Aus Kammern und Verbänden

Gendiagnostik: Basis für personalisierte Arzneimitteltherapie

Am 11. Oktober trafen sich über zweihundert Senior-Pharmazeuten im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln zu einer Fortbildungsveranstaltung der Apothekerkammer Nordrhein.
Foto: Wolfgang Beckers
Anwendung der Gendiagnostik in der Arzneimitteltherapie wird einen Paradigmenwechsel nach sich ziehen, weg von der Behandlung von Krankheiten hin zur individuellen Behandlung kranker Patienten. Wolfgang Gröning, Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Nordrhein (links) und Prof. Dr. Theodor Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt.

Nach der Begrüßung durch Vorstandsmitglied Wolfgang Gröning informierte Lutz Engelen, der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, über die aktuelle gesundheitspolitische Lage. Er berichtete vom Deutschen Apothekertag am Wochenende zuvor und sprach das zukunftsweisende ABDA-KBV-Konzept an, mit dem Ärzte und Apotheker gemeinsam Verantwortung für die Arzneimitteltherapiesicherheit übernehmen. Zu diesem Thema habe es in Arbeitskreis 1 auf dem DAT sehr gute Diskussionen gegeben. Er hoffe, dass dieses Novum in das GKV-Versorgungsgesetz aufgenommen wird. Ausführlich ging er auf die heilberufliche Seite des Apothekerberufes ein, die im Kern in einer wirtschaftlich unabhängigen pharmazeutischen Beratung bestehe. Der Staat habe die Aufgabe, hierfür durch entsprechende "juristische Leitplanken" einen geeigneten Rahmen zu schaffen und so eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen. Er erläuterte die Begrifflichkeiten von erstem und zweitem Gesundheitsmarkt in Bezug auf die öffentliche Apotheke. Der erste Gesundheitsmarkt umfasst die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, während zum zweiten Gesundheitsmarkt alle Arzneimittel der Selbstmedikation, aber auch Hygiene- und Körperpflegemittel, Inkontinenzprodukte etc. gehören. Eine teilweise Finanzierung des ersten Gesundheitsmarktes über den zweiten Gesundheitsmarkt dürfe nicht sein. Engelen schloss sein Statement mit dem Aufruf "back to the roots", mit dem er sich für mehr Heilberuflichkeit und eine angemessene Honorierung der pharmazeutischen Leistungen einsetzt.

Individuelle Behandlung kranker Patienten

Im zweiten Vortrag von Professor Dr. Theodor Dingermann ging es um die Chancen der Gendiagnostik für eine personalisierte Arzneimitteltherapie. Er bezeichnete den medizinischen Fortschritt als einen "stillen Killer" im Gesundheitssystem, weil jede Innovation mit deutlich höheren Kosten verbunden ist. Demgegenüber könnten Apotheker als Arzneimittelfachleute über die Möglichkeiten der Gendiagnostik Leistungen anbieten, die vergleichsweise wenig kosten, aber extrem effizient sind. Die Anwendung der Gendiagnostik in der Arzneimitteltherapie würde einen Paradigmenwechsel nach sich ziehen, weg von der Behandlung von Krankheiten hin zur individuellen Behandlung kranker Patienten. Die mithilfe der Gendiagnostik möglichen Vorhersagen zur individuellen Wirksamkeit und Verträglichkeit bestimmter Arzneimittel seien eine "once in a lifetime"-Chance, eine rein Arzneimittel-bezogene Diagnostik und ihre Auswertung, das heißt eine originär-pharmazeutische Aufgabe in die Apotheke zu holen. Dingermann erläuterte die unterschiedlichen Responderquoten für einzelne Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen. So gebe es zum Beispiel bei Acetylsalicylsäure 20% Non-Responder, bei Clopidogrel seien es sogar 70%, während 30% auf eine Therapie mit ACE-Hemmern und 40% auf eine Therapie mit Statinen nicht ansprechen würden. Darüber hinaus gehörten 15 bis 20% der Bevölkerung zu den langsamen Metabolisierern, was zur Folge haben könne, dass Arzneistoffe bei diesen Patienten infolge erhöhter Plasmakonzentrationen überdosiert werden und häufiger Nebenwirkungen zeigen. Bei einem Prodrug ist es genau umgekehrt. Die Therapie spricht möglicherweise nicht an, weil bei langsamen Metabolisierern weniger aktiver Metabolit gebildet wird als erwartet. Für den Abgleich einer Verschreibung mit den genetischen Daten eines Patienten müsse eine spezielle Software entwickelt werden.


AK Nordrhein



DAZ 2011, Nr. 42, S. 91

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