DAZ 2011, Nr. 46, S. 56

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