Deutscher Apothekertag 2011

So weit ist es schon gekommen!

Foto: DAZ/Schelbert

Gerade habe ich auf der Hauptversammlung noch hitzig über Rezeptsammelstellen, die Schleckerisierung der Arzneimittelversorgung und wider die Zwei-Klassen-Apotheke gestritten, jetzt schlendere ich über die Expopharm – da sehe ich es: Es sind sechs Buchstaben, die mich in Schockstarre versetzen. Träume ich? Nein. Horribile dictu: Es leuchtet mir in grellen Lettern entgegen, das apothekerliche Unwort des Jahres, marktschreierisch, in hässlichem Gelb-Orange: PICK UP. Jetzt also auch auf Europas größter pharmazeutischer Messe. Mir wird klar: Die Dämme sind gebrochen. Die Schlacht ist entschieden. Unsere Widersacher haben gewonnen.

So weit ist es also schon gekommen! Mit aufgeschlagenem Mantelkragen nähere mich unauffällig dem Ort des pseudopharmazeutischen Treibens. Unglaublich: Niemand scheint es zu stören, es herrscht eine gelöste Stimmung, hier und da wird sogar gelacht. Merkt denn niemand, welche Ungeheuerlichkeit hier vor sich geht? Pick-up auf der Expopharm. Ein Skandal! War unsere Öffentlichkeitsarbeit wirklich so schlecht? Ich nähere mich dem Point of Sale. Jetzt möchte ich es wissen, immerhin bin ich offiziell akkreditierter Testkäufer. Das Angebot am Stand ist raffiniert und üppig: Orangensäfte, Vegi-Burger, zuckerfreie Coca Cola, sogar ein leibhaftiger Apfel wird angeboten. Mir ist klar: Hier soll der Eindruck einer Apotheke light erweckt werden. Außen hui, innen pfui. Aber wo liegen die Arzneimittelbestellscheine, die ich von dm und Schlecker kenne? Auch den Rezeptsammelkasten suche ich vergeblich. Stattdessen stoße ich auf Stapel gelb-oranger Servietten im Pick-up-Corporate-Design. Das Drogeriekettenmarketing wird auch immer raffinierter. Schließlich nehme ich allen Mut zusammen und frage die freundliche Dame hinter dem Tresen (hier darf man es so sagen), wo ich denn meine Arzneimittelbestellung einwerfen könne. Verdutzt schaut sie mich an, als ob ich von einem anderen Planet komme: "Arzneimittel? Da müssen Sie zum Linda-Stand gegenüber gehen, die haben solche Kästen. Aber probieren Sie doch unsere Curry-Wurst. Die gibt’s ganz ohne Rezept."


Testkäufer C.



DAZ 2011, Nr. 41, S. 109

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