Arzneimittel und Therapie

Therapiekonzepte bei Kopf-Hals-Tumoren

Kombinationstherapien mit dem Antikörper Cetuximab (Erbitux®) verbessern die Behandlungserfolge bei malignen Kopf-Hals-Tumoren. Bei der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie in Basel wurden verschiedene Therapiekonzepte vorgestellt und der Einfluss von HPV-Infektionen auf den Krankheitsverlauf diskutiert.

Auf der Rangliste bösartiger Tumorerkrankungen stehen Kopf-Hals-Tumore weltweit an sechster Stelle, in Deutschland auf Rang sieben (Männer) bzw. auf Rang 16 (Frauen). Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt in Deutschland bei 15.600, die Zahl der jährlichen Todesfälle bei rund 5000. In über 90% der Fälle handelt es sich um Plattenepithelkarzinome (SCCHN, Squamous Cell Carcinoma of the Head and Neck), die am häufigsten in der Mundhöhle, Rachen oder Kehlkopf auftreten. Risikofaktoren sind Tabakrauchen, hoher Alkoholkonsum, schlechte Ernährung, chemische Noxen und eine Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV). Wie Prof. Dr. Tim Brümmendorf, Aachen, im Rahmen eines von Merck Serono organisierten Satellitensymposiums erläuterte, ist die HPV-Infektion vor allem für die wachsende Zahl jüngerer SCCHN-Patienten verantwortlich. Interessanterweise ist eine HPV-Infektion bei HNO-Tumoren mit einer günstigeren Prognose assoziiert, als Kopf-Hals-Tumore ohne Nachweis von HP-Viren. Man geht davon aus, dass es sich um zwei verschiedene Tumorarten mit unterschiedlicher Ätiologie und Tumorbiologie handelt. Unter dem Aspekt der Risikofaktoren dürfte sich langfristig folgender Trend abzeichnen: HPV-Patienten werden häufiger, Noxen-Patienten (Alkohol, Rauchen, chemische Noxen) werden seltener. Der HPV-Status wirkt sich zudem auf den Behandlungserfolg aus: So sprechen HPV-positive-Patienten besser auf eine Radio- oder Chemo-Radio-Therapie an, als HPV-negative Patienten (s. Tab.).


HPV-Infektion: prognostisch günstig

HPV-negativ
HPV-positiv
Zahl der Neuerkrankungen
abnehmend
zunehmend
Ätiologie
Tabakrauch, Alkohol
Oralverkehr
Alter
> 60 Jahre
< 60 Jahre
p53 Mutationen
häufig
selten
bevorzugtes Auftreten
nein
Oropharynx
Prognose
schlecht
günstig

Lokal fortgeschrittene Tumore: Cetuximab plus Strahlentherapie

Wird der Tumor in einem frühen Stadium erkannt, kann er chirurgisch entfernt und das betroffene Gebiet anschließend bestrahlt werden. In lokal fortgeschrittenen Stadien steht bei resektablen Tumoren die simultane Radiochemotherapie mit einem Platinderivat im Vordergrund. Ist der Tumor chirurgisch nicht mehr vollständig zu entfernen, kann ebenfalls eine simultane Radiochemotherapie durchgeführt werden, die allerdings mit kurz- und langfristigen Nebenwirkungen verbunden ist. Eine Alternative ist die Kombination aus Bestrahlung und der Gabe von Cetuximab, die ähnlich gut wirksam ist wie eine kombinierte Chemo-Radio-Therapie, aber weniger toxisch ist. Wie Prof. Dr. Dirk Rades aufzeigte, werden durch eine Kombination von Cetuximab und Strahlentherapie im Vergleich zur alleinigen Radiotherapie beachtenswerte Therapieerfolge erzielt, die sich in einer höheren Ansprechrate, längerem progressionsfreien Überleben und längerem Gesamtüberleben niederschlagen, ohne die Lebensqualität des Patienten negativ zu beeinflussen.


Symptome von Kopf-Hals-Tumoren


Die Symptome bösartiger Tumore im Kopf-Hals-Bereich sind relativ unspezifisch und treten auch bei vielen harmlosen Erkrankungen auf. Daher werden Kopf-Hals-Tumore häufig erst relativ spät erkannt.

  • nicht heilende Wunden im Mund-Rachenraum
  • Heiserkeit oder Stimmveränderungen
  • Schluck- oder Kaubeschwerden
  • häufig verstopfte oder blutende Nase
  • weiße oder rote Plaques sowie Blutungen im Mund
  • Probleme beim Atmen oder Sprechen
  • Schwellungen des Kiefers oder Nackens
  • Schmerzen oder Taubheitsgefühle im Gesicht

Metastasierte Tumore: Cetuximab plus platinhaltige Chemotherapie

Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren in weit fortgeschrittenen und metastasierten Stadien weisen mit einem medianen Überleben von sechs bis neun Monaten eine schlechte Prognose auf und müssen interdisziplinär betreut werden. Wie Dr. Thomas Gauler, Essen, darlegte, erstellen internistische Onkologen, HNO-Ärzte, Chirurgen und Strahlentherapeuten einen individuellen Behandlungsplan. Ein wichtiger Baustein ist die kombinierte Polychemotherapie, die auf einem Platinderivat – in der Regel Cisplatin – und Cetuximab basiert. Die Hinzunahme von Cetuximab zur Chemotherapie erhöht die Ansprechrate und führt zu einer signifikanten Verlängerung des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens (letzteres um 2,7 Monate). Diese Daten wurden erstmals in der zulassungsrelevanten EXTREME-Studie (Erbitux in first-line treatment of recurrent or metastatic head and neck cancer) gezeigt, die bereits 2008 publiziert wurde. Heute wird eine Platin-haltige Chemotherapie plus Cetuximab als Standard zur Behandlung des metastasierten oder rezidivierten Kopf-Hals-Tumors erachtet, wobei das Zytostatikum nur über einen gewissen Zeitraum, der Antikörper bis zur Krankheitsprogression gegeben wird. Auch die längerfristige Gabe von Cetuximab wirkt sich nicht negativ auf die Lebensqualität des Patienten aus. Zu beachten sind allerdings mögliche Infusionsreaktionen – besonders zu Beginn der Therapie – sowie akneähnliche Hautausschläge. Das Ansprechen auf eine Cetuximab-Therapie kann im Vorfeld nicht eingeschätzt werden, da derzeit keine klassischen Biomarker bekannt sind. Beim metastasierten kolorektalen Karzinom liegt mit der Bestimmung des Mutationsstatus von kras ein Biomarker auf das Ansprechen der Therapie mit Cetuximab vor; der Mutationsstatus von kras spielt beim SCCHN aber keine Rolle.


Onkogenese HPV-positiver Tumore


Die HPV-Subtypen, die bei Plattenepithelkarzinomen im HNO-Bereich gefunden werden, ähneln den HPV-Subtypen, die auch beim Zervixkarzinom auftreten. Besonders häufig kann HPV16 nachgewiesen werden. Die viralen Onkogene E6 und E7 verändern die Mukosazellen im Kopf-Hals-Bereich auf molekularer Ebene. Sie führen zu einer Degradation des Tumorsuppressor-Gens p53 sowie des Retinoblastom-Tumor-Suppressor-Gens und begünstigen so die Tumorentstehung.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr



DAZ 2011, Nr. 44, S. 58

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